Charade [Criterion Collection]
Cover

26.04.2004 #258
[Update am 9.10.2006]

von Guido Bibra

Titel Charade
Studio Universal Pictures (1963)
Hersteller Criterion Collection (2004) EAN 0-37429-19492-8
DVD-Typ 9 (7,04 GB) Bitrate ø 8,7 max. 9,2
Laufzeit 113:24 Minuten Kapitel 22
Regionalcode 1 (USA/Kanada) Case Amaray I
Fernsehnorm NTSC
Bildformat 1.85:1 16:9 ja
Tonspuren Dolby Digital 1.0 Mono 192 kbit/s Englisch, Kommentar
Untertitel Englisch
Freigabe Not Rated
Extras • Audio Commentary: A Conversation with Stanley Donen and Peter Stone
• The Films of Stanley Donen: A selected filmography
• Peter Stone's career highlights
• Original Theatrical Trailer

Der Film

Regina Lampert (Audrey Hepburn) ist seit Monaten mit ihrem Mann Charles verheiratet, aber wirklich kennen tut sie ihn nicht. Nach einem Solo-Urlaub kehrt Reggie nach Paris in die gemeinsame Wohnung zurück, die sie zu ihrem Entsetzen leer vorfindet - und bald erfährt sie von der Polizei, daß Charles ermordet wurde. Auf dem Polizeirevier offenbart sich, daß Charles mehrere Identitäten gehabt hat und in etwas Merkwürdiges verwickelt war. Als Reggie in die leerstehende Wohnung zurückkehrt, trifft sie eine flüchtige Bekannten aus ihrem Urlaub wieder, der sich ihr als Peter Joshua (Cary Grant) vorstellt und ihr Hilfe anbietet. Das Mysterium um Charles Tod nimmt zu, als bei der Totenwache drei merkwürdige Gestalten auftauchen und ein Regierungsangestellter namens Bartholomew (Walter Matthau) Reggie eröffnet, daß Charles dem CIA während des Krieges eine Viertelmillion Dollar gestohlen hat, die sich angeblich in ihrem Besitz befinden. Die drei Gangster waren Charles' Komplizen und sind jetzt hinter dem Geld her - sogar Peter Joshua ist nicht das, was er vorgibt zu sein...

 


Peter Stone hatte es nicht leicht seinen Spionagethriller Charade zu verkaufen - die erste Version des Drehbuchs wurde von sieben Studios abgelehnt, worauf Stone auf anraten seines Publizisten aus der Geschichte erst einmal einen Roman machte. Für das Buch begannen sich dann aber plötzlich doch einige Studios zu interessieren - und der Regisseur Stanley Donen, für den schließlich Peter Stone eine neue Version des Drehbuchs schrieb, das zuerst bei Columbia verfilmt werden sollte.

Die Kombination von Stanley Donen, Peter Stone, Audrey Hepburn und Cary Grant kam nicht von ungefähr, sondern war schon von Anfang an geplant: Stone schrieb Charade mit den beiden Schauspielern im Sinn. Cary Grant lehnte jedoch zuerst die Rolle ab, und Audrey Hepburn ebenfalls, da sie den Film nicht ohne Grant drehen wollte. Auch Columbia war nicht mehr interessiert, und kurze Zeit später war Charade bei Universal mit Warren Beatty und Nathalie Wood im Gespräch, was aber auch nicht zustande kam. Als dann Cary Grant letztendlich doch noch zusagte, fügten sich die einzelnen Puzzleteile wieder zu einem ganzen zusammen - Grant, Hepburn, Donen und Stone drehten für Universal Charade.

