Der Film
When you're the middle child of five million, you just don't get any attention... klagt die Ameise Z über das Leben in der Ameisenkolonie. Der Arbeiter ist über seine unbedeutende Rolle in der großen Masse von Ameisen deprimiert, aber ein kleiner Lichtblick ist seine kurze Begegnung mit der abenteuerlustigen Prinzessin Bala, die sich in eine Arbeiter-Kneipe eingeschlichen hat. Z überredet daraufhin seinen Freund Weaver, einer Soldaten-Ameise, mit ihm die Plätze zu tauschen, damit er bei einer Parade die unerreichbare Prinzessin noch einmal treffen kann. Die militärische Inspektion stellt sich aber als Abmarsch in einen Krieg gegen Termiten heraus und plötzlich befindet sich Z mitten im Kampfgetümmel...
Die Geschichte von Antz begann ursprünglich fast zwanzig Jahre vor der Entstehung des Films, als Carl Rosendahl, Richard Chuang und Glenn Entis Anfang der achtziger Jahre ihre Faszination für das damals noch in den Kinderschuhen steckende Gebiet der Computergrafik entdeckt hatten und mit ihrer Firma Pacific Data Images, kurz PDI, erste Versuche in dreidimensionaler Animation mit selbstgeschriebener Software unternahmen. Mit einem brasilianischen Fernsehsender konnte PDI einen ersten Großkunden gewinnen und im Laufe des Jahrzehnts kamen CBS, NBC, ABC und viele andere amerikanische und internationale TV-Kanäle hinzu, die die innovativen Grafiken des Studios zu schätzen wußten und PDI bald zum Marktführer machten. Ende der achtziger Jahre begann sich die Firma Werbespots und CGI-Effekte in Realfilmen zu konzentrieren und konnte sich auch in diesem stark umkämpften Markt gut etablieren, währenddessen auch die ersten CGI-Kurzfilme entstanden.
Die Computer-Trickfilmer
PDIs eigentliches Ziel war aber schon seit 1985, einen komplett computergenerierten Kinofilm zu erschaffen, aber lange Zeit konnte das Studio dafür keine Unterstützung in Hollywood finden. Intern wurde aber immer an den dafür notwendigen Techniken gearbeitet und 1990 die Character Animation Group gegründet, während gleichzeitig nach einem Partner für einen abendfüllenden Spielfilm gesucht wurde. 1991 gewann PDI einen Emmy für die CGI-Charaktere in dem Fernsehspecial The Last Halloween und arbeitete 1995 mit den Produzenten der Simpsons zusammen, um das erste und einzige Mal einen 2D-Charakter in 3D für eine der Treehouse of Horror-Halloweenepisoden umzuwandeln. Es war vermutlich die Simpsons-Episode, die dazu führte, daß PDI sich schließlich einen Filmdeal sichern konnte.
Verantwortlich dafür war im wesentlichen Jeffrey Katzenberg, der zuvor schon eine lange Hollywood-Karriere als Manager hinter sich hatte. Mitte der siebziger Jahre hatte Katzenberg bei Paramount Pictures angefangen und war unter anderem für den erfolgreichen Kinostart des Star Trek-Franchise verantwortlich. Als sein Chef Michael Eisner 1985 von Paramount nach Disney umzog, nahm er Katzenberg mit und vertraute ihm die Trickfilm-Abteilung an, die seit einiger Zeit in Schwierigkeiten war. Unter Jeffrey Katzenberg erholte sich Disney wieder und produzierte einige der erfolgreichsten Trickfilme der Firmengeschichte. Anfang der neunziger Jahre ging er außerdem eine Kooperation mit Pixar ein, die den ersten computergenerierten Kinofilm der Filmgeschichte produzieren sollten.
1994 wurde Disney aber von einem tragischen Ereignis erschüttert, als der Chief Operation Officer Frank Wells, der gleichzeitig mit Michael Eisner und Jeffrey Katzenberg in die Firma gekommen war, bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Katzenberg hatte eigentlich erwartet, daß er die nun freigewordene Position übernehmen könnte, aber Michael Eisner setzte stattdessen seinen Bekannten Michael Ovitz ein und warf Katzenberg aus der Firma, der dagegen klagte und sich später außergerichtlich mit Disney einigen konnte. Seine Leidenschaft für Zeichentrickfilme konnte der ehemalige Disney-Animationschef aber bald in einer ganz anderen Umgebung einsetzen.
