Der Film
Regina Lampert (Audrey Hepburn) ist seit Monaten mit ihrem
Mann Charles verheiratet, aber wirklich kennen tut sie ihn nicht. Nach
einem Solo-Urlaub kehrt Reggie nach Paris in die gemeinsame Wohnung zurück,
die sie zu ihrem Entsetzen leer vorfindet - und bald erfährt sie
von der Polizei, daß Charles ermordet wurde. Auf dem Polizeirevier
offenbart sich, daß Charles mehrere Identitäten gehabt hat
und in etwas Merkwürdiges verwickelt war. Als Reggie in die leerstehende
Wohnung zurückkehrt, trifft sie eine flüchtige Bekannten aus
ihrem Urlaub wieder, der sich ihr als Peter Joshua (Cary Grant) vorstellt
und ihr Hilfe anbietet. Das Mysterium um Charles Tod nimmt zu, als bei
der Totenwache drei merkwürdige Gestalten auftauchen und ein Regierungsangestellter
namens Bartholomew (Walter Matthau) Reggie eröffnet, daß Charles
dem CIA während des Krieges eine Viertelmillion Dollar gestohlen
hat, die sich angeblich in ihrem Besitz befinden. Die drei Gangster waren
Charles' Komplizen und sind jetzt hinter dem Geld her - sogar Peter Joshua
ist nicht das, was er vorgibt zu sein...
Peter Stone hatte es nicht leicht seinen Spionagethriller Charade
zu verkaufen - die erste Version des Drehbuchs wurde von sieben Studios
abgelehnt, worauf Stone auf anraten seines Publizisten aus der Geschichte
erst einmal einen Roman machte. Für das Buch begannen sich dann aber plötzlich
doch einige Studios zu interessieren - und der Regisseur Stanley Donen,
für den schließlich Peter Stone eine neue Version des Drehbuchs schrieb,
das zuerst bei Columbia verfilmt werden sollte.
Die Kombination von Stanley Donen, Peter Stone, Audrey Hepburn und Cary
Grant kam nicht von ungefähr, sondern war schon von Anfang an geplant:
Stone schrieb Charade mit den beiden Schauspielern im Sinn. Cary Grant
lehnte jedoch zuerst die Rolle ab, und Audrey Hepburn ebenfalls, da sie
den Film nicht ohne Grant drehen wollte. Auch Columbia war nicht mehr
interessiert, und kurze Zeit später war Charade bei Universal mit Warren
Beatty und Nathalie Wood im Gespräch, was aber auch nicht zustande kam.
Als dann Cary Grant letztendlich doch noch zusagte, fügten sich die einzelnen
Puzzleteile wieder zu einem ganzen zusammen - Grant, Hepburn, Donen und
Stone drehten für Universal Charade.
Als 1950 Gene Kelly, der später mit Stanley Donen an Singin' in the
Rain zusammenarbeitete, mit Vincente Minelli An American in Paris
drehte, wollte MGM keine Dreharbeiten an den Originalschauplätzen in Paris
erlauben und die französische Hauptstadt wurde aufwendig in den Hollywood-Studios
nachgebaut. Stanley Donen hatte bei Charade jedoch erheblich
größeren Einfluß, so daß der Film bis auf ein paar kleine Ausnahmen komplett
an den Originalschauplätzen gedreht werden konnte. Die Szenerie steht
aber bemerkenswerterweise nicht im Vordergrund - die Straßen von Paris
werden mit einer alltäglichen, sonst selten zu findenden Selbstverständlichkeit
als Kulisse verwendet.
Genauso selbstverständlich gibt sich die Besetzung des Films: Cary Grant
war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten fast doppelt so alt wie Audrey Hepburn,
aber trotzdem fällt der Altersunterschied nicht großartig ins Gewicht
- unter anderem auch, weil Cary Grant darauf bestand, daß Reggie hinter
seinem Charakter her sein soll und nicht er hinter ihr. So entwickelt
sich die Beziehung zwischen Peter Joshua und Reggie Lampert auf einem
ganz unschuldigen Niveau, das durch Cary Grants kleine komödiantische
Einlagen noch zusätzlich aufgelockert wird. Audrey Hepburn versprüht genauso
wie Cary Grant eine fast überproportionale Menge Charme. Ihr Charakter
ist eine Mischung aus unschuldigem Mädchen und gestandener Frau, was aber
kein Widerspruch in sich ist, denn Audrey Hepburn spielt ihre Rolle sehr
überzeugend und natürlich.