Als 1950 Gene Kelly, der später mit Stanley Donen an Singin' in the Rain zusammenarbeitete, mit Vincente Minelli An American in Paris drehte, wollte MGM keine Dreharbeiten an den Originalschauplätzen in Paris erlauben und die französische Hauptstadt wurde aufwendig in den Hollywood-Studios nachgebaut. Stanley Donen hatte bei Charade jedoch erheblich größeren Einfluß, so daß der Film bis auf ein paar kleine Ausnahmen komplett an den Originalschauplätzen gedreht werden konnte. Die Szenerie steht aber bemerkenswerterweise nicht im Vordergrund - die Straßen von Paris werden mit einer alltäglichen, sonst selten zu findenden Selbstverständlichkeit als Kulisse verwendet.

Genauso selbstverständlich gibt sich die Besetzung des Films: Cary Grant war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten fast doppelt so alt wie Audrey Hepburn, aber trotzdem fällt der Altersunterschied nicht großartig ins Gewicht - unter anderem auch, weil Cary Grant darauf bestand, daß Reggie hinter seinem Charakter her sein soll und nicht er hinter ihr. So entwickelt sich die Beziehung zwischen Peter Joshua und Reggie Lampert auf einem ganz unschuldigen Niveau, das durch Cary Grants kleine komödiantische Einlagen noch zusätzlich aufgelockert wird. Audrey Hepburn versprüht genauso wie Cary Grant eine fast überproportionale Menge Charme. Ihr Charakter ist eine Mischung aus unschuldigem Mädchen und gestandener Frau, was aber kein Widerspruch in sich ist, denn Audrey Hepburn spielt ihre Rolle sehr überzeugend und natürlich.

Die Bösewichte des Films sind nur in zweiter Linie als solche gedacht, denn George Kennedy, James Coburn und Ned Glass sind eigentlich mehr komisch als furchteinflößend - das schlimmste was man ihnen anlasten kann, sind ihre schlechten Manieren. Während sich bei diesem Trio Infernale der Humor mehr oberflächlich gestaltet (z.B. Scobies polterndes Auftreten, Tex' Südstaaten-Akzent und Gideons Niesanfälle), ist Walter Matthau in Charade in einer ernsten, aber auchunterschwellig komischen Rolle zu sehen. Sein Mr. Bartholomew sieht auf den ersten Blick sehr ernst aus, was er auf dem Papier auch ist - aber Stanley Donen hat ihm einige lustige physische Ticks zu tun gegeben, die den Charakter sehr humorvoll machen.

Außerdem ist Charade auf eine unbemerkbare Weise fast völlig gewaltfrei - es passieren zwar einige Morde, aber nie direkt vor der Kamera. Der schlimmste Anblick, den man hier ertragen muß, sind die Leichen von Charakteren, bei denen sich der Zuschauer nicht so ganz sicher sein kann, ob man sie nun bedauern soll oder nicht. Kleine Actioneinlagen wie der Kampf zwischen Cary Grant und George Kennedy sind so gut durchchoreographiert, daß sie überhaupt nicht als unnötige Brutalität erscheinen. Wirklich ernst nimmt sich der Film eigentlich nicht, was man hauptsächlich an den spriztigen und schlagfertigen Dialogen und einigen fast schon satirischen Einwürfen erkennbar ist.

Charade
ist der gelungene Versuch, einen Hitchcock-Film ohne Alfred Hitchcock zu machen. Dabei werden die Methoden des Altmeisters der Spannng bis aufs letzte ausgereizt - der Zuschauer wird in Charade beinahe öfter an der Nase herumgeführt als in allen Filmen Hitchcocks zusammen. Natürlicht macht Charade auch Anleihen bei To Catch a Thief und North by Northwest, zwei Hitchcock-Filme in denen Cary Grant auch die Hauptrolle spielte. Auch die enge Verknüpfung von Handlung und Musik wurde hier angewendet: schon Henry Mancinis rhythmische und romantische Filmscore erzeugt alleine schon einen großen Teil der Spannung. Der leichtfüßige, unbedarfte Humor, den Hitchcock nur in vorsichtigen Mengen verwendete, setzen Peter Stone und Stanley Donen in Charade viel stärker ein, um sich von ihrem Vorbild zu unterscheiden.