Kurz nach seinem Rauswurf aus dem Disney-Konzern konnte Jeffrey Katzenberg aber in Hollywood wieder Fuß fassen, als er zusammen mit Steven Spielberg und David Geffen das unabhängige Filmstudio Dreamworks SKG gründete, das aus einer Realfilm-Abteilung für Steven Spielbergs Produktionen, einer Animations-Abteilung für Jeffrey Katzenbergs Projekte und einem Plattenlabel für David Geffens musikalische Projekte bestand. Den drei Entertainment-Größen waren vor allem die Trickfilm-Abteilung wichtig, denn es sollte eine starke Konkurrenz zu Disney und Pixar aufgebaut werden, die kurz davor waren, mit Toy Story den ersten computeranimierten Langfilm der Filmgeschichte fertigzustellen. Zwei Projekte wurden schon ganz zu Beginn festgemacht: The Prince of Egypt, eine traditionell animierter Trickfilm über die biblische Geschichte von Moses und eine computeranimierte Produktion, für die Katzenberg einen idealen Partner gefunden hatte.
PDI goes Antz
Pacific Data Images hatte schon lange nach einem Studio gesucht, daß ihnen die Chance geben würde, einen komplett computeranimierten Kinofilm zu produzieren und hatte auch jede Menge Ideen auf Lager. Schon 1991 war eine Geschichte über das Treiben im Inneren eines Ameisenhügels im Gespräch, die hauptsächlich dadurch entstanden war, daß sich Insekten im Vergleich zu Menschen und mit Fell ausgestatteten Tieren relativ einfach animieren ließen. Der PDI-Mitarbeiter Tim Johnson hatte die Ameisen-Geschichte bereits kurz nach der Gründung von Dreamworks Jeffrey Katzenberg vorgestellt, der von der Idee begeistert war und PDI nicht nur unter Vertrag nahm, sondern auch einen 40%-Anteil des Studios kaufte.
Die Idee, einen Ameisenhügel zum Thema zu machen, bedeutete aber auch einen Konflikt mit der Konkurrenz, denn bei Pixar hatte man ein ganz ähnliches Konzept entwickelt. Welche Idee wirklich zuerst da war, ist heute aber kaum noch nachvollziehbar. Disney weist gerne darauf hin, daß eine Idee dieser Art im Studio seit Ende der achtziger Jahre existiert hatte, aber laut Pixar-Chef John Lasseter kam das Konzept erst 1994 während der Postproduktion von Toy Story als möglicher Nachfolger auf. Sicher ist, daß Jeffrey Katzenberg diese parallele Entwicklung zu seinen Gunsten genutzt hatte, um Disney und Pixar eins auszuwischen. Pixar hatte bis zu diesem Zeitpunkt ein gutes Verhältnis zu PDI, aber durch die Disney-Dreamworks-Fehde wurden die beiden Studios zu bitteren Feinden.
Das Wettrennen beginnt
In drei Jahren sollte Antz, der erste computeranimierte Kinofilm von Dreamworks und PDI, fertiggestellt werden und um sicher zu gehen, daß der Termin eingehalten werden konnte, stellte Jeffrey Katzenberg um PDI herum ein hervorragendes Team auf. Das Drehbuch wurde nicht nur von PDI alleine entwickelt, sondern in Zusammenarbeit mit einem Trio von Autoren, die mit Antz ihr Kinodebüt schrieben: Todd Alcott und die Brüder Chris und Paul Weitz. Wie bei den meisten Trickfilmen machte das Drehbuch zahllose verschiedene Versionen durch, die im Storyboard-Prozess einer ständigen Evolution unterworfen waren, aber als Endergebnis eins der originellsten Scripts der Zeichentrick-Branche hervorbrachte. Die Regie übernahmen mit Tim Johnson und Eric Darnell zwei langjährige PDI-Mitarbeiter, die nicht nur die ursprüngliche Idee des Films hatten, sondern auch jede Menge Erfahrung als CGI-Animatoren mitbrachten.
Die Geschichte des neurotischen Ameisen-Arbeiters Z, der sein eintöniges Leben in einer riesigen Ameisenkolonie satt hat und nach Individualität strebt, stand im starken Kontrast zu den meist harmlosen und kinderfreundlichen Filmen der Konkurrenz. Auch Toy Story, die erste Kollaboration von Disney und Pixar, war hauptsächlich für jüngere Zuschauer gedacht, aber Jeffrey Katzenberg hatte sich von den Filmemachern einen deutlich erwachseneren Ton für Antz gewünscht und auch bekommen. Es wurde zwar kein so ernstes Drama wie der parallel produzierte traditionelle Trickfilm The Prince of Egypt, aber der Humor war absichtlich wenig kinderkompatibel angelegt worden.
