Zwei Girls vom roten Stern
Cover

20.07.2006 #388

Titel Zwei Girls vom roten Stern
Studio Team Filmgesellschaft / Chronos Film / Wiener Stadthallen Film (1966)
Hersteller e-m-s (2006)
DVD-Typ 9 (7,80 GB) Bitrate ø 7,95 max. 9,9
Laufzeit 88:36 Minuten Kapitel 16
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Flexbox
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.78:1 16:9 yes
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 192 kbit/s Deutsch
Untertitel Keine
Freigabe FSK 12
Extras • Booklet
• Nachdruck des Original-Filmprogramms
• Musik-Box, Trailershow und Nostalgie-Reklame

Der Film

Es ist Mitte der sechziger Jahre und der kalte Krieg ist im vollen Gange, als amerikanische Wissenschaftler eine Wunderwaffe namens Jonny entwickeln, die Ziele in jeder beliebigen Entfernung zerstören kann. Diese Nachricht macht dem russischen Gesandten der Genfer Abrüstungskonferenz so zu schaffen, daß ihn der Schlag trifft. Um möglichst schnell Ersatz zu finden, befragt Außenminister Sapparow (Kurt Meisel) nicht etwa das Zentralkomitee, sondern einen Computer, der als ideale Kandidaten für die Konferenz Oberst Olga Nikolajewna (Lilli Palmer) und Major Anja Petrowna (Pascale Petit) aussucht. Die russische Delegation versucht in Genf ihr möglichstes, beißt aber beim amerikanischen Gesandten Dave O´Connor (Curd Jürgens) zuerst auf Granit, bis der US-Diplomat und die russische Offizierin Olga auf besondere Weise aneinanderrasseln. Währenddessen versuchen nicht nur die Russen an die amerikanische Wunderwaffe zu gelangen, was ein gefundenes Fressen für die Genfer Ganoven und Spione ist...

 


In den sechziger Jahren befand sich das deutsche Kabarett auf seinem Höhepunkt und ein nicht geringer Teil der satirischen Kleinkunst kam von der Münchener Lach- und Schießgesellschaft. Die Gruppe mit dem seltsamen Namen hatte sich seit ihrer Gründung Mitte der fünfziger Jahre einen Namen mit bissigen Kabarett-Programmen gemacht und war nicht nur auf der Bühne in München und auf den Tourneen, sondern auch durch ihre Fernsehauftritte und Rundfunkübertragungen sehr populär.

Die Münchener Lach- und Schießgesellschaft ging in den frühen fünfziger Jahren aus der Kabarett-Gruppe Die Namenlosen hervor, die Sammy Drechsel (eigentlich Karl-Heinz Kamke) und Dieter Hildebrandt bei einem Karnevalsfest der Uni München auf die Beine gestellt hatten. 1956 wurden Die Namenlosen dann zur Münchener Lach- und Schießgesellschaft und hatten dann bald schon ein festes Ensemble, das unter anderem aus den beiden Gründern und Ursula Hering, Ursula Noack, Hans-Jürgen Diedrich und Klaus Halverstein bestand. Schon das erste Programm wurde im Frühling 1957 von der ARD aufgezeichnet und gesendet, und bald wurde die jährliche Fernsehausstrahlung des aktuellen Programm der Lach- und Schießgesellschaft zur Tradition.

Trotz einigen Krisen, der Beinahe-Auflösung in den siebziger Jahren und dem Tod von Gründer Sammy Drechsel 1986 blieb die Münchener Lach- und Schießgesellschaft bis heute mit wechselnden Besetzungen erhalten und ist heute eine der letzten echten Kabarett-Bastionen im deutschen Fernseh-Comedydschungel. Viele der Programme sind als Fernseh- und Radioaufzeichnungen erhalten geblieben, werden aber leider heute viel zu wenig gesendet. Kaum bekannt ist jedoch, daß aus der Münchener Lach- und Schießgesellschaft auch ein Kinofilm hervorgegangen ist, der 1966 von Sammy Drechsel nach einem Drehbuch von Lach & Schiess-Autor Klaus-Peter Schreiner inszeniert wurde.

