Der Film
Es ist Mitte der sechziger Jahre und der kalte Krieg ist
im vollen Gange, als amerikanische Wissenschaftler eine Wunderwaffe namens
Jonny entwickeln, die Ziele in jeder beliebigen Entfernung zerstören kann.
Diese Nachricht macht dem russischen Gesandten der Genfer Abrüstungskonferenz
so zu schaffen, daß ihn der Schlag trifft. Um möglichst schnell Ersatz
zu finden, befragt Außenminister Sapparow (Kurt Meisel) nicht etwa das
Zentralkomitee, sondern einen Computer, der als ideale Kandidaten für
die Konferenz Oberst Olga Nikolajewna (Lilli Palmer) und Major Anja Petrowna
(Pascale Petit) aussucht. Die russische Delegation versucht in Genf ihr
möglichstes, beißt aber beim amerikanischen Gesandten Dave O´Connor (Curd
Jürgens) zuerst auf Granit, bis der US-Diplomat und die russische
Offizierin Olga auf besondere Weise aneinanderrasseln. Währenddessen versuchen
nicht nur die Russen an die amerikanische Wunderwaffe zu gelangen, was
ein gefundenes Fressen für die Genfer Ganoven und Spione ist...
In den sechziger Jahren befand sich das deutsche Kabarett auf seinem Höhepunkt
und ein nicht geringer Teil der satirischen Kleinkunst kam von der Münchener
Lach- und Schießgesellschaft. Die Gruppe mit dem seltsamen Namen hatte
sich seit ihrer Gründung Mitte der fünfziger Jahre einen Namen mit bissigen
Kabarett-Programmen gemacht und war nicht nur auf der Bühne in München
und auf den Tourneen, sondern auch durch ihre Fernsehauftritte und Rundfunkübertragungen
sehr populär.
Die Münchener Lach- und Schießgesellschaft ging in den frühen fünfziger
Jahren aus der Kabarett-Gruppe Die Namenlosen hervor, die Sammy Drechsel
(eigentlich Karl-Heinz Kamke) und Dieter Hildebrandt bei einem Karnevalsfest
der Uni München auf die Beine gestellt hatten. 1956 wurden Die Namenlosen
dann zur Münchener Lach- und Schießgesellschaft und hatten dann bald schon
ein festes Ensemble, das unter anderem aus den beiden Gründern und Ursula
Hering, Ursula Noack, Hans-Jürgen Diedrich und Klaus Halverstein bestand.
Schon das erste Programm wurde im Frühling 1957 von der ARD aufgezeichnet
und gesendet, und bald wurde die jährliche Fernsehausstrahlung des aktuellen
Programm der Lach- und Schießgesellschaft zur Tradition.
Trotz einigen Krisen, der Beinahe-Auflösung in den siebziger Jahren und
dem Tod von Gründer Sammy Drechsel 1986 blieb die Münchener Lach- und
Schießgesellschaft bis heute mit wechselnden Besetzungen erhalten und
ist heute eine der letzten echten Kabarett-Bastionen im deutschen Fernseh-Comedydschungel.
Viele der Programme sind als Fernseh- und Radioaufzeichnungen erhalten
geblieben, werden aber leider heute viel zu wenig gesendet. Kaum bekannt
ist jedoch, daß aus der Münchener Lach- und Schießgesellschaft auch ein
Kinofilm hervorgegangen ist, der 1966 von Sammy Drechsel nach einem Drehbuch
von Lach & Schiess-Autor Klaus-Peter Schreiner inszeniert wurde.
Zwei Girls vom roten Stern war eine lustige, bissige Politsatire,
die den kalten Krieg der sechziger Jahre als Anlaß für eine aufwendige
Ost-West-Spionageparodie nahm. Wie Sammy Drechsel an das Projekt gelang
ist heute nicht mehr genau nachvollziehbar, aber es ist sicher daß er
zusammen mit Autor Klaus-Peter Schreiner vorhatte die ganze Geschichte
nur mit Kabarettisten der Münchener Lach- und Schießgesellschaft zu versetzen.
Da der Film aber eine finanziell ziemlich gewaltige deutsch-französische
Koproduktion war, haben die Geldgeber wahrscheinlich auf eine Starbesetzung
gedrängt und wollten keine relativ unbekannten Schauspieler als Hauptdarsteller
haben.