Antz wurde mehr eine ausgewachsene, intelligente Satire als eine einfache Action-Komödie und machte sich mit einem sehr hohen Anteil von Dialogen positiv bemerkbar, die den größten Anteil der oft bissigen und zynischen Gags enthalten. Das Drehbuch begnügte sich nicht mit einem 08/15-Plot, sondern einer detailreich choreographierten Geschichte, die großen Wert auf Themen wie Individualismus und Pazifismus legte, sich dabei aber nicht immer völlig ernst nahm. Die unterliegende Satire war im ganzen Film zu spüren und es war deutlich bemerkbar, daß die Autoren nicht einfach nur einen moralisch erhobenen Zeigefinger im Sinn hatten, sondern beinahe schon eine politische Message.
Invasion der Insekten
Das Innere eines Ameisenhaufens mit Hilfe von Computern zum Leben zu erwecken wäre in den achtziger Jahren noch völlig utopisch gewesen, aber mit der Entwicklung von völlig neuen Animationstechniken und leistungsfähigeren Computern konnte PDI solch eine Szenario möglich machen. Die schwierige Anforderung, die digitalen Kulissen nicht zu künstlich aussehen zu lassen, konnte auch mit den damaligen Techniken schon erstaunlich gut gemeistert werden. Das Innere des Ameisenhaufens besteht natürlich primär aus Erde, Steinen und Grünzeug, die sich relativ gut digital simulieren ließen und bei den Abenteuern in der Wildnis half vor allen Dingen der Umstand, daß sie in einer Miniatur-Welt aus der Insekten-Perspektive stattfanden und dadurch mehr Freiheiten bei der Gestaltung möglich waren. Dabei blieben die Produktionsdesigner aber immer auf dem Boden der Tatsachen und sorgten für eine realistische und organische Welt, die mit viel Licht- und Schattenspiel nur wenig von ihren CGI-Wurzeln offenbaren.
Die Charaktere wurden ebenfalls bemerkenswert lebendig gestaltet. Besondere Mühe hatten sich Dreamworks und PDI mit den Hauptprotagonisten des Films, den Ameisen gegeben, die nicht völlig vermenschlicht wurden, aber als besonderem Gag einige Gesichtszüge ihrer Sprecher bekamen. Die anatomisch korrekten sechsbeinigen Ameisen gehen zwar aufrecht und bewegen sich mehr auf menschliche als auf tierische Art, aber dafür ist ihre Gestaltung weniger eine Karikatur und erinnert dafür mehr an realistische Ameisen. Auch bei den anderen Insekten haben sich die Designer an der realen Welt orientiert und sie zwar notwendigerweise etwas vermenschlicht, aber nicht verniedlicht.
Geradezu erstaunlich für einen computeranimierten Trickfilm vom Ende der neunziger Jahre ist die ausgeklügelte Animation. Die realistisch aussehenden Ameisen-Massenszenen lassen nur wenig von der unterliegenden digitalen Mechanik erkennen und die Bewegungen der Charaktere sind bemerkenswert flüssig und natürlich. Die virtuelle Kameraführung und der Schnitt verzichteten auf einen modernen, abgehackten Stil zugunsten einer beeindruckenden, aber unauffälligen Art, die nach den Prinzipen der traditionellen Cinematographie arbeitete und sich nicht durch die technischen Möglichkeiten verleiten ließ.
Armee der Ameisen
Jeffrey Katzenberg war sich bewußt, daß die Animation eines Trickfilms nur die Hälfte des Erfolgs garantieren kann und die andere Hälfte von den Stimmen der Charaktere kommen muß. Um für Antz eine möglichst gelungene Besetzung zu erreichen, nutzte der Dreamworks-Chef seine Kontakte in der Filmbranche und bat einige befreundete Schauspieler um Unterstützung. Dadurch konnte er eine erstaunliche Gruppe von Stars gewinnen, die möglichst früh zusammengestellt wurde, um die Animation auf die Sprecher abzustimmen. Offiziell wurde es nie bestätigt, aber Gerüchte besagten, daß Jeffrey Katzenberg alle Schauspieler davon überzeugen konnte, ohne Gage ins Tonstudio zu kommen.
