Der Film
Die Kerrigans sind eine ganz normale australische Familie
und sehr stolz auf ihr kleines Eigenheim, das direkt neben den Landebahnen
des Melbourner Flughafen liegt. Die zahlreichen Flugzeuge, die tagtäglich
über ihr kleines, aber feines Haus brettern stören sie nicht im geringsten
- ganz im Gegenteil, denn die Kerrigans sind begeistert von der inmaligen
Lage ihrer geliebten vier Wände. Groß ist der Schock als sie eines Tages
wegen einer Flughafen-Erweiterung enteignet werden sollen. Trotz einer
stattlichen Entschädigung sagt Darryl Kerrigan mit Unterstützung seiner
ganzen Familie und ihrern wenigen Nachbarn dem Flughafen-Konzern den Kampf
an, denn so ohne weiteres will er sein Castle nicht aufgeben...
Die Geschichte von The Castle hätte das Zeug zu einem
tränenreichen Drama, wenn es zum Beispiel als deutscher Fernsehfilm produziert worden wäre. The Castle ist aber eins der
feinsten Beispiele von bestem australischen Kino - und so wird die potentiell
zum Kitschroman taugliche Story zu einer warmherzigen, originellen Komödie
über den Kampf einer Familie um ihr Eigenheim.
Verantwortlich für dieses kleine Goldstück von Film war das Working Dog-Team,
bestehend aus Santo Cilauro, Tom Gleisner, Jane Kennedy und Rob Sitch.
Die vier Multitalente waren seit Ende der achtziger Jahre für das australische
Fernsehen in etwa das, was Monty Python zwanzig Jahre zuvor für die BBC
war - eine Gruppe von enthusiastischen Komikern, die mit ihrem besonderen
Humor die Mattscheibe unsicher machten. Mit Parodien wie Late Show, Frontline, Funky Squad und The Panel gehörten die vier Komiker lange Zeit fest zur
australischen Fernsehlandschaft und sind auch heute noch dort aktiv.
Nur zweimal hatte das Working Dog-Team einen Ausflug auf die große Leinwand
gemacht - The Dish, eine liebevolle Komödie über die Ereignisse
in einem australischen Radioteleskop während der ersten Mondlandung, wurde
ein richtig internationaler Erfolg der es sogar bis nach Deutschland geschafft
hatte, aber ihr erster Film The Castle blieb nur in Australien
wirklich bekannt.
Geschrieben in zwei Wochen und gedreht mit minimalem Aufwand in nur elf
Tagen ist The Castle eine Low- bis No-Budget-Produktion wie sie
im Buche steht, aber das hat dem Film überhaupt nicht geschadet und macht
gerade einen großen Teil seines Charmes aus. Den niedrigen Produktionswert
merkt man The Castle kaum an, einen billigen Eindruck macht der
Film wirklich nicht - dafür sorgen das hervorragend ausgeklügelte Drehbuch,
die sympatischen Schauspieler und die gekonnte Inszenierung.
Eigentlich stecken in The Castle gleich zwei Filme auf einmal:
ein Portrait einer australischen Mittelklasse-Familie und der Kampf des
kleinen Mannes gegen die Mühlen des Gesetzes. Der Film beginnt mit einer
ausführlichen Vorstellung der Familie. Dale, der jüngste Sohn der Kerrigans,
erzählt Stolz von seinen Geschwistern und seinen Eltern. Es ist keine
perfekte Familie, aber eine glückliche - heutzutage, wo alles immer voll
mit Neurosen, Psychosen und Skeletten im Schrank sein muß, eigentlich
ein Unding.
Darryl Kerrigan und seine Familie mögen vielleicht einfach, simpel und
mit wenig Anspruch sein, aber sie sind noch lange nicht dumm. Auf ihre
ganz eigene Weise sind die Kerrigans sehr intelligente Leute und vor allen
Dingen noch richtige Menschen, denen es auf das wesentliche ankommt. “It's
not just a house, its a home!” meint Darryl, als er nicht verstehen
kann wieso ihnen ihr Haus weggenommen werden soll. Für ihn und seine Familie
ist das Haus nicht nur eine Immobilie, sondern ein Teil des Lebens, das
man nicht einfach mit einem Batzen Geld ersetzen kann. Die Kerrigans werden
als typische Working-Class-Familie dabei nicht abwertend dargestellt,
aber auch nicht auf einen goldenen Thron gesetzt. Wenn The Castle eine Botschaft hat, dann ist es diese: Schaut euch die Kerrigans an, warum
könnt ihr nicht auch so glücklich sein wie sie?
Der Kampf der Kerrigans um ihr Haus ist aber nur ein Teil des Films, denn
gleichzeitig hat sich das Working Dog-Team auch darauf konzentriert, dem
Zuschauer den Makrokosmos der Kerrigan-Familie nahezubringen. The
Castle ist keine stumpfe Reality-Show, kein Familiendrama, und auch
keine trockene Dokumentation – nur ein Blick auf eine typische australische
Familie der Arbeiterklasse, die ein wenig exzentrisch, aber gerade deswegen
besonders liebenswert ist. The Castle im gleichen Satz mit amerikanischen
Schenkelklopfern wie Married with Children oder europäischen Machwerken
wie Flodder in einem Satz zu nennen, wäre schon fast eine Beleidigung
für das Working Dog-Team.
