Der Film
Emily Boynton regiert über ihre Familie wie ein Drache.
Nach dem Tod ihres Mannes erpreßt sie den Familien-Anwalt Jefferson Cope
um ein zweites Testament verschwinden zu lassen, daß statt ihr ihre Kinder
begünstigt. Als “Belohnung” spendiert Mrs. Boynton sich und ihrer ganzen
Familie eine Reise nach Europa und Palästina. Dort macht auch Hercule
Poirot Urlaub, der dort seine alte Bekannte Sarah King trifft und vor
der nervigen Lady Westholm flüchtet. Als Emily Boynton auf mysteriöse
Weise tot aufgefunden wird, bleibt Poirot nichts anderes übrig als seinen
Urlaub zu unterbrechen und sich der Aufklärung des Mords annehmen...
In den sechziger Jahren feierten Agatha Christies Miss Marple-Geschichten
im Kino mit Margaret Rutherford in der Hauptrolle große Erfolge, die einzig
nur der Autorin selbst mißfielen, weil die Darstellung des Hauptcharakters
überhaupt nicht den Romanvorlagen entsprach. Nach fünf Filmen – vier mit
Margaret Rutherford als Miss Marple und einem mit Tony Randall als Hercule
Poirot – enschloß sich die von den Filmemachern sehr enttäuschte Agatha
Christie bis auf weiteres keine neuen Verfilmungen mehr zu erlauben.
Agatha Christie im Kino – mit viel Stil und Elan
Bis zum Anfang der siebziger Jahre entstanden dann auch keine großen Produktionen
nach Agatha Christies Romanvorlagen – bis die britischen Produzenten Richard
B. Goodwin und John Brabourne die Grande Dame des Kriminalromans überzeugen
konnten, ihnen die Rechte von Murder on the Orient-Express zu geben, dessen
Verfilmung so erfolgreich war daß noch drei weitere Filme unter der Schirmherrschaft
der beiden Produzenten folgten. Zwei davon waren Death on the Nile und
Evil under the Sun, für die Richard Goodwin und John Brabourne das Glück
hatten, Peter Ustinov als Hercule Poirot engagieren zu können.
Obwohl Peter Ustinov optisch genausowenig dem Hercule Poirot von Agatha
Christies Romanvorlage entspicht wie Margaret Rutherford der originalen
Miss Marple, entwickelte sich Poirot schon nach dem ersten Film zur Paraderolle
für den Weltschauspieler. Auf Death on the Nile folgte nach der Miss-Marple-Verfilmung
The Mirror Crack'd mit Angela Landsbury schließlich 1982 Evil under the
Sun, der letzte Kinoauftritt von Ustinovs Poirot für das nächste halbe
Jahrzehnt. 1986 drehte die CBS fürs amerikanische Fernsehen drei kleinere
Produktionen mit Peter Ustinov als Poirot, die zwar längst nicht so gut
wie die vorherigen Filme waren, aber letztendlich noch zu einem dritten
und letzten Kinofilm führten.
Die Rückkehr des Hercule Poirot
Es waren dann aber nicht Richard Goodwin und John Brabourne, die einen
weiteren Kinoauftritt von Peter Ustinov als Hercule Poirot möglich machten,
sondern die israelischen Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus. Die
beiden Cousins hatten Anfang der achtziger Jahre die erfolglose Cannon-Gruppe
gekauft und mit zahllosen B-Movie-Actionfilmen, aber auch einigen anspruchsvolleren
Produktionen zu einer erfolgreichen Firma gemacht. Wie die beiden Produzenten
ausgerechnet an die Rechte von Appointment with Death kamen ist unbekannt,
aber wahrscheinlich war es das persönliche Interesse an der Geschichte,
deren Handlung zum größten Teil in Palästina, dem heutigen Israel, stattfindet.
Für die Inszenierung konnten Golan und Globus ihren Cannon-Hausregisseur
Michael Winner engagieren, der zwar bisher mit Filmen wie der Death Wish-Reihe
nicht gerade besonders subtilere Sachen gedreht hatte, aber einen sehr
guten Ruf als handwerklich perfekter und auch wandlungsfähiger Filmemacher
besaß. Winner mag nicht gerade zu der gleichen illustren Gruppe wie seine
Vorgänger Sidney Lumet, John Guillermin und Guy Hamilton gehören, bewies
aber mit Appointment with Death, daß er auch klassisches Material sehr
gut umsetzen konnte.
