Allgemeines
Als der amerikanische Schriftsteller Earl Derr Biggers mitte
der zwanziger Jahre auf der Suche nach einem neuen Helden für seine Romane
und Bühnenstücke war, fiel ihm während eines Erholungsurlaubs auf Hawaii
in der Zeitung ein Bericht über zwei chinesische Detektive in Honolulu
auf - die Idee zu Charlie Chan war geboren. Zu dieser Zeit waren
orientalische Charaktere üblicherweise Bösewichte, ein freundlicher und
bedächtiger Detektiv dieser Abstammung war etwas sehr ungewöhnliches.
Charlie Chan hatte 1925 seinen ersten Auftritt in der Geschichte "The
House without a Key", die zuerst als Fortsetzungsroman in der Saturday
Evening Post und später auch als Buch erschien. Bis 1932 schrieb Biggers
insgesamt sechs Charlie-Chan-Romane, die als Bücher ein großer Erfolg
waren, aber erst der Anfang für eine noch viel größere Popularität des
chinesischen Detektivs waren.
Earl Derr Biggers starb 1933, aber noch 1929 konnte er die Filmrechte
von einigen seiner Charlie-Chan-Romane an 20th Century Fox verkaufen,
die 1931 das erste Mal Charlie Chan auf die Kinoleinwand brachten. Überraschenderweise
wurde der chinesische Detektiv nicht etwa mit einem chinesischen oder
japanischen Schauspieler besetzt, sondern mit dem Amerikaner Warner Oland,
womit der Versuch von Earl Derr Biggers aus dem Charakter keinen Stereotypen
zu machem, teilweise wieder rückgängig gemacht wurde - er wurde aber dennoch
zur besten und bekanntesten Interpretation von Charlie Chan und spielte
diese Rolle bis zu seinem Tod 1938 fünfzehn Mal. 20th Century Fox fand
in Sidney Toler schnell einen Ersatz für Oland, um die äußerst populäre
Filmreihe schnell Fortsetzen zu können - aber schon vier Jahre und acht
Filme später stellte Fox die Produktion der Charlie-Chan-Filme ein. Die
schwierige Situation in Hollywood während des zweiten Weltkriegs machte
Charaktere wie Charlie Chan problematisch, auch wenn sie nicht rassistisch
oder böse gemeint waren. Alleine der Umstand, daß ein amerikanischer Schauspieler
einen Chinesen spielte reichte schon für das vorläufige Ende von Charlie
Chan aus.
20th Century Fox hatte zwar das Interesse an Charlie Chan verloren, aber
es gelang dem kleinen Studio Monogram Pictures die Rechte zu kaufen und
sogar den Hauptdarsteller Sidney Toler für weitere Filme zu gewinnen.
Schon ab 1942 drehte Monogram neue Charlie-Chan-Filme, die aber gegenüber
den Fox-Produktionen mit einem deutlich niedrigeren Budget auskommen mußten
und daher oft sehr minimalistisch und nicht so ausladend waren. Sidney
Toler stand für Monogram Films insgesamt elf Mal als Charlie Chan vor
der Kamera, bevor er 1947 starb. Mit Roland Winters in der Hauptrolle
wurden dann noch einmal sechs weitere Filme gedreht, bevor Monogram Pictures
entgültig die Charlie-Chan-Filmreihe einstellte. Die Erfolge waren nicht
mehr so groß und von Earl Derr Biggers ursprünglicher Idee von Charlie
Chan war nicht mehr viel übrig geblieben. Bis auf einen kurzlebigen Versuch
den orientalischen Detektiv als Fernsehserie wiederzubeleben, verschwand
Charlie Chan noch vor Ende der vierziger Jahre entgültig von der Bildfläche.
Einen letzten, bemerkenswerten Auftritt auf der Kinoleinwand war Charlie
Chan jedoch noch vergönnt - das kleine Filmstudio American Cinema produzierte
1981 Charlie Chan and the Curse of the Dragon Queen. Es war kein
Versuch das Chan-Franchise wiederzubeleben, sondern nur eine einmalige
Gelegenheit die weniger eine ernsthafte Neuverfilmung als eine humorvolle
Hommage an die vielen klassischen Charlie-Chan-Filme wurde.
Der besondere Clou des Films ist seine Besetzung, ohne die das Projekt
wahrscheinlich nie hätte stattfinden können: den Produzenten gelang es
für die Rolle von Charlie Chan Peter Ustinov zu gewinnen. Das Wandlungsfähige
Allround-Talent hatte alleine das Zeug dazu, die verschiedenen Charlie-Chan-Inkarnationen
überzeugend zu vereinen, aber dem Charakter auch etwas von seinem
typischen schelmischen Charme zu geben. Obwohl Ustinov den Film nicht
dominiert, ist seine Rolle in Charlie Chan and the Curse of the Dragon
Queen einer der wichtigsten Stützpfeiler des Films.