Die Bösewichte des Films sind nur in zweiter Linie als solche gedacht,
denn George Kennedy, James Coburn und Ned Glass sind eigentlich mehr komisch
als furchteinflößend - das schlimmste was man ihnen anlasten kann, sind
ihre schlechten Manieren. Während sich bei diesem Trio Infernale der Humor
mehr oberflächlich gestaltet (z.B. Scobies polterndes Auftreten, Tex'
Südstaaten-Akzent und Gideons Niesanfälle), ist Walter Matthau in Charade
in einer ernsten, aber auchunterschwellig komischen Rolle zu sehen. Sein
Mr. Bartholomew sieht auf den ersten Blick sehr ernst aus, was er auf
dem Papier auch ist - aber Stanley Donen hat ihm einige lustige physische
Ticks zu tun gegeben, die den Charakter sehr humorvoll machen.
Außerdem ist Charade auf eine unbemerkbare Weise fast völlig
gewaltfrei - es passieren zwar einige Morde, aber nie direkt vor der Kamera.
Der schlimmste Anblick, den man hier ertragen muß, sind die Leichen von
Charakteren, bei denen sich der Zuschauer nicht so ganz sicher sein kann,
ob man sie nun bedauern soll oder nicht. Kleine Actioneinlagen wie der
Kampf zwischen Cary Grant und George Kennedy sind so gut durchchoreographiert,
daß sie überhaupt nicht als unnötige Brutalität erscheinen. Wirklich ernst
nimmt sich der Film eigentlich nicht, was man hauptsächlich an den spriztigen
und schlagfertigen Dialogen und einigen fast schon satirischen Einwürfen
erkennbar ist.
Charade ist der gelungene Versuch, einen Hitchcock-Film ohne Alfred
Hitchcock zu machen. Dabei werden die Methoden des Altmeisters der Spannng
bis aufs letzte ausgereizt - der Zuschauer wird in Charade beinahe
öfter an der Nase herumgeführt als in allen Filmen Hitchcocks zusammen.
Natürlicht macht Charade auch Anleihen bei To Catch a Thief und
North by Northwest, zwei Hitchcock-Filme in denen Cary Grant
auch die Hauptrolle spielte. Auch die enge Verknüpfung von Handlung und
Musik wurde hier angewendet: schon Henry Mancinis rhythmische und romantische
Filmscore erzeugt alleine schon einen großen Teil der Spannung. Der leichtfüßige,
unbedarfte Humor, den Hitchcock nur in vorsichtigen Mengen verwendete,
setzen Peter Stone und Stanley Donen in Charade viel stärker
ein, um sich von ihrem Vorbild zu unterscheiden.
Eine simpler nachgemachter Hitchcock-Film ist Charade keinesfalls,
sondern eine damals ganz neue Mischung aus Krimi und romantischer Komödie,
die auch heute noch überraschend modern wirkt und nur wenig gealtert ist.
Die DVD
Charade ist einer der wenigen Filme, deren Copyrights
nie erneuert wurden und nach einiger Zeit zu Public Domain wurden - jeder
konnte also eine Kopie des Films in irgendeiner Form herausbringen, ohne
die Rechte dafür kaufen zu müssen. Daher gibt es besonders in England
und den USA eine Unmenge von verschiedenen DVDs des Films, von denen die
meisten nur Sondermüll sind - ein paar Perlen gibt es dennoch.
Criterion veröffentliche 1999 eine DVD von Charade, die zwar
nur einen nicht-anamorphen Transfer bot, aber ein ultimatives Extra hatte:
eine Kommentarspur von Stanley Donen und Peter Stone. Leider verschwand
diese DVD schon nach einem knappen Jahr aus dem Handel und war lange Zeit
nicht zu haben. Die Vorboten für eine eventuelle Neuauflage waren die
ersten eigenen Veröffentlichungen des Films von Universal mit einem hervorragenden
neuen Transfer: in den USA zwar nur auf der Rückseite der DVD des gräßlichen
Remakes The Truth about Charlie, in Deutschland aber auch als
Einzel-DVD.
Anfang 2004 kündigte Criterion dann an, daß Charade im Frühjahr
wieder ins Programm genommen würde - und das mit einem überarbeiteten
Transfer. Dieser stellte sich als die gleiche ausgezeichnete Version wie
auf der Universal-DVD heraus, war aber viel besser Komprimiert. Der hohe
Preis der Criterion-DVD ist durchaus gerechtfertigt, denn nur auf dieser
bekommt man den hervorragenden Audiokommentar und die besser klingende
Tonspur. Wer nicht ganz so tief in die Tasche greifen will und nur den
Film selbst sucht, sollte vielleicht auf die deutsche
DVD zurückgreifen - ernsthaften Filmliebhabern kann ich aber
nur die hier rezensierte Criterion-DVD
empfehlen.