Mit Curd Jürgens und Lilli Palmer in den Hauptrollen hatten die zu Filmemachern
gewordenen Kabarettisten aber keinen Grund zur Beschwerde und konnten
das Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft sogar in gar nicht so kleinen
Nebenrollen unterbringen: Dieter Hildebrandt, Hans-Jürgen Diedrich, Klaus
Halverstein und Jürgern Scheller spielten ein von Ursula Noack “gemanagtes”
Gaunerquartett, das die schwere Arbeit für die Spione der Supermächte
erledigen und eigentlich liebenswerte und harmlose Figuren sind, die im
Kidnappen und abliefern Meister sind, aber im Prinzip keiner Fliege was
zuleide tun können.
Die “Zwei Girls vom roten Stern” sind Lilli Palmer und Pascale Petit,
eine deutsche Schauspielerinnen-Legende und eine junge französische Kollegin,
die die beiden russischen Offiziere Olga Nikolajewna und Anja Petrovna
spielen. Die eine ist eine trinkfeste, resolute Dame in den besten Jahren
und die andere eine pflichtbewußte junge Idealistin - beide sind gelungene
Parodien auf die Stereotypen russischer Militärs der sechziger Jahre,
die normalerweise immer als knallharte Kerle dargestellt wurden - wobei
hier insbesonders Lilli Palmers Olga Nikolajewna nicht weniger hart im
Nehmen und Austeilen ist. Das Offiziersduo ist trotz des Filmtitels nur
am Anfang des Films gemeinsam tätig und geht dann schnell auseinander,
wobei die fast humorlose, geradlinige Rolle von Pascale Petit dann schnell
verschwindet und nur später noch einmal kurz auftaucht.
Die amerikanische Fraktion wird ausgerechnet von einem deutschen Schauspieler
vertreten. Diplomat Dave O'Connor wird von Curd Jürgens gespielt, der
zwar überhaupt keinen passenden Akzent mitbringt und sich sonst auch nicht
besonders amerikanisch verhält, aber seine Rolle dafür als charmanter
und untergründig gefährlicher Brummbär anlegt. Genauso wie Lilli Palmers
Rolle bezieht auch Curd Jürgens O´Connor seinen Humor hauptsächlich aus
besonders trockenem Witz, der direkt von den Kabarettbühnen der Lach-
und Schießgesellschaft zu kommen scheint, mit dem der Schauspieler ein
sichtliches, deftiges Vergnügen hat.
Auch die weiteren Nebenrollen wurden ausgezeichnet besetzt, obwohl dabei
wahrscheinlich mehr die Geldgeber als die Filmemacher das Sagen hatten.
Kurt Meisel spielt im besten Yul Brynner-Look den russischen Außenminister
Sapparow als hinterlistigen, verschmitzten Politiker mit viel Temprament.
Der Genfer Geheimdienstchef Popowistsch entspricht degegen ehr dem damals
typischen Bild des russischen Beamten: Stanislaw Ledinek spielt den unfähigen
KGB-Spion als lustigen, kugeligen Russen, der eigentlich völlig überfordert
mit seinem Job ist und seinen Vorgesetzten den letzten Nerv raubt.
Einer der US-Politiker und Diplomaten wurde sogar von einem richtigen
Amerikaner gespielt: Anthony Steele ist in einer Nebenrolle als Mike Astor,
dem Assistenten von Dave O´Connor zu sehen - allerdings wird der Schauspieler
in der deutschen Fassung von Friederich Schönfelder synchonisiert. Mehr
echte Amis sind jedoch nicht zu bewundern, denn auch Mr. Miller wird vom
deutschen Schauspieler Hellmuth Lange gespielt – schlimm ist das nicht,
denn zum Glück wurden den Charakteren erst gar keine nervigen US-Akzente
verpaßt und man bekommt sowohl bei den Amerikanern als auch bei den Russen
lediglich den Eindruck einen synchronisierten Film zu sehen.
Neben den fünf von der Lach- und Schießgesellschaft ist in einer kleinen,
aber wichtigen Nebenrolle der französische Schauspieler Thirard Laforet
als Mister X zu sehen, dem Doppel- und Dreifachagenten der für alle Seiten
gleichzeitig arbeitet und dessen Lieblingsbeschäftigung außer Geheimnisse
stehlen die Hand bei seinen Brötchengebern aufhalten ist. Laforet wird
wie die meisten nicht-deutschen Akteure in diesem Film von einem deutschen
Schauspieler nachsynchronisiert, wobei die Nachvertonung hier viel besser
gelungen ist als bei so mancher anderer Produktion aus dieser Zeit – insbesonders
Thirard Laforets deutsche Stimme paßt sehr gut auf den Charakter.