Eine simpler nachgemachter Hitchcock-Film ist Charade keinesfalls, sondern eine damals ganz neue Mischung aus Krimi und romantischer Komödie, die auch heute noch überraschend modern wirkt und nur wenig gealtert ist.

Die DVD

Charade ist einer der wenigen Filme, deren Copyrights nie erneuert wurden und nach einiger Zeit zu Public Domain wurden - jeder konnte also eine Kopie des Films in irgendeiner Form herausbringen, ohne die Rechte dafür kaufen zu müssen. Daher gibt es besonders in England und den USA eine Unmenge von verschiedenen DVDs des Films, von denen die meisten nur Sondermüll sind - ein paar Perlen gibt es dennoch.

Criterion veröffentliche 1999 eine DVD von Charade, die zwar nur einen nicht-anamorphen Transfer bot, aber ein ultimatives Extra hatte: eine Kommentarspur von Stanley Donen und Peter Stone. Leider verschwand diese DVD schon nach einem knappen Jahr aus dem Handel und war lange Zeit nicht zu haben. Die Vorboten für eine eventuelle Neuauflage waren die ersten eigenen Veröffentlichungen des Films von Universal mit einem hervorragenden neuen Transfer: in den USA zwar nur auf der Rückseite der DVD des gräßlichen Remakes The Truth about Charlie, in Deutschland aber auch als Einzel-DVD.

Anfang 2004 kündigte Criterion dann an, daß Charade im Frühjahr wieder ins Programm genommen würde - und das mit einem überarbeiteten Transfer. Dieser stellte sich als die gleiche ausgezeichnete Version wie auf der Universal-DVD heraus, war aber viel besser Komprimiert. Der hohe Preis der Criterion-DVD ist durchaus gerechtfertigt, denn nur auf dieser bekommt man den hervorragenden Audiokommentar und die besser klingende Tonspur. Wer nicht ganz so tief in die Tasche greifen will und nur den Film selbst sucht, sollte vielleicht auf die deutsche DVD zurückgreifen - ernsthaften Filmliebhabern kann ich aber nur die hier rezensierte Criterion-DVD empfehlen.

Bild

Criterions neuer anamorpher Transfer von Charade ist fast hundertprozentig identisch mit der Version, die von Universal in den USA zusammen mit dem Remake The Truth about Charlie veröffentlicht wurde – allerdings mit einem kleinen Unterschied: die Criterion-Version wurde mit einer viel höheren Bitrate komprimiert und hat daher eine noch etwas bessere Bildqualität.

Der Transfer ist nicht nur für einen Film dieses Alters bemerkenswert gut gelungen. Die Filmvorlage ist bis auf eine handvoll Kratzer und Fussel sehr sauber - die restliche Verschmutzung hätte man vielleicht auch noch entfernen können, aber ernshaft stören tut es nicht. Die Körnigkeit ist nur in der kurzen Anfangssequenz sehr hoch und reduziert sich danach schnell auf ein Niveau, das für einen Film aus dieser Zeit völlig normal ist. Dafür ist anscheinend ein vorsichtig angewendeter Rauschfilter verantwortlich, der keine sichtbaren Nebenwirkungen hinterlassen hat.

Auch die Schärfe ist nicht nur für einen über vierzig Jahre alten Film bemerkenswert gut, sondern macht auch so mancher neuerer Produktion ernsthaft Konkurrenz. Zwar wirkt das Bild wegen des sparsam eingesetzten Schärfefilters auf den ersten Blick etwas weich, aber die Detailzeichnung ist dennoch hervorragend - es sind eine ganze Menge Einzelheiten zu sehen, die in früheren Versionen des Films immer verborgen blieben.

Die Farben entsprechen dem etwas gedämpften, pastellartigen Technicolor-Farbtiming, das trotzdem sehr natürlich und ausgewogen aussieht. Gegenüber dem sehr knallbunten Farbtiming des früheren Criterion-Transfers sieht die neue Version beinahe blaß aus, aber für sich gesehen sind die Farben der neuen Abtastung völlig in Ordnung. Die hohe Bitrate sorgt außerdem dafür, daß keinerlei Kompressionsartefakte auftreten.