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Bild
Criterions neuer anamorpher Transfer von Charade
ist fast hundertprozentig identisch mit der Version, die von Universal
in den USA zusammen mit dem Remake The Truth about Charlie veröffentlicht
wurde – allerdings mit einem kleinen Unterschied: die Criterion-Version
wurde mit einer viel höheren Bitrate komprimiert und hat daher eine
noch etwas bessere Bildqualität.
Der Transfer ist nicht nur für einen Film dieses Alters bemerkenswert
gut gelungen. Die Filmvorlage ist bis auf eine handvoll Kratzer und Fussel
sehr sauber - die restliche Verschmutzung hätte man vielleicht auch
noch entfernen können, aber ernshaft stören tut es nicht. Die
Körnigkeit ist nur in der kurzen Anfangssequenz sehr hoch und reduziert
sich danach schnell auf ein Niveau, das für einen Film aus dieser
Zeit völlig normal ist. Dafür ist anscheinend ein vorsichtig
angewendeter Rauschfilter verantwortlich, der keine sichtbaren Nebenwirkungen
hinterlassen hat.
Auch die Schärfe ist nicht nur für einen über vierzig Jahre
alten Film bemerkenswert gut, sondern macht auch so mancher neuerer Produktion
ernsthaft Konkurrenz. Zwar wirkt das Bild wegen des sparsam eingesetzten
Schärfefilters auf den ersten Blick etwas weich, aber die Detailzeichnung
ist dennoch hervorragend - es sind eine ganze Menge Einzelheiten zu sehen,
die in früheren Versionen des Films immer verborgen blieben.
Die Farben entsprechen dem etwas gedämpften, pastellartigen Technicolor-Farbtiming,
das trotzdem sehr natürlich und ausgewogen aussieht. Gegenüber
dem sehr knallbunten Farbtiming des früheren Criterion-Transfers
sieht die neue Version beinahe blaß aus, aber für sich gesehen
sind die Farben der neuen Abtastung völlig in Ordnung. Die hohe Bitrate
sorgt außerdem dafür, daß keinerlei Kompressionsartefakte
auftreten.
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Bonusmaterial
Criterion steht nicht immer für zahlreiches Bonusmaterial,
und auch diese DVD gehört nicht zu den quantitativ besonders zahlreich
bestückten Veröffentlichungen. Wie so oft zählt aber nicht die Menge,
sondern der Inhalt: hier übernimmt der Audiokommentar den Job, den sonst
Dokumentationen übernehmen. Das Menüdesign basiert auf dem Haupttitel
des Films und ist für eine Criterion-DVD ungewöhnlich verspielt - die
eigentlichen Menüs sind zwar nicht animiert, dafür aber einige der Übergänge.
Die Kommentarspur mit Regisseur Stanley Donen und Drehbuchautor
Peter Stone wurde 1999 für die Erstauflage der Criterion-DVD aufgenommen
und ist nicht nur ein hervorragender Audiokommentar, sondern auch ein
einzigartiges Zeitdokument, denn Peter Stone verstarb im Frühjahr 2003.
Umso bemerkenswerter ist es hier die beiden sympathischen Filmemacher
erzählen und auch miteinander diskutieren zu hören - nicht umsonst wird
der Kommentar auf dem Cover als A Conversation with Stanley Donen
and Peter Stone bezeichnet, was ein zusammengeschnittenes Interview
vermuten läßt - das ist aber überhaupt nicht der Fall. Stanley Donen und
Peter Stone reden von der frühen Entstehungsgeschichte von den Dreharbeiten
und eigentlich allem, was auch nur ansatzweise mit ihrem Film zu tun hat.
Ihre Erzählungen sind eine echte Goldgrube für Kenner des Films und schaffen
es auf dieser DVD mühelos jede Art von Dokumentation und anderem Material
zu ersetzen.
Der Trailer (3:13) ist hier in ziemlich verkratztem Fullscreen
zu sehen, aber dennoch einen Blick wert: auch wenn der Schnitt etwas langatmig
ist, handelt es sich um einen der besseren Kinotrailer aus dieser Zeit,
der das Potential des Films erkennt und einen guten Querschnitt gibt,
ohne zuviel zu verraten.
The Films of Stanley Donen und Peter Stone Career
Highlights sind nicht nur simple Biographien der beiden Filmemacher,
sondern enthalten einige Bildschirmseiten gut zusammengestellten Text,
der mit einigen netten, großformatigen Fotos ergänzt wird.
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