Die Hauptrolle der neurotischen Ameise Z sollte ursprünglich nur so ähnlich wie Woody Allen klingen, aber niemand hatte wirklich damit gerechnet, daß man den New Yorker Komiker und Filmemacher tatsächlich engagieren könnte. Als das Unmögliche dann doch eingetreten war und Woody Allen die Einladung von Jeffrey Katzenberg angenommen hatte, waren die Filmemacher begeistert und richteten das Drehbuch ganz nach ihm aus. Allen nahm seinen Part in einem New Yorker Tonstudio in nur fünf Tagen auf, als Antz nur als Drehbuch und in Form von Storyboards und Konzeptzeichnungen existierte. Die Regisseure ermunterten ihn, viel zu improvisieren und Woody Allen nutzte diese Gelegenheit aus, um sich die Rolle, die ihm schon vor seiner Beteiligung praktisch auf den Leib geschrieben worden war, ganz zu eigen zu machen. Es ist nicht zu verleugnen, daß Z praktisch ein Querschnitt von Woody Allens typischen Neurotiker-Charakteren ist, aber welcher Drehbuchautor hätte dieser einmaligen Gelegenheit schon widerstehen können?
Zs Freund, die Soldaten-Ameise Weaver, wollten die Filmemacher mit einem bekannten Actionhelden mit markanter Stimme besetzen und versuchten es erst bei Arnold Schwarzenegger, der sich aber ordentlich bezahlen lassen wollte. Sylvester Stallone hatte allerdings keine Probleme damit, ohne Gage zu arbeiten und seine Stimme einer Ameise zu leihen, so daß er für die Rolle ausgewählt wurde, aber nicht einfach nur die zweite Wahl war. Der Schauspieler hatte zwar hauptsächlich als knallharter Actionheld Karriere gemacht, war aber auch kein schlechter Komiker und konnte in seine Rolle des simplen, aber sympathischen Kraftprotzes jede Menge Selbstironie einbringen, die ihn zu einer liebevollen Parodie seiner eigenen Karriere machte.
Insekten-Aristokratie
Für die Rolle der tempramentvollen Ameisen-Prinzessin Bala konnten die Filmemacher mit Sharon Stone auch eine hochkarätige Besetzung finden, die dem relativ komplexen Charakter gerecht wird. Obwohl die Schauspielerin seit Anfang der neunziger Jahre durch ihre Skandalrolle in Paul Verhoevens Basic Instinct den Ruf eines Sexsymbols hatte, konnte sie sich trotzdem als kompetente Charakterdarstellerin etablieren und war für Prinzessin Bala eine ideale Wahl. Zusammen mit der auf sie selbst abgestimmten Mimik des Charakter war es Sharon Stone gelungen, die Verwandlung ihres Charakters von einer verwöhnten jungen Göre zu einer selbstbewußten Ameise hervorragend darzustellen und dicht mit ihrer Rolle zu verschmelzen.
Die spätere Dreamworks-Tradition von starken Antagonisten scheint ihren Ursprung schon in Antz zu haben, denn mit General Mandible, der in früheren Drehbuchversionen noch General Formica hieß, hatten sich die Filmemacher ein besonderes prächtiges Exemplar ausgedacht. Er ist nicht nur ein simpler Bösewicht, sondern eine bitterböse Satire auf machthungrige und gewissenlose militärische Führer, die mehr der Realität entspricht als man sich in einem Film dieser Art wünschen möchte. Gene Hackman gibt eine Paradevorstellung als Mandibles Stimme und macht den General nicht einfach nur zu einer bösen Gestalt, sondern einem absolut emotions- und gewissenlosen Monster, bei dem dem Zuschauer praktisch das Lachen im Hals steckenbleibt. Weniger furchterregend und mehr kühl-kalkulierend ist dagegen Mandibles rechte Hand Colonel Cutter, der wundervoll trocken von Christopher Walken gesprochen wird.