Neufassung eines Klassikers
Für die Adaption des noch nie zuvor verfilmten Romans wandten sich die
Produzenten und der Regisseur hauptsächlich an Anthony Shaffer, der schon
die Drehbücher der vorherigen Agatha-Christie-Verfilmungen von Richard
Goodwin und John Brabourne geschrieben hatte und genau wußte, worauf es
ankommt. Zusammen mit Michael Winner und Peter Buckman verfaßte er eine
sehr vorlagengetreue Filmversion von Agatha Christies Romanvorlage, die
die komplexe Handlung nicht viel zusammenstrich und die Charaktere sehr
originalgetreu umsetzte. Dabei wurde das Drehuch kaum auf die Schauspieler
zugeschnitten und auf die Fähigkeiten der Darsteller vertraut, sich in
ihre Rollen hineinzuversetzen.
Für Hercule Poirot kam nur einer in Frage: Peter Ustinov, der die Rolle
natürlich dankend annahm und glücklich war nach drei mehr oder weniger
gelungenen drei Fernsehfilmen den Meisterdetektiv noch einmal in einem
großen Kinoproduktion spielen zu können. In Death on the Nile und Evil
under the Sun hatte sich Ustinov die Rolle des belgischen Detektivs bereits
so zu eigen gemacht, daß ein erneuter Auftritt kein großes Problem war.
Peter Ustinov spielte aber nicht einfach nur sich selbst, sondern schaffte
es aus der Rolle eine Mischung aus seiner eigenen Verspieltheit und dem
Originalcharakter zu machen, die zwar völlig anders als Albert Finneys
Darstellung in Murder on the Orient Express, aber dennoch sehr nah an
Agatha Christies ursprünglicher Idee von Hercule Poirot ist.
Heldinnen und Helden
Peter Ustinov hat zwar im Prinzip die Hauptrolle des Films, aber eigentlich
ist Appointment with Death ein Ensemblestück, das genauso von den vielen
Nebenrollen mitgetragen wird. Wie bei den früheren Agatha-Christie-Verfilmungen
wird hier auch nicht mit Stars gegeizt, aber man merkt schon daß die Schauspieler
nach ihren Rollen ausgesucht wurden und nicht umgekehrt – daher wurde
darauf verzichtet jeden kleinsten Charakter mit einem großen Namen zu
besetzen, aber es sind trotzdem eine Menge kleine und große rennomierte
Schauspieler dabei.
Die stärksten Charaktere sind in diesem Film die weiblichen Rollen – allen
voran Piper Laurie, die die richtig schön böse Emily Boynton mit herrlicher
Intensität spielt. Obwohl ihr Charakter das Mordopfer ist und ihr Auftritt
schon nach der ersten Hälfte des Films vorbei ist, schafft die Hollywood-
und Theaterschauspielerin der alten Schule es dennoch bleibenden Eindruck
zu hinterlassen. Mit der fortschreitenden Handlung übernimmt dann Lauren
Baccall die Rolle der Schreckschraube vom Dienst als nervige Möchtegern-Britin
Lady Westholm – ein ganz ähnlicher Charakter, den sie auch schon als Mrs.
Hubbard in Murder on the Orient-Express gespielt hatte und hier wieder
mit ihrem berühmten giftigen Charme darstellt.
Die einzige weitere größere weibliche Nebenrolle ist die junge Ärztin
Sarah King, die von der englischen Schauspielerin Jenny Seagrove sehr
souverän und gespielt wird, was der starke Charakter aber auch von ihr
verlangt. Obwohl sie eine zierliche Person ist, hatte sich Jenny Seagrove
in ihrer etwas unebenen Karriere schon öfter Heldenfiguren ausgesucht
und ist genauso wie in der Romanvorlage hier eigentlich die einzige Frau
in der Geschichte, die wirklich die Hosen anhat.
Die anderen weiblichen Charaktere sind nicht so deutlich ausgeprägt, was
allerdings keine Schuld des Drehbuchs ist, sondern weitgehend schon in
der Romanvorlage so war. Deshalb haben die weiteren Nebendarstellerinnen
auch nicht so große Möglichkeiten in ihren Rollen wie Jenny Seagrove,
aber trotzdem finden sich unter ihnen einige große Namen. Dabei sind Carrie
Fisher – Ende der achtziger Jahre schon auf dem besten Weg von Prinzessin
Leia zur Charakterdarstellerin -, der ehemalige 60er-Jahre-Kinderstar
Hayley Mills und die eher unbekannten Valerie Richards und Amber Bezer.
