Der Film
Als John F. Kennedy im September 1962 die amerikanische Nation auf das Rennen zum Mond einstimmte, konnte er noch nicht ahnen, daß es die Wissenschaftler und Techniker der NASA das Ziel tatsächlich noch bis zum Ende des Jahrzehnts erreichen würde. Auch nach Kennedys tragischer Ermordung ging das Weltraumrennen weiter, denn den Wettbewerb mit der Sowjetunion wollte die USA auf keinen Fall verlieren. Nach zahllosen unbemannten und bemannten Flügen der Mercury, Gemini und Apollo-Raumfahrtprogramme wurde 1968 zum ersten Mal der Mond von Menschen umrundet und im Sommer 1969 gelang die erste Landung. Insgesamt flogen in den vier Jahren bis 1972 neun NASA-Raumfähren zum Mond, von denen sechs landeten und zwölf Astronauten den Erdtrabanten betraten.
Die Missionen wurden ausführlich mit Fotos, Filmaufnahmen und Fernsehübertragungen dokumentiert, aber nachdem das Weltraumrennen vorbei war, verschwand der größte Teil der faszinierenden Materials in den Archiven der NASA und wurde nur noch selten gezeigt. Das lag weniger an der NASA selbst, die ihre Archive für alle ernsthaften Anfragen offen hielt, sondern mehr an einer generellen Weltraum-Müdigkeit der Öffentlichkeit, die sich schon während der späteren Apollo-Missionen zeigte. Nachdem im Dezember 1972 das letzte Mal ein Mensch den Mond betreten hatte, gab es nur noch drei bemannte amerikanische Raumflüge zur Skylab-Raumstation und eine Apollo-Soyuz-Kooperation zwischen den USA und der Sowjetunion - danach lag die amerikanische Raumfahrt bis zur Fertigstellung des Space Shuttles mehr als ein halbes Jahrzehnt später auf Eis.
Einer interessierte sich aber trotzdem noch für die Apollo-Missionen: der amerikanische Journalist Al Reinert, der schon einige Artikel über die Raumflüge geschrieben und einige der Astronauten getroffen hatte. Von ihnen hatte er erfahren, daß während der Raumflüge nicht nur tausende von Fotos gemacht wurden, sondern auch viele Kilometer 16mm-Film belichtet worden waren, von denen die Öffentlichkeit bisher nur einen kleinen Bruchteil in unscharfen Kopien dritter oder vierter Generation im Fernsehen gesehen hatte. Al Reinert wunderte sich, wie diese Filme in hoher Qualität auf einer großen Leinwand aussehen würden und machte es sich zur Aufgabe, das Apollo-Filmmaterial erstmals einem großen Publikum zu zeigen.
Reinert wollte aber keineswegs eine herkömmliche Dokumentation über die Apollo-Missionen schaffen, sondern viel mehr das Erlebnis ansich in den Vordergrund stellen. Während seinen Interviews mit den Astronauten war ihm aufgefallen, daß jeder von ihnen die Reise zum Mond auf eine ähnliche Weise beschrieb - dadurch kam er auf die Idee, nicht alle Flüge separat zu zeigen und damit potentiell eine Menge redundante Aufnahmen zu verwenden, sondern stattdessen das beste Material von allen Apollo-Missionen zu einem großen Querschnitt zu verschmelzen. Reinert wagte auch noch einen größeren Schritt und ließ zwar die Astronauten als Protagonisten im Vordergrund stehen, erwähnte aber ihre Namen überhaupt nicht - Personenkult sollte keine Rolle spielen. Der Titel des ambitionierten Projekts war For All Mankind, womit Al Reinert die politische Bedeutung des Weltraumrennens absichtlich völlig außer acht ließ und sich auf die rein menschliche Perspektive konzentrierte.
Das Filmarchiv der NASA war Al Reinerts Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen und hilfreich. Al Reinert konnte sogar erreichen, daß er für die Erstellung des Films die Original-16mm-Negative auf 35mm-Film umkopieren durfte - etwas, was noch nie zuvor gemacht wurde und eine bisher ungeahnte Bildqualität aus dem Filmmaterial herausholen konnte. Verwendet wurden aber nicht nur Aufnahmen aus den Raumkapseln und vom Mond, sondern auch aus der Kommandozentrale auf der Erde um die Reaktionen auf beiden Seiten zeigen zu können. Da auf dem Mond selbst jedoch nur wenig gefilmt wurde und das meiste mit den Fernsehübertragungen eingefangen wurde, blieb Al Reinert nichts anderes übrig, als auch dieses schlecher aussehenden, aber nicht weniger faszinierende Aufnahmen zu verwenden. Kleinere künstlerische Freiheiten waren unumgänglich, um das beste aus den vorhanderen Material zu machen, aber es wurde nichts böswillig verfälscht oder geändert. Bis auf eine einzige nachgestellte Aufnahme, dem von Ken Mattingly beschriebenen Blick aus dem Fenster der Raumkapsel auf den Mond, handelte es sich um hundertprozentig echtes Filmmaterial.