Die ahnungslose Aristokratie repräsentiert die unbenannte Ameisen-Königin, die als bedächtige Stimme der Vernunft keine wirkliche Chance gegen General Mandible hat und weniger wie eine deftige Parodie als eine unterschwellige Satire auf die letzten europäischen Königshäuser wirkt. Mit Anne Bancroft hatten die Filmemacher auch eine ausgezeichnet passende Stimme für die Ameisen-Königin gefunden, denn die Schauspielerin konnte einen richtig königlichen Ton in ihren Charakter einbringen. Die weiteren Nebenrollen wurden genauso hochkarätig, wenn auch manchmal nicht ganz treffsicher besetzt: Jennifer Lopez als Weavers Freundin Azteca hört sich etwas holperig an, aber Danny Glover als hartgesottener Soldat Barbatus und die früheren Saturday Night Life-Kollegen Jane Curtin und Dan Aykroyd als überkandideltes Wespen-Ehepaar sind hervorragend. John Mahoney als betrunkene Ameise sowie Paul Mazursky als Zs Psychologe sind außerdem in kleinen, gelungenen Gastauftritte zu hören.
Wespenchor und Ameisengetrappel
Mit der Gründung von Dreamworks hatten Jeffrey Katzenberg, Steven Spielberg und David Geffen für das Filmstudio auch eine eigene Abteilung für die Filmmusik, für deren Leitung sie den deutschen Komponisten Hans Zimmer engagierten. Zimmer hatte zuvor schon mit Katzenberg an Disneys The Lion King zusammengearbeitet und sollte nicht nur als Musiker, sondern vor allem als Koordinator und Produzent für die Dremworks-Projekte da sein, da er mit seiner eigenen Firma Media Ventures auch die passende Infrastruktur bieten konnte. Er selbst hatte die Filmmusik von The Prince of Egypt übernommen und damit nicht mehr viel Zeit für Antz, dessen Vertonung er zwei bisher nur wenig bekannten, aber vielversprechenden britischen Komponisten anvertraut hatte.
Harry Gregson-Williams und John Powell hatten sich für Antz von Hans Zimmers manchmal nach Fließbandarbeit klingenden Kompositionen völlig lösen können und schrieben eine völlig originelle und einfallsreiche Filmmusik, die mit der Geschichte Hand in Hand geht und den Rhythmus des Films bestimmt. Die stark themenbasierte Score reicht von traditionellem Orchester über swingenden Jazz bis zu beinahe funk-ähnlichen Rhythmen und hat fast immer einen enorm hohen Ohrwurmcharakter. Die Arrangements sind überraschend kreativ und setzen nicht nur ein klassisches Filmorchester ein, sondern auch sehr viel Perkussionsum, klavierlastige Jazz-Combos und ein Wespenchor, der mit Kazoos gespielt wurde. Dadurch konnten die Komponisten einen völlig originellen Sound schaffen, der maßgeblich für die einzigartige Atmosphäre des Films verantwortlich war.
Das Dreamworks-Markenzeichen, Filmmusik mit Popsongs zu ergänzen, war in Antz noch nicht so stark ausgeprägt wie in späteren CGI-Trickfilmen des Studios. Der Film beschränkt sich zwar nicht ausschließlich auf die orchestrale Score, aber die Filmemacher hatten sich lediglich für einen einzigen Popsong entschieden, der als Begleitung für eine romantische Montage eingesetzt wurde: Johnny Nash's I Can See Clearly Now, allerdings nicht in der Originalaufnahme, sondern einer extra für den Film von Neil Finn neu eingespielten Version. Aber auch sonst spielt Musik Plot gelegentlich eine Rolle: die sowohl optisch als auch musikalisch beeindruckende Tanz-Szene wird von einer erst völlig monotonen und dann fröhlich-ausgelassenen Instrumentalversion von Guantanamera begleitet, während das bitterböse Marschlied der Ameisen-Armee eine abgewandelte Version von Johnny Comes Marching Home gekreuzt mit dem Kinderlied The Ants Go Marching ist. Abgeschlossen wurde der Film wundervoll passend mit dem alten Doris Day-Song High Hopes, der inhaltlich nicht besser hätte passen können.
Debüt einer Traumfabrik
Als erster computeranimierter Trickfilm von Dreamworks und PDI konnte Antz nach über drei Jahren Arbeit im Herbst 1998 planmäßig fertiggestellt werden. Mit der Premiere am 19. September auf dem Internationalen Filmfestival in Toronto und dem amerikanischen Kinostart am 2. Oktober schlug Dreamworks der Konkurrenz ein Schnippchen, denn Pixar war mit A Bug's Life noch nicht so weit und konnte den Film erst am 20. November in die Kinos bringen. Trotz des Vorsprungs war es dann aber nicht Antz, sondern A Bug's Life, der unterm Strich finanziell erfolgreicher war, denn Pixar und Disney konnten mit weltweit 363 Millionen Dollar mehr als doppelt so viel wie Dreamworks' 172 Millionen einnehmen.