Das Drehbuch der vier Filmemacher sprüht nur so von Ideen und Witz, ist
aber gleichzeitig auch nicht überladen damit. Die Geschichte ist sehr
gut strukturiert, in keiner Minute des Films hat man das Gefühl daß die
Handlung überflüssig ist oder sich zu lange hinzieht, auch wenn der rote
Faden des Films manchmal für kleine Spritztouren verlassen wird. Mit den
vielen Subplots und Geschichten wirkt The Castle manchmal wie
eine auf anderthalb Stunden konzentrierte Fernsehserie, kann aber gerade
dadurch viel intensiver und deutlicher sein.
Die Dialoge sind sehr natürlich und ungezwungen geschrieben worden - hier
wird sozusagen dem Volk aufs Maul geschaut, wozu auch einige Kraftausdrücke
gehören. Trotz zahlreicher F-Worte wirken die Texte aber nie ordinär -
bis auf die gelegentlichen (aber sehr menschlichen) Wutausbrüche wird
in The Castle eigentlich ein relativ gesittetes, aber halt umgangssprachliches
australisches Englisch gesprochen.
Das Drehbuch von The Castle ist die halbe Miete, die Schauspieler
sind die andere Hälfte. Die Filmemacher hatten sogar in Australien
relativ unbekannte Schauspieler gefunden, die ihre Rollen bis zu den kleinsten
Nebencharakteren absolut brilliant darstellen. Michael Caton spielt das
Familienoberhaupt Darryl Kerrigan mit entwaffnender Ehrlichkeit und schafft
es damit, den "kleinen Mann auf der Straße" ganz locker und natürlich
herüberzubringen und übertreibt dabei kein bißchen. Catons Darryl Kerrigan
hätte ein Macho und Proll hoch zehn sein können, stattdessen
ist es ein stolzes Familienoberhaupt, daß vor seiner Frau und seinen
Kindern den allergrößten Respekt hat.
Stephen Curry als Dale, dem jüngsten Sohn der Kerrigans, hält mit seinem
teils ernsten und teils humorvollen Off-Kommentar die verschiedenen Episoden
des Films zusammen und ist ansonsten zusammen mit Sophie Lee, Anthony
Simcoe und Wayne Hope als die anderen Kerrigan-Kinder mehr im Hintergrund
des Films zu sehen, zeigt aber deshalb nicht weniger Schauspieltalent.
Anne Tenny als verständnisvolle und aktive Mutter Sal Kerrigan genauso
wie Michael Caton einer der Standbeine der Schauspielertruppe und spielt
ihre Rolle sehr resolut und vor allen Dingen realistisch.
Bemerkenswerte kleinere Nebenrollen sind Tiriel Mora als überforderter
Anwalt Dennis Denuto und Charles “Bud” Tingwell als der zur Rettung eilende
Lawrence Hammill. Europäische Zuschauer werden Tingwell noch gut als Inspector
Craddock in den Miss-Marple-Filmen mit Margaret Rutherford in Erinnerung
haben – hier ist er zwar vierzig Jahre älter, hat aber immer noch den
gleichen Charme wie früher und stellt mehr als nur eine gutmütige Großvater-Figur
dar.
Obwohl die Produktion unter ziemlichem Zeitdruck entstanden sein muß,
haben die Schauspieler sichtlichen Spaß an der Arbeit. Man merkt aber
auch die Disziplin und Kontrolle von Rob Sitchs Regie, die unter diesen
Bedingungen sicher auch nötig war. Trotzdem greifen die Schauspieler wie
eine gut geölte Maschine ineinander und haben ein einmaliges und völlig
natürliches Timing. Durch die lockeren Auftritte haben die Schauspieler
dann auch gleich einen ungeheuren Sympathiebonus bei den Zuschauern, die
sich leicht mit dieser merkwürdigen, aber sehr netten Familie identifizieren
können.
The Castle besticht außerdem durch seine filmemacherischen Einfachheit
– es ist nicht so ganz der Guerilla-Stil von Kevin Smith's Clerks, aber
die Art fast ohne ein Studio auszukommen und praktisch alles vor Ort zu
drehen macht einen großen Teil der entspannten Atmosphäre aus. Hier gibt
es keine Special-Effects, keine rasanten Kamerafahrten, aber trotzdem
macht The Castle den Eindruck eines professionell produzierten
Films – etwas, was das Working Dog-Team sicher in langjähriger Fernseherfahrung
hervorragend gelernt hat. Die ausführliche Postproduktion inklusive
der perfekten Musikauswahl - eine Mischung aus Popsongs und einer orchestralen
Score von Edmund Choi - trägt auch zu dem hervorragenden Stil des
Films bei.