Die Suche nach geeignetem Material zog sich länger hin, als ursprünglich geplant. Schon 1983 hatte sich Al Reinert sich an den britischen Musiker Brian Eno gewandt, der als Pionier der Ambiente-Musik ideal für eine Soundtrack für For All Mankind war. Eno hatte seine Kompositionen schon lange vor der Premiere des Films fertiggestellt und als eigenes Album mit dem Titel Apollo: Atmospheres and Soundtracks veröffentlicht, während Al Reinert noch länger Zeit mit seinem Film beschäftigt war. Die Idee, sogar die Voiceovers der Astronauten wegzulassen und nur Brian Enos Musik zu verwenden, wurde allerdings wieder verworfen - stattdessen wurde der Film wie geplant auch mit den Stimmen der Astronauten ausgestattet und aus den Bändern mit den Funksprüchen und anderem Tonmaterial wurde eine detailreiche Klangkulisse geschaffen, die zusammen mit der Musik die besondere Atmosphäre des Films unterstrich.
Al Reinert und sein kleines Team konnten For All Mandkind 1989 pünktlich zum zwanzigsten Geburtstag von Apollo 11 fertigstellen. Eine der ersten Premieren fand für eine Gruppe von ehemaligen Astronauten und andere NASA-Mitarbeiter statt, die trotz Al Reinerts Befürchtungen überhaupt nichts gegen sein Konzept der praktisch anonymisierten Protagonisten hatten und von For All Mankind begeistert waren. Es war einer der ersten großen Dokumentationen über das amerikanische Raumfahrtprogramm und entfernte sich wohltuend von den typischen Klischees des Genres. Das gewagte Konzept, alle Raumflüge zu einer großen Mission zusammenzufassen, hatte brilliant funktioniert und die Abwesenheit von übertriebenen Emotionen, Pathos und Patriotismus sorgten für eine Darstellung, die sich völlig auf die Ausdruckskraft der größtenteils zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit gezeigten Bilder konzentrierte.
For All Mankind war zwar nicht besonders finanziell erfolgreich, hatte aber einen großen Einfluß auf die Dokumentarfilmszene und erweckte in den neunziger Jahren ein ganz neues Interesse an den historischen Raumfahrt-Missionen der NASA - es folgten viele weitere Dokumentationen, aber nur wenige konnten wirklich die Klasse von For All Mankind erreichen. Al Reinert wurde aber 1995 von Tom Hanks und Ron Howard eingeladen, am Drehbuch für Apollo 13 mitzuschreiben und war in den folgenden Jahren auch Autor von zwei Episoden der aus dem Kinofilm entstandenen Fernsehserie From the Earth to the Moon. Vierzig Jahre nach der ersten Mondlandung und zwanzig Jahre nach der Premiere bleibt For All Mankind aber eine der faszinierensten Dokumentationen über das Apollo-Programm, denn nie wieder wurde das Original-Bildmaterial auf eine so gelungene Weise präsentiert.
Die DVD
For All Mankind wurde bereits 1989 als Laserdisc und VHS-Kassette veröffentlicht und erschien zehn Jahre später auch von der Criterion Collection als DVD. Zum vierzigsten Jubiläum der Mondlandung hatte Criterion 2009 aber noch einmal eine Neuauflage herausgebracht, die diesmal parallel als DVD und Blu-Ray erschien und nicht nur einen deutlich verbesserten neuen Transfer, sondern auch einige zusätzliche Extras bot und dadurch zu einer der besten Veröffentlichungen des Jahres wurde.
Das hier rezensierte Exemplar ist die DVD-Ausgabe der Neuauflage von For All Mankind, die meines erachtens von der Bildqualität her der Blu-Ray um nichts nachsteht, da das Filmmaterial sowieso nicht viel mehr hergibt. Ausgeliefert wird die DVD, die mit einer einzigen Disc auskommt, ohne besondere Verpackung in einem durchsichtigen Keepcase, bringt aber das gleiche Booklet wie die Blu-Ray mit. Dank des schlichten, aber gelungenen Cover-Designs macht die DVD aber einen alles andere als billigen Eindruck aus und wird dem Ruf von Criterion mehr als gerecht. Wem die Criterion-Ausgabe zu teuer ist, der kann auch zur britischen DVD oder Blu-Ray von Eureka greifen, die alle Extras außer den zusätzlichen Interviews enthalten - allerdings enthält die DVD-Version nur eine 2.0-Tonspur, ist aber auch in NTSC codiert und besitzt den gleichen Transfer wie die Criterion-DVD.