Die Nebenrollen wurden allerdings auch hochkarätig besetzt, zumindest
wie es mit einem nicht allzu gigantischem möglich war. Charlie Chans
"Number One Grandson" Lee wurde mit Richard Hatch besetzt, der
Ende der siebziger Jahre in der Science-Fiction-Serie Battlestar Galactica
bekannt wurde. Seine Rolle hat quasi die Funktion von Charlie Chans unfähigem
Sidekick und wird auch noch durch einige Slapstick-Einlagen in diese Richtung
verstärkt. Seine Verlobte Cordelia wurde von einer jungen Schauspielerin
namens Michelle Pfeiffer gespielt, die noch am Anfang einer großen
Filmkarriere stand und hier nicht nur das dumme Blondchen spielen durfte.
In weiteren Schlüsselrollen sind zweider besten amerikanischen Schauspielerinnen
zu sehen - Angie Dickinson spielt in einem kleinen, aber eindrucksvollen
Part mit Eleganz die mysteriöse Drachenkönigin und Lee Grant
die flatterige, leicht übergeschnappte Mrs. Lupowitz. Ein wenig die
Show stiehlt diesen beiden Schauspielern allerdings die Engländerin
Rachel Roberts als paranoide Haushälterin Mrs. Dangers, die hier
in ihrer letzten Rolle vor ihrem tragischen Selbstmord zu sehen ist.
Noch eine Paraderolle hat Roddy McDowall als rollstuhlfahrender Diener
Gillespie inne. Der Schauspieler, der hauptsächlich für sein
Mitwirken in den Planet of the Apes-Filmen bekannt war und dort
wegen der dicken Masken nur selten seine schauspielerischen Talente einsetzen
konnte, hat in diesem Film auch relativ wenig Dialog, schafft es aber
durch seine Mimik einen wunderbar skurillen Charakter zu schaffen. Brian
Keith als Polizeichef Baxter ist dagegen nur als "Comic Relief"
gedacht und für den Plot eigentlich nicht wichtig, aber was wäre
Charlie Chan ohne einen nervösen Polizeichef?
Das Drehbuch des Films stammte von David Axelrod und Stan Burns, einem
Autorenduo das sonst eigentlich nur für Fernsehserien schrieb. Die
Story ist ein Mischmasch aus alten Charlie-Chan-Geschichten, hat aber
ein weitaus größeres Ausmaß als in den alten Filmen überhaupt
möglich war. Charlie-Chan-Fans werden sehr viele Elemente sofort
wiedererkennen und wahrscheinlich bei manchen Umsetzungen nicht besonders
begeistert sein, aber als Film in sich ist Charlie Chan and the Curse
of the Dragon Queen sehr stimmig. Die Idee mit einer schwarzweißen
Rückblende ganz im Stil der Vorbilder zu beginnen hätte besser
nicht ge,acht werden können. Gleichzeitig nimmt sich der Film aber
auch nicht völlig ernst - ein Chan-Film-im-Film und diverse andere
Ideen wie der Einbau einiger Blake-Edwards-ähnlichen Slapstick-Sequenzen
machen die verspielte Natur des Films deutlich klar.
Das sicher nicht sehr große Budget merkt man dem Film kaum an. Gedreht
wurde praktischerweise an Originalschauplätzen in San Francisco und in
einigen einfach, aber effektiv gestalteten Studiosets. Die Kameraführung
wagt auch keine großartigen Experimente, hinterläßt aber einen sehr soliden
und professionellen Eindruck. Auch musikalisch gibt sich Charlie Chan
and the Curse of the Dragon Queen innovativ und verspielt - Komponist Patrick Williams hat sich nicht nur
auf stereotype orientalische Klänge beschränkt, sondern bietet eine vielseitige Mischung, deren größter
Anteil eine klassische orchestrale Score ist. Bemerkenswert ist die Titelmusik, für die Williams eine Art
Mini-Operette komponiert hat, deren Sänger niemand anders als Peter Ustinov ist, der darin mit Nonsense-Texten
und Akzenten gekonnt herumspielt.
Charlie Chan and the Curse of the Dragon Queen war kein nennenswerter
Erfolg und verschwand sehr schnell in der Versenkung. Heute ist der Film
nur noch selten zu sehen und wenn wird er von den Kritikern gnadenlos
niedergemäht - eigentlich zu unrecht. Perfekt ist der Film nicht,
aber dennoch wunderbare Unterhaltung mit bemerkenswerten Schauspielern.
Es ist ein Film, der von Liebhabern für Liebhaber gemacht wurde - ein kleines, oft übersehenes und
unterschätztes Juwel.