Zwei Girls vom roten Stern war eine lustige, bissige Politsatire, die den kalten Krieg der sechziger Jahre als Anlaß für eine aufwendige Ost-West-Spionageparodie nahm. Wie Sammy Drechsel an das Projekt gelang ist heute nicht mehr genau nachvollziehbar, aber es ist sicher daß er zusammen mit Autor Klaus-Peter Schreiner vorhatte die ganze Geschichte nur mit Kabarettisten der Münchener Lach- und Schießgesellschaft zu versetzen. Da der Film aber eine finanziell ziemlich gewaltige deutsch-französische Koproduktion war, haben die Geldgeber wahrscheinlich auf eine Starbesetzung gedrängt und wollten keine relativ unbekannten Schauspieler als Hauptdarsteller haben.

Mit Curd Jürgens und Lilli Palmer in den Hauptrollen hatten die zu Filmemachern gewordenen Kabarettisten aber keinen Grund zur Beschwerde und konnten das Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft sogar in gar nicht so kleinen Nebenrollen unterbringen: Dieter Hildebrandt, Hans-Jürgen Diedrich, Klaus Halverstein und Jürgern Scheller spielten ein von Ursula Noack “gemanagtes” Gaunerquartett, das die schwere Arbeit für die Spione der Supermächte erledigen und eigentlich liebenswerte und harmlose Figuren sind, die im Kidnappen und abliefern Meister sind, aber im Prinzip keiner Fliege was zuleide tun können.

Die “Zwei Girls vom roten Stern” sind Lilli Palmer und Pascale Petit, eine deutsche Schauspielerinnen-Legende und eine junge französische Kollegin, die die beiden russischen Offiziere Olga Nikolajewna und Anja Petrovna spielen. Die eine ist eine trinkfeste, resolute Dame in den besten Jahren und die andere eine pflichtbewußte junge Idealistin - beide sind gelungene Parodien auf die Stereotypen russischer Militärs der sechziger Jahre, die normalerweise immer als knallharte Kerle dargestellt wurden - wobei hier insbesonders Lilli Palmers Olga Nikolajewna nicht weniger hart im Nehmen und Austeilen ist. Das Offiziersduo ist trotz des Filmtitels nur am Anfang des Films gemeinsam tätig und geht dann schnell auseinander, wobei die fast humorlose, geradlinige Rolle von Pascale Petit dann schnell verschwindet und nur später noch einmal kurz auftaucht.

Die amerikanische Fraktion wird ausgerechnet von einem deutschen Schauspieler vertreten. Diplomat Dave O'Connor wird von Curd Jürgens gespielt, der zwar überhaupt keinen passenden Akzent mitbringt und sich sonst auch nicht besonders amerikanisch verhält, aber seine Rolle dafür als charmanter und untergründig gefährlicher Brummbär anlegt. Genauso wie Lilli Palmers Rolle bezieht auch Curd Jürgens O´Connor seinen Humor hauptsächlich aus besonders trockenem Witz, der direkt von den Kabarettbühnen der Lach- und Schießgesellschaft zu kommen scheint, mit dem der Schauspieler ein sichtliches, deftiges Vergnügen hat.

Auch die weiteren Nebenrollen wurden ausgezeichnet besetzt, obwohl dabei wahrscheinlich mehr die Geldgeber als die Filmemacher das Sagen hatten. Kurt Meisel spielt im besten Yul Brynner-Look den russischen Außenminister Sapparow als hinterlistigen, verschmitzten Politiker mit viel Temprament. Der Genfer Geheimdienstchef Popowistsch entspricht degegen ehr dem damals typischen Bild des russischen Beamten: Stanislaw Ledinek spielt den unfähigen KGB-Spion als lustigen, kugeligen Russen, der eigentlich völlig überfordert mit seinem Job ist und seinen Vorgesetzten den letzten Nerv raubt.

Einer der US-Politiker und Diplomaten wurde sogar von einem richtigen Amerikaner gespielt: Anthony Steele ist in einer Nebenrolle als Mike Astor, dem Assistenten von Dave O´Connor zu sehen - allerdings wird der Schauspieler in der deutschen Fassung von Friederich Schönfelder synchonisiert. Mehr echte Amis sind jedoch nicht zu bewundern, denn auch Mr. Miller wird vom deutschen Schauspieler Hellmuth Lange gespielt – schlimm ist das nicht, denn zum Glück wurden den Charakteren erst gar keine nervigen US-Akzente verpaßt und man bekommt sowohl bei den Amerikanern als auch bei den Russen lediglich den Eindruck einen synchronisierten Film zu sehen.