Die männliche Nebenbesetzung führt David Soul, in den siebziger Jahren
die eine Hälfte von Starsky und Hutch mit seinem nicht ganz schleimigen,
aber auch nicht ganz sympathischen Anwalt Jefferson Cope an. Die beiden
mehr auf Fernsehkost abonnierten Schauspieler Nicholas Guest und John
Terlesky spielen die letzten beiden Familienmitglieder der Boyntons auf
eine solide, aber nicht besonders bemerkenswerte Weise - sie wurden offensichtlich
mehr wegen ihres Aussehens und nicht wegen ihrer schauspielerischen Fähigkeiten
gecastet.
Als Tüpfelchen auf dem I wurde die eigentlich viel zu kleine Rolle des
Colonel Carbury mit dem großen englischen Schauspieler John Gielgud besetzt,
der schon in Murder on the Orient-Express nur einen Butler spielte und
seit Jahren schon mehr Spaß an kleinen Nebenrollen hatte. In Appointment
with Death merkt man, daß er neben Lauren Baccall eigentlich der einzige
ist, der Peter Ustinov das Wasser reichen kann, obwohl sich die anderen
Schauspieler wirklich Mühe geben. Tatsächlich sind es Peter Ustinov, Piper
Laurie, Jenny Seagrove, Lauren Baccall und John Gielgud, die den Film
hauptsächlich mit ihrer schauspielerischen Kompetenz tragen.
Agatha Christies Israelisches Abenteuer
Appointment with Death hat wie die anderen Agatha-Christie-Verfilmungen
natürlich seinen besondern Reiz in der Szenerie, die wahrscheinlich für
die Produzenten der eigentliche Grund waren sich des Stoffs anzunehmen.
Eine politische Agenda haben Menahem Golan und Yoram Globus dabei nicht
gehabt, viel mehr scheint es ihnen darum gegangen zu sein das Palästina
der dreißiger Jahre, das Agatha Christie noch selbst erlebt hatte, mehr
oder weniger authentisch in Szene zu setzen. Die Dreharbeiten fanden deshalb
praktischerweise fast ausschließlich vor Ort in Israel statt, Innenaufnahmen
wurden unter anderem im American Colony Hotel in Jerusalem gedreht, das
Peter Ustinovs Großvater im Jahr 1902 gegründet hatte.
Die Szenerie wurde fast unspektakulär von Cannon- und Golan-Globus-Hauskameramann
David Gurfinkel aufgenommen, der keinen Gebrauch von bombastischen Kamerafahrten
oder anderen großartigen Tricks macht, sondern die Geschichte mit einer
einfacheren Kameraführung viel effektiver und nicht weniger unattraktiv
in Szene gesetzt hat. Statt dramatischen Nahaufnahmen setzt die Bildregie
mehr auf ausladende, stationäre Weitwinkelaufnahmen, die das Geschehen
auf sehr beeindruckende Weise einfängt ohne dabei zu protzig oder übertrieben
zu wirken – es ist eine sorgfältige, gut überlegte Kameraarbeit, wie man
sie zwanzig oder dreißig Jahre früher so gemacht hätte.
Auch zuständig für die nostalgische Atmosphäre des Films ist die Musik
des italienischen Komponisten Pino Donaggio. Sein ohrwurmverdächtiges
Hauptthema hört sich zuerst sehr britisch an – während des Vorspanns ist
die in England beginnende Reise der Boyntons zu sehen – und begleitet
den Zuschauer dann in mehreren Themenvariationen im herrlich altmodisch-jazzigen
Bigband-Stil durch den Film. Ergänzt wurde die musikalische Untermalung
durch Hintergrundmusik von Frank Barber und Rafi Kadishzon, aber Pino
Donaggios Musik steht immer klar im Vordergrund.
Abschiedsvorstellung für Monsieur Poirot
Die Inszenierung selbst wirkt auch mehr wie ein Film aus vergangenen Zeiten.
Statt die Geschichte zu modernisieren und aufzupeppen blieb die ungefähre
Struktur der Romanvorlage vorhanden, was bedeutet daß die ausführliche
Vorgeschichte komplett erzählt wird und es erst in der Mitte des Films
zum Mord kommt. Trotzdem geizt der Film nicht mit Spannung, erwartet aber
vom Zuschauer doch einige Kopfarbeit um die vielzahl von Charakteren unterscheiden
und der nicht ganz unkomplizierten Handlung folgen zu können. Das war
schon 1988 für viele Kinozuschauer und Kritiker etwas zuviel verlangt,
wodurch der Film eine unverdient schlechte Presse bekam und bis heute
noch als schwarzes Schaf der Agatha-Christie-Kinofilme aus den siebziger
und achtziger Jahren gesehen wird.