Gerade einmal zwei TV-Ausstrahlungen im deutschen Fernsehen innerhalb der
letzten fünfzehn Jahre hat Charlie Chan and the Curse of the Dragon
Queen hinter sich. Wer diesen Film wie ich bei einer dieser seltenen
Gelegeheiten zufällig kennengelernt hat, wird auf der Suche nach einer englischen
Originalfassung des Films die Zähne ausbeißen - es gibt weder eine englische
noch amerikanische VHS-Kaufkassette, und bis vor kurzem auch keine DVD.
Eine kleiner, obskurer kanadischer Anbieter hat aber vor kurzem diese DVD
herausgebracht, die zwar eine fast schauderhafte Bild- und Tonqualität hat,
aber erstaunlicherweise ein paar neu produzierte Dokumentationen besitzt.
Auch wenn diese DVD technisch nicht viel hergibt, lohnt sich ein Kauf bei
knapp zehn kanadischen Dollar für Fans des Films auf jeden Fall. |
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Bild
Leider wurde hier nur ein steinaltes Videomaster verwendet,
das trotz leichter Nachbearbeitungsbemühungen eigentlich einer DVD unwürdig
ist. Da es aber schon an ein Wunder grenzt, daß es diesen Film überhaupt
als DVD gibt, sollte man hier das beste aus der Bildqualität machen, die
sich gerade noch im erträglichen Bereich bewegt wenn man beide Augen zudrückt.
Das ärgerlichste Problem dieser DVD ist scheinbar das 1.33:1-Bildformat,
aber in diesem Bereich kann man Entwarnung geben: Charlie Chan and
the Curse of the Dragon Queen wurde Open-Matte auf einem 1.37:1-Negativ
gedreht und danach maskiert, so daß hier kein Bild verloren geht. Besitzer
von 16:9-Fernsehern können ruhig auf 1.78:1 aufzoomen und bekommen so
zwar keine bessere Bildqualität, aber wenigstens die gewollten Bildkompositionen
hin. Aber auch in 1.33:1 sieht der Film nicht allzu schlecht aus.
Das Bild weist ansonsten leider alle Merkmale eines alten Videomasters
auf, dessen Qualität zwar besser ist als VHS, aber gerade einmal auf dem
Niveau einer analogen TV-Ausstrahlung liegt. Während die Nachbearbeitung
es geschafft hat die Schrift im Vorspann noch sehr ruhig und glatt zu
bekommen, wird bei der ersten Szene schnell klar, daß hier nicht viel
zu erwarten ist. Die Schärfe ist unterdurchschnittlich und wird von deutlichen
Pixel- und Zeilenstrukturen durchzogen. Die Körnigkeit wurde teilweise mit einem Rauschfilter eingedämmt, ist
aber besonders in Szenen mit Kameraschwenks deutlich zu sehen. In einigen Szenen bekommt man durch
das starke Grieseln fast den Eindruck, daß der Transfer von einem 16mm-Print gemacht wurde. Kratzer und Fussel
sind relativ wenige zu sehen, die meisten kleineren Dropouts gehen wahrscheinlich in der allgemeinen Unschärfe des Transfers
unter.
Diese DVD hat ungefähr die Bildqualität einer TV-Serie aus den achtziger
Jahren, die auf Film gedreht, aber auf Video geschnitten wurde. Beheben
könnte man dieses Problem einzig und allein nur mit einem neuen Transfer,
den Charlie Chan and the Curse of the Dragon Queen wirklich bitter
nötig hat - solange da nichts unternommen wird, muß man halt mit dieser
"Notlösung" auskommen.
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Ton
Die einzige Tonspur auf dieser DVD ist genauso wie der Transfer in keinem besonders gutem Zustand. Der Umstand, daß
ein Film von 1981 hier mit schnödem Mono-Ton daherkommt ist nicht weiter schlimm, da Charlie Chan and the Curse of the Dragon Queen
ursprünglich ohne Dolby-Stereo-Ton in die Kinos kam. Das Problem ist hier viel mehr, daß wieder einmal der Ton von einer nicht mehr
ganz intakten Lichttonspur übernommen und so gut wie gar nicht nachbearbeitet wurde. Dynamik und Frequenzumfand sind
deutlich eingeschränkt, besonders die Musik klingt sehr flach und dünn. Dialoge werden gut verständlich wiedergegeben,
aber leider zischen alle S-laute sehr unangenehm. Die Nebengeräusche nehmen außerdem ein beträchtliches Ausmaß an: in
der ersten Hälfte des Films ist lediglich ein etwas erhöhtes Grundrauschen zu hören, aber in der letzten halben Stunde
kommt ein deutlich hörbares Knistern dazu, fast wie bei einer abgenutzten Schallplatte.
Der Ton ist enttäuschend, aber im Moment die einzige Möglichkeit den Film überhaupt in der Originalfassung zu hören.
Wer die deutsche Synchronfassung kennt, wird bei der englischen Version dieser DVD staunen, denn hier ist an einigen
Stellen Musik zu hören, die in der deutschen Fassung völlig still waren.
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