Neben den fünf von der Lach- und Schießgesellschaft ist in einer kleinen, aber wichtigen Nebenrolle der französische Schauspieler Thirard Laforet als Mister X zu sehen, dem Doppel- und Dreifachagenten der für alle Seiten gleichzeitig arbeitet und dessen Lieblingsbeschäftigung außer Geheimnisse stehlen die Hand bei seinen Brötchengebern aufhalten ist. Laforet wird wie die meisten nicht-deutschen Akteure in diesem Film von einem deutschen Schauspieler nachsynchronisiert, wobei die Nachvertonung hier viel besser gelungen ist als bei so mancher anderer Produktion aus dieser Zeit – insbesonders Thirard Laforets deutsche Stimme paßt sehr gut auf den Charakter.

Das Drehbuch von Klaus-Peter Schreiner macht den Eindruck, als ob viele Ideen von den Mitgliedern der Münchener Lach- und Schießgesellschaft verarbeitet wurden. Der Film ist stellenweise sehr episodenhaft und wirkt manchmal wie ein Bühnenstück, gleichzeitig laufen aber auch mehrere Geschichten parallel und oft wird der Zuschauer von den vielen Charakteren etwas überrumpelt. Die Story von Zwei Girls vom roten Stern mag auf den ersten Blick simpel sein, aber die Handlung ist es keineswegs und macht dem Spionagethriller-Genre alle Ehre, das gleichzeitig auch kräftig auf den Arm genommen wird.

Eigentlich ist Zwei Girls vom roten Stern überhaupt kein angestaubter Film aus den sechziger Jahren, sondern macht mehr den Eindruck mindestens zwanzig Jahre jünger zu sein. Der bissige, fast schon zynische Humor gleitet nur selten in Klamauk ab und ist auch dann noch wirklich witzig – das Vodka-Duell zwischen Olga Nikolajewa und Dave O'Connor ist hart an der Grenze, aber dank Lilli Palmer und Curd Jürgens sind auch solche Szenen sehr gelungen und zeigen, daß hier seriöse Schauspieler nicht für niveaulosen Holzhammer-Humor eingesetzt wurden. Letztendlich ist der Film auch ein seltenes Beispiel, daß Kabarett im begrenzten Umfang auch auf der großen Leinwand möglich ist – etwas, was das deutsche Kino erst wieder in den achtziger Jahren entdecken sollte.

Die DVD

Lange Zeit nur selten im Fernsehen zu sehen und auf Video praktisch nicht zu haben, hat e-m-s nun überraschenderweise Zwei Girls vom roten Stern im Rahmen der Filmpalast-Reihe lizensiert und zwar fast ohne Film-relevante Extras, aber dafür mit erstaunlich guter Bild- und Tonqualität zu einem fairen Preis veröffentlicht. Für Kenner des Films lohnt sich diese DVD auf jeden Fall und alle anderen sollten sich nicht von der Nostalgischen Aufmachung des Coverdesigns nicht verscheuchen lassen, denn bei Zwei Girls vom roten Stern handelt es sich gar nicht um einen typische Klamotte aus den sechziger Jahren, sondern um eine sehr freche und immer noch aktuelle Politsatire der besten Art.


Cover

Bild

Wo andere DVD-Studios ein altes Videomaster aus dem Keller geholt und eiskalt auf DVD geklatscht hätten, hat e-m-s überraschenderweise das Richtige getan und nicht nur einen neuen Filmtransfer organisiert, sondern diesen auch erstaunlich sehr gut nachbearbeiten lassen. Das vermutliche Originalformat von 1.66:1 wurde hier in anamorphem 1.78:1 abgetastet, wobei die Bildkomposition aber keineswegs beeinträchtigt wurde und immer optimal aussieht.

Die Filmvorlage war sicherlich nicht im allerbesten Zustand, wurde aber mit digitalen Mitteln so gut gesäubert, daß nur noch wenige Verschmutzungen und überhaupt keine Beschädigungen mehr zu sehen sind. Gelegentlich sind noch kleine Überreste von wegretuschierten großflächigen Kratzern und ähnlichem zu sehen, die aber nur bei ganz genauer Betrachtung überhaupt auffallen. Die Filmkörnigkeit wurde nur ansatzweise gefiltert und ist noch in einem ganz normalen Maß sichtbar - generell macht das Bild aber einen einigermaßen sauberen und frischen Eindruck und sieht überhaupt nicht wie ein vierzig Jahre alter Film aus.