Jeffrey Katzenbergs Studio hatte aber noch ein As im Ärmel, denn der parallel produzierte traditionelle Trickfilm The Prince of Egypt, der am 18. Dezember 1998 uraufgeführt wurde, konnte weltweit sogar 218 Millionen Dollar einspielen. Antz und The Prince of Egypt sorgten für einen grandiosen Auftakt eines damals völlig neuen Mitspielers in der noch stark von Disney monopolisierten Trickfilm-Branche, die dadurch völlig umgekrempelt wurde. Jeffrey Katzenberg hatte sein Ziel erreicht, eine ernstzunehmende Konkurrenz zu Pixar und Disney zu werden.
Obwohl die Zahlen nicht für Antz sprachen, gelang es dem Kinodebüt von Dreamworks und PDI die meisten Kritiker zu überzeugen. Während A Bug's Life als nette, kinderkompatible Popcorn-Unterhaltung gefeiert wurde, hatte Antz vor allem durch die Weigerung der Filmemacher, sich komplett auf das jüngere Publikum auszurichten, einen durchweg positiven Eindruck hinterlassen. Manche ließen sich zwar zu einer eindringlichen Warnung hinreißen, daß der Film auf keinen Fall für junge Zuschauer geeignet sei und daher als Trickfilm nichts taugen würde, aber viele Kritiker waren von der intelligenten und originellen Story, der atemberaubenden Animation und den hervorragenden Sprechern begeistert. In Deutschland kam Antz Anfang November in die Kinos und war den Umständen entsprechend gut synchronisiert worden - zwar konnte der Wortwitz nicht wirklich originalgetreu umgesetzt werden, aber das Synchronstudio hatte sich immerhin erfolgreich darum bemüht, mit Wolfgang Draeger und Thomas Dannenberg die regulären Sprecher von Woody Allen und Sylvester Stallone zu bekommen.
Über zehn Jahre nach seiner Premiere und zwanzig Dreamworks-Trickfilme später bleibt Antz immer noch einer der allerbesten Filme des Studios, der sich inhaltlich und sogar technisch noch erstaunlich gut behaupten kann. Die Filmemacher hatten sich Dinge getraut, die später oft nicht mehr möglich waren, da sie den Erfolg eines Films verhindert hätten. Kein anderer Dreamworks-Trickfilm war so erwachsen und gewagt wie Antz, der eine absolute Ausnahme in der Studiogeschichte bildet, aber gleichzeitig auch den Grundstein für den ganz besonderen Dreamworks-Touch gelegt hatte.
Die DVD
Antz wurde bereits fünf Monate nach der Kinopremiere im März 1999 in den USA als DVD, Laserdisc und Videokassette veröffentlicht und hatte gegenüber Pixar und Disney, die A Bug's Life erst einen Monat später herausbrachten, einen kleinen Vorsprung. Die DVD erschien in zwei Versionen jeweils mit Dolby- und DTS-Ton, die zwar noch keinen volldigitalen Transfer besaßen, aber im Gegensatz zum Pixar-Film ein anamorphes Bild zu bieten hatten. Eine europäische Veröffentlichung, die weitgehend mit der US-Version identisch war, folgte erst zwei Jahre später im Frühjahr 2001.
Die hier rezensierte DVD ist die amerikanische Erstauflage von Antz, die den Weg in meine Sammlung im Dezember 1999 gefunden hatte und für die damaligen Verhältnisse eine der besten Veröffentlichungen ihrer Zeit war. Bis auf die nicht ganz perfekte, aber auch heute noch mehr als akzeptable Bildqualität kann sich die DVD auch gegenüber aktuellen Dreamworks-Veröffentlichungen sehr gut behaupten. Leider hat sich Dreamworks bis heute noch nicht dazu entschieden, Antz mit einem digitalen Transfer neu zu veröffentlichen und hat sogar die Gelegenheit verpaßt, am zehnten Geburtstag des Films 2009 eine Neuauflage der DVD herauszubringen. Die in Europa erschienene PAL-DVD von Antz ist bis auf andere Menüs und zusätzliche Tonspuren identisch mit der amerikanischen Ausgabe, allerdings wirkt der Film mit den 4% PAL-Speedup sehr hektisch, weshalb man der NTSC-Version besser den Vorzug geben sollte, wenn man nicht auf die deutsche Fassung angewiesen ist.
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