Ton

Während der Transfer der Criterion-DVD dem der Universal-Ausgabe sehr ähnelt, hat Criterion mit der Tonspur von Charade deutlich die Nase vorn. Der Ton wurde von der alten DVD übernommen und stammt von den Original-Magnettonspuren, während Universal offenbar nur ein Lichtton-Master zur Verfügung hate. Obwohl es natürlich schön gewesen wäre Henry Mancinis Filmmusik in Stereo zu hören, wurde hier kein Remix oder Upmix versucht und stattdessen die ursprüngliche Mono-Abmischung in bestmöglichster Qualität auf die DVD gepreßt.

Die Stimmen klingen zu Beginn des Films noch etwas kratzig, bessern sich aber sobald sich die Handlung nach Paris verlagert. Zwar hört man auch dann noch deutlich die Einschränkungen der damaligen Aufnahmetechnik, aber Dialoge und Geräusche haben trotzdem einen warmen und natürlichen Klang. Auch Henry Mancinis Musik hört sich sehr kräftig und transparent an - die Höhen sind zwar auch etwas eingeschränkt, dafür kann die Score aber mit einem ordentlichen Baß aufwarten. Diese DVD ist ein gutes Beispiel für eine ordentliche Aufbereitung einer alten Mono-Tonspur - kein übertriebenes Remastering, sondern einfach nur eine originalgetreue Reproduktion des Filmtons.

Bonusmaterial

Criterion steht nicht immer für zahlreiches Bonusmaterial, und auch diese DVD gehört nicht zu den quantitativ besonders zahlreich bestückten Veröffentlichungen. Wie so oft zählt aber nicht die Menge, sondern der Inhalt: hier übernimmt der Audiokommentar den Job, den sonst Dokumentationen übernehmen. Das Menüdesign basiert auf dem Haupttitel des Films und ist für eine Criterion-DVD ungewöhnlich verspielt - die eigentlichen Menüs sind zwar nicht animiert, dafür aber einige der Übergänge.

Die Kommentarspur mit Regisseur Stanley Donen und Drehbuchautor Peter Stone wurde 1999 für die Erstauflage der Criterion-DVD aufgenommen und ist nicht nur ein hervorragender Audiokommentar, sondern auch ein einzigartiges Zeitdokument, denn Peter Stone verstarb im Frühjahr 2003. Umso bemerkenswerter ist es hier die beiden sympathischen Filmemacher erzählen und auch miteinander diskutieren zu hören - nicht umsonst wird der Kommentar auf dem Cover als A Conversation with Stanley Donen and Peter Stone bezeichnet, was ein zusammengeschnittenes Interview vermuten läßt - das ist aber überhaupt nicht der Fall. Stanley Donen und Peter Stone reden von der frühen Entstehungsgeschichte von den Dreharbeiten und eigentlich allem, was auch nur ansatzweise mit ihrem Film zu tun hat. Ihre Erzählungen sind eine echte Goldgrube für Kenner des Films und schaffen es auf dieser DVD mühelos jede Art von Dokumentation und anderem Material zu ersetzen.

Der Trailer (3:13) ist hier in ziemlich verkratztem Fullscreen zu sehen, aber dennoch einen Blick wert: auch wenn der Schnitt etwas langatmig ist, handelt es sich um einen der besseren Kinotrailer aus dieser Zeit, der das Potential des Films erkennt und einen guten Querschnitt gibt, ohne zuviel zu verraten.

The Films of Stanley Donen und Peter Stone Career Highlights sind nicht nur simple Biographien der beiden Filmemacher, sondern enthalten einige Bildschirmseiten gut zusammengestellten Text, der mit einigen netten, großformatigen Fotos ergänzt wird.


GOWEBCounter by INLINE GOWEBCounter by INLINE