Eigentlich steckt hinter Appointment with Death eine sehr elegante und
durchaus gelungene Verfilmung, die den unvergleichlichen Stil von Agatha
Christie gekonnt umsetzt und sich nicht vor seinen berühmten Vorgängern
verstecken braucht. Der Film ist eine wundervolle Abschiedsvorstellung
von Peter Ustinov als Hercule Poirot und Agatha Christie-Kinofilmen generell,
denn Appointment with Death ist bis heute eine der letzten großen Auftritte
der Grande Dame des Krimis auf der großen Leinwand.
Die DVD
Lange Zeit war Appointment with Death in Europa nicht auf
Video zu bekommen, was besonders das Auftreiben der englischen Originalfassung
schwierig machte. Erst im Frühjahr 2006 veröffentlichte MGM (nun unter
der Herrschaft von Sony) in Europa überraschenderweise den Film erstmals
auf DVD, und das in keiner schlechten Fassung.
Statt wie befürchtet einen recyceltes altes Master aus irgendeiner Schublade
zu holen, wurde ein erstaunlich gutaussehnder neuer Transfer gemacht.
Nicht überarbeitet wurde der ursprüngliche Mono-Ton und man muß auch auf
jegliche Extras verzichten, aber da der Film das erste Mal seit Jahren
wieder im Originalformat und mit englischer Tonspur in Europa auf einem
Heimvideo-Medium zu haben ist, macht diese DVD zum Budgetpreis doch lohnenswert.
Diese DVD ist insofern eine erfreuliche Veröffentlichung, als daß sich
MGM auch unter der neuen Sony-Führung weiterhin um solche älteren Katalogtitel
kümmert und dabei auch auf die Qualität achtet. Enttäuschend ist nur das
mißlungene Coverdesign, das Peter Ustinov erst gar nicht auf der Vorderseite
zeigt, die falschen Charaktere in den Vordergrund rückt und Jenny Seagrove
sogar zweimal zeigt – da wäre das alte Kinoposter doch viel netter gewesen.
Die hier rezensierte englische Ausgabe ist mit der deutschen DVD bis auf
das Cover hundertprozentig identisch, auf der Disc ist sogar der deutsche
Titel und die FSK-Freigabe aufgedruckt.
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Bild
Erstaunlicherweise hat es MGM bzw. Sony geschafft, von Appointment with Death eine ganz ordentliche Abtastung zu machen, obwohl es sich gar nicht um Studio-eigenes Material handelt. Offenbar ist es gelungen trotz der Rechteproblematik einen guten Filmprint für den Transfer zu finden, der für einen knapp zwanzig Jahre alten Film fast vorbildlich auf dieser DVD aussieht.
Die Filmvorlage ist in einem sehr guten Zustand und wurde so gründlich gereinigt, daß mit ein paar minimalen Ausnahmen keine Verschmutzungen oder Beschädigungen sichtbar sind. Die relativ starke Körnigkeit tritt stellenweise noch hervor, wurde aber ansonsten mit einem gut arbeitendem Rauschfilter fast vollständig entfernt, ohne allzugroße Nebenwirkungen zu hinterlassen. Trotz des Filters ist die Schärfe auf einem akzeptablen Niveau – das Bild sieht ein wenig weich aus, was allerdings nur daran liegt daß nicht mehr zusätzlich nachgeschärft wurde. Dadurch hat dieser Transfer auch mit der relativ stark entfernten Körnigkeit immer noch ein sehr natürliches und filmähnliches aussehen.
Völlig problemlos ist das Farbtiming, das den leichten braun-grünstich
der früheren Fernsehtransfer beseitigt hat und nun sehr kräftige und natürliche
Farben bietet. Die Hauttöne sind sehr gut gelungen, während besonders
in der zweiten Filmhälfte natürlich die erdig-brauneren Töne bedingt durch
die Szenerie überwiegen, aber hin und wieder durch kräftige grüne oder
rote Farbkleckser aufgelockert werden. Etwas enttäuschend ist auf dieser
DVD nur die Kompression, denn der 98 Minuten lange Film wurde mit brachialgewalt
auf eine Datenmenge von nur 3,5 Gigabyte geschrumpft, wodurch gelegentliche
MPEG-Artefakte besonders auf flächigen Hintergründen sichtbar sind. Trotzdem
halten sich die kompressionsbedingten Probleme auf einem erfreulich niedrigen
Niveau, aber eine höhere Bitrate wie bei den früheren Film-only-DVDs von
MGM wäre hier doch wünschenswert gewesen.
Appointment with Death war früher immer ein Film, der ein etwas schmutziges und verbrauchtes Aussehen hatte – das hat MGM/Sony mit dieser überraschend gut gelungenen Neuabtastung endlich geändert, die durch die Tücken der Kompression nur ganz wenig in Mitleidenschaft gezogen wird.
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