The Castle ist genauso wie sein Quasi-Nachfolger The Dish ein
ganz bemerkenswerter kleiner Film, der das Comedy-Genre völlig neu definiert
und eine willkommene Abwechslung zum heutzutage üblichen Holzhammer-Humor
ist. Eigentlich läßt sich der Film gar nicht richtig einordnen - wer hier eine etwas tumbe
Aussie-Komödie à la Crocodile Dundee erwartet, wird sehr angenehm überrascht sein. Um es
mit den Worten von Dennis Denuto zu sagen: "It's the vibe!"
Für das amerikanische und europäische Massenpublikum ist so ein Film natürlich
uninteressant, aber in Australien war The Castle ein ziemlich
großer Erfolg. 1999 brachte Miramax den Film in die amerikanischen Kinos,
wo er aber keinen großen Eindruck hinterließ, und auch in Europa konnte
der Film auf keinen grünen Zweig kommen – für Liebhaber feiner Komödien
eigentlich ein gutes Zeichen.
Die DVD
The Castle gibt es nur in Australien und in den
USA als DVD – während es die amerikanische DVD dank Miramax schon seit
1999 gibt, hat die australische DVD bis 2004 auf sich warten lassen und hatte auch nur einen gräßlichen Vollbild-Transfer zu bieten, der erst 2008 durch eine verbesserte Widescreen-Neuauflage abgelöst wurde. Die
Miramax-DVD besitzt auch einen anamorphen Transfer im 1.85:1-Format
und als Bonusmaterial wenigstens einen Trailer, aber es ist auch eine
leicht amerikanisierte Fassung des Films, auf dessen Tonspur einige Dialogzeilen
geändert wurden. Das fällt allerdings kaum auf und macht den Film wirklich
nicht schlechter. Hartnäckige Gerüchte, daß die amerikanische Fassung
gekürzt wäre, läßt sich nicht bestätigen - alleine von der Laufzeit her
ist die US-DVD identisch mit der australischen Version.
Die hier rezensierte DVD ist die längere Zeit nicht im Handel erhältlichen
Miramax-Veröffentlichung, die vor kurzem wieder neu aufgelegt wurde.
Wie man an den Datumsstempeln der Dateien sehen kann, handelt es sich
1:1 um die gleiche Disc, die vor fast sechs Jahren veröffentlicht wurde
– technisch natürlich nicht ganz perfekt, aber bei einem Film wie The
Castle spielt die Qualität eigentlich keine so große Rolle und unter
diesem Gesichtspunkt kann man den Film von dieser DVD immer noch hervorragend
genießen. Eine bessere Alternative gibt es allerdings inzwischen mit der australischen Widescreen-Neuauflage - Extras gibt es jedoch auf keiner der DVDs.
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Bild
The Castle wurde aus naheliegenden im Super16-Format gedreht,
das schon von Haus aus keine wirklich pristine Bildqualität bieten kann.
Die Miramax-DVD wurde anscheinend von einem amerikanischen 35mm-Interpositiv
abgetastet und ist wirklich kein Meisterstück, aber angesichts des sicher
nicht einfachen Quellmaterials und dem Alter des Transfers durchaus zufriedenstellend.
Zuerst fällt die unterdurchschnittliche Schärfe auf, die bei echtem 35mm-Material
unverständlich wäre, aber bei 16mm-Film noch akzeptabel ist. Ärgerlich
ist dagegen, daß die Körnigkeit des Filmmaterials ziemlich stark gefiltert
wurde, was aber vermutlich schon während dem Umkopieren von 16 auf 35mm
geschehen ist, denn ein wenig weiche Körnigkeit ist stellenweise noch
sichtbar. Das Framing wirkt an manchen Stellen am oberen Bildrand etwas
eng, aber es ist doch deutlich sichtbar, daß der Bildausschnitt schon
beim Filmen auf 1.85:1 ausgelegt war. Ein kurzer Vergleich mit dem Fullframe-Trailer
zeigt allerdings, daß bei einer 1.33:1-Version an den Seite noch viel
mehr abgeschnitten und die Bildkomposition einen viel schlechteren Eindruck
machen würde.
Das Farbtiming ist im Prinzip problemlos, hat aber im Gegensatz zum Trailer
einen deutlichen Grünstich, der aber nur im direkten Vergleich wirklich
auffällt. Der Kontrast ist etwas zu niedrig und das Bild sieht manchmal
etwas blaß aus, was sich aber auch im erträglichen Rahmen hält. Ab und
zu ist der Bildstand etwas wackelig, aber wenigstens leistet sich das
Bild sonst kein auffälliges Flattern. Die Filmvorlage ist relativ sauber,
ein paar einzelne Fussel und Staubkörnchen sind aber dennoch gelegentlich
sichtbar.
Natürlich fragt man sich hier, wie ein Film von 1997 eine so schlechte
Bildqualität haben kann, aber für eine sechs Jahre alte DVD von einem
auf 16mm gedrehten Film macht diese Disc dann doch keinen so schlechten
Eindruck.
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