Das Drehbuch von Klaus-Peter Schreiner macht den Eindruck, als ob viele
Ideen von den Mitgliedern der Münchener Lach- und Schießgesellschaft verarbeitet
wurden. Der Film ist stellenweise sehr episodenhaft und wirkt manchmal
wie ein Bühnenstück, gleichzeitig laufen aber auch mehrere Geschichten
parallel und oft wird der Zuschauer von den vielen Charakteren etwas überrumpelt.
Die Story von Zwei Girls vom roten Stern mag auf den ersten Blick
simpel sein, aber die Handlung ist es keineswegs und macht dem Spionagethriller-Genre
alle Ehre, das gleichzeitig auch kräftig auf den Arm genommen wird.
Eigentlich ist Zwei Girls vom roten Stern überhaupt kein angestaubter
Film aus den sechziger Jahren, sondern macht mehr den Eindruck mindestens
zwanzig Jahre jünger zu sein. Der bissige, fast schon zynische Humor gleitet
nur selten in Klamauk ab und ist auch dann noch wirklich witzig – das
Vodka-Duell zwischen Olga Nikolajewa und Dave O'Connor ist hart an der
Grenze, aber dank Lilli Palmer und Curd Jürgens sind auch solche Szenen
sehr gelungen und zeigen, daß hier seriöse Schauspieler nicht für niveaulosen
Holzhammer-Humor eingesetzt wurden. Letztendlich ist der Film auch ein
seltenes Beispiel, daß Kabarett im begrenzten Umfang auch auf der großen
Leinwand möglich ist – etwas, was das deutsche Kino erst wieder in den
achtziger Jahren entdecken sollte.
Die DVD
Lange Zeit nur selten im Fernsehen zu sehen und auf Video
praktisch nicht zu haben, hat e-m-s nun überraschenderweise Zwei
Girls vom roten Stern im Rahmen der Filmpalast-Reihe lizensiert und
zwar fast ohne Film-relevante Extras, aber dafür mit erstaunlich
guter Bild- und Tonqualität zu einem fairen Preis veröffentlicht.
Für Kenner des Films lohnt sich diese DVD auf jeden Fall und alle
anderen sollten sich nicht von der Nostalgischen Aufmachung des Coverdesigns
nicht verscheuchen lassen, denn bei Zwei Girls vom roten Stern
handelt es sich gar nicht um einen typische Klamotte aus den sechziger
Jahren, sondern um eine sehr freche und immer noch aktuelle Politsatire
der besten Art.
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Bild
Wo andere DVD-Studios ein altes Videomaster aus dem Keller
geholt und eiskalt auf DVD geklatscht hätten, hat e-m-s überraschenderweise
das Richtige getan und nicht nur einen neuen Filmtransfer organisiert,
sondern diesen auch erstaunlich sehr gut nachbearbeiten lassen. Das vermutliche
Originalformat von 1.66:1 wurde hier in anamorphem 1.78:1 abgetastet,
wobei die Bildkomposition aber keineswegs beeinträchtigt wurde und
immer optimal aussieht.
Die Filmvorlage war sicherlich nicht im allerbesten Zustand, wurde aber
mit digitalen Mitteln so gut gesäubert, daß nur noch wenige
Verschmutzungen und überhaupt keine Beschädigungen mehr zu sehen
sind. Gelegentlich sind noch kleine Überreste von wegretuschierten
großflächigen Kratzern und ähnlichem zu sehen, die aber
nur bei ganz genauer Betrachtung überhaupt auffallen. Die Filmkörnigkeit
wurde nur ansatzweise gefiltert und ist noch in einem ganz normalen Maß
sichtbar - generell macht das Bild aber einen einigermaßen sauberen
und frischen Eindruck und sieht überhaupt nicht wie ein vierzig Jahre
alter Film aus.
Einen ganz anständigen Eindruck machen auch die Farben, wenn man
bedenkt daß der Film auf dem damals in Deutschland oft eingesetzten
Eastmancolor-Material gedreht wurde. Dieses Verfahren hatte besonders
pastellartige Farbtöne, die hier auch genauso wiedergegeben werden.
Das bedeutet einen leichten Touch von Bonbonfarben für diese DVD,
die aber völlig normal für einen Film aus dieser Zeit sind und
hier ganz korrekt wiedergegeben werden.
Etwas unruhig und wackelig wird der Transfer in den wenigen Szenen, in
denen Fernsehbildschirme in das Filmbild einkopiert wurden – ansonsten
ist der Bildstand relativ ruhig und leistet sich kaum Ausfälle. Auch
die Schärfe ist auf einem ganz akzeptablen Niveau, allerdings wurde
so kräftig digital nachgeschärft, daß gelegentlich deutliche
Doppelkanten auftreten. Dafür macht das Bild dann aber auch einen
sehr knackigen und detailreichen Eindruck.
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