Einen ganz anständigen Eindruck machen auch die Farben, wenn man bedenkt daß der Film auf dem damals in Deutschland oft eingesetzten Eastmancolor-Material gedreht wurde. Dieses Verfahren hatte besonders pastellartige Farbtöne, die hier auch genauso wiedergegeben werden. Das bedeutet einen leichten Touch von Bonbonfarben für diese DVD, die aber völlig normal für einen Film aus dieser Zeit sind und hier ganz korrekt wiedergegeben werden.

Etwas unruhig und wackelig wird der Transfer in den wenigen Szenen, in denen Fernsehbildschirme in das Filmbild einkopiert wurden – ansonsten ist der Bildstand relativ ruhig und leistet sich kaum Ausfälle. Auch die Schärfe ist auf einem ganz akzeptablen Niveau, allerdings wurde so kräftig digital nachgeschärft, daß gelegentlich deutliche Doppelkanten auftreten. Dafür macht das Bild dann aber auch einen sehr knackigen und detailreichen Eindruck.

Ton

Auch die Tonspur ist den Umständen entsprechend gut, wurde aber anscheinend von einer Lichtton-Quelle übernommen, die jedoch so gut wie möglich in der ursprünglichen Mono-Abmischung aufbereitet wurde. Obwohl es sich um eine deutsch-französische Coproduktion handelt, wird hier nur die deutsche Fassung geboten – die sich allerdings wegen der hauptsächlich deutschsprachigen Schauspieler aber doch als Originalfassung qualifizieren kann.

Die Titelmusik im Vorspann hört sich zwar sehr kräftig, aber auch etwas übersteuert an – Frequenzgang und Dynamik sind auch im Rest des Films deutlich eingeschränkt, aber dort kommt es kaum noch zu Verzerrungen. Die Dialoge klingen erstaunlich sauber und sind bestens verständlich – zischende S-Laute oder anderen Probleme tauchen hier überhaupt nicht auf. Nur der Klang der Stimmen verändert sich manchmal plötzlich, weil Teile der Dialoge offenbar live auf dem Set aufgenommen und andere wieder im Studio nachsynchronisiert wurden – besonders fällt dies bei Szenen auf, in denen die deutschsprachigen Schauspieler mit den französisch- oder englischsprachigen reden.

Die sonstige Tonqualität ist durchweg gut, es ist kein Knacksen oder Knistern zu hören – lediglich der manchmal etwas erhöhte Grundrauschpegel wurde nicht herausgefiltert, wodurch die Tonspur aber auch einen sehr natürlichen und nicht so digital kaputtgefilterten Klang hat. Eine bessere Qualität kann man vermutlich bei diesem Film wohl kaum noch erreichen und mehr ist eigentlich auch gar nicht notwendig – nur Untertitel hätte e-m-s dann vielleicht doch noch produzieren können.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial liest sich auf dem Cover sehr interessant, aber leider hat e-m-s nur ein paar Sachen aus dem Herstellungsjahr des Films herausgesucht und keinerlei Informationen oder Dokumentationen über den Film selbst produziert - zumindest ein Interview mit Dieter Hildebrandt wäre doch im Bereich des Möglichen gewesen. Die besten Extras findet man bei dieser DVD jedoch als Printbeilage in Form von zwei kleinen, aber gut gemachten Booklets.

Die Nostalgie-Reklame (1:52) besteht aus drei zeitgenössischen Werbespots in mäßiger Qualität, die zwar einen gewissen Sammlerwert haben, aber hier ansonsten völlig fehl am Platz sind.

Das Curd Jürgens Interview (13:00) ist ein Radio-Interview von 1969, in dem es aber nur um die gerade aktuellen Projekte des Schauspielers geht und Zwei Girls vom roten Stern mit keinem Wort erwähnt wird. Der völlig überforderte Reporter wird von Curd Jürgens mit Recht ziemlich herablassend behandelt.

Die Musik-Box bietet acht deutsche Schlagersongs in Form von Ausschnitten aus Filmen, die auch in der Filmpalast-Reihe von e-m-s erschienen sind. Musik aus Zwei Girls vom roten Stern sucht man hier leider vergebens.

Während sich auf der DVD also kaum Film-relevante Extras befinden, bekommt man dann doch noch welche in gedruckter Form geboten: das zwölfseitige Booklet ist sehr gut gemacht und enthält zwar nur auf der Hälfte der Seiten sehr knappe Informationen über den Film, die aber durch die ebenfalls zwölfseitige Reproduktion des Filmkuriers Nummer 97 hervorragend ergänzt werden.


GOWEBCounter by INLINE GOWEBCounter by INLINE