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Bild
Criterion hat für die Neuauflage von For All Mankind einen neuen High-Definition-Transfer von einem 35mm-Interpositiv angefertigt. Da die Quellen ausschließlich 16mm-Film und Video-Aufzeichnungen waren, ist die Bildqualität natürlich eingeschränkt, aber den Umständen entsprechend beeindruckend. Leider hat Criterion das Bild der DVD "windowboxed", so daß von der ursprünglichen NTSC-Auflösung von 720x480 Pixel nur 665x446 übrigbleiben. Zum Glück spielt das bei der geringen Schärfe des Quellmaterials bei dieser DVD keine große Rolle, aber unnötig ist es trotzdem, da heutzutage die Fernseher nicht mehr soviel Overscan-Verschnitt haben wie früher.
Das 16mm-Material sieht bemerkenswert gut aus und wurde im Rahmen der Neuabtastung vorsichtig restauriert - die für das Format typisch starke Körnigkeit wurde vollständig intakt gelassen und nur die Verschmutzungen und Beschädigungen des Filmmaterials entfernt. Bis auf ein paar gelegentlich leicht sichtbare Laufstreifen ist das Bild bemerkenswert sauber und unglaublich stabil, denn der Bildstand ist extrem ruhig. Die Schärfe ist auf einem für 16mm-Film relativ guten Niveau, stößt aber noch nicht ganz an die Grenzen der DVD-Auflösung. Auf eine zusätzliche digitale Nachschärfung wurde zum Glück verzichtet, so daß das Bild einen ganz natürlichen und filmähnlichen Eindruck macht.
Problematischer sind dagegen die Video-Übertragungen, die aus den Raumkapseln und vom Mond gesendet wurden und etwa ein Drittel des Films ausmachen. Die verwendeten Kameras hatten Auflösungen von allerhöchstens 200 Linien und das Bild wurde nicht vor Ort aufgezeichnet, sondern direkt übertragen, wodurch die Bildqualität natürlich nicht mit dem viel besseren Filmmaterial mithalten kann. Al Reinert hatte aber schon in den achtziger Jahren dafür gesorgt, daß die Aufnahmen auf den Kinoleinwänden so gut wie möglich aussahen und auf dieser DVD werden sie auch sehr gut wiedergegeben. Allerdings muß man auf ein extrem starkes Videorauschen, eine drastisch reduzierte Schärfe und starke Nachzieheffekte gefaßt sein - aber es sind Fernseh-Übertragungen vom Mond und sie sehen hier trotzdem viel besser aus, als man sie von anderen Quellen kennt.
For All Mankind ist bei weitem kein High-Definition-Demomaterial, so daß es schon verwunderlich ist, daß Criterion den Film auch parallel als Blu-Ray veröffentlicht hat. Die DVD-Ausgabe reicht aber voll und ganz aus und präsentiert den Film in einer optimalen Bildqualität - beschweren kann man sich allerhöchstens über das unnötige Windowboxing.
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Ton
For All Mankind kam 1989 ursprünglich mit einer damals typischen Dolby-Stereo-Abmischung in die Kinos, die auf der alten DVD in zweikanaligem Stereo-Surround wiedergegeben wurde - für die Neuauflage wurde aber aus den 35mm-Magnettonspuren eine diskreter 5.1-Remix erstellt.
Die einsame englische Tonspur dieser DVD wurde in Dolby Digital 5.1 mit 448 kbit/s codiert und hat eine überraschend aktiven Sound zu bieten, denn For All Mankind ist wie ein richtiger Kinofilm vertont worden. Zu dem sehr aktiven Raumklang trägt nicht nur Brian Enos breit abgemischte Musik, sondern auch eine ausgeprägte Geräuschkulisse bei, die sich besonders in den Aufnahmen im Kommandozentrum bemerkbar macht - dort wurden sowohl die Umgebungsgeräusche als auch die Ansagen auf alle Kanäle verteilt und so eine ganz realistisches Klangbild geschaffen. Die Surrounds werden gelegentlich sogar für diskrete Effekte verwendet und beim Start der Saturn-Rakete bekommt auch der Subwoofer etwas zu tun.
Die Voiceover der Astronauten, die ausschließlich aus den Interviews stammen, die Al Reinert seit Ende der siebziger Jahre aufgenommen hatte, beschränken sich dagegen ausschließlich auf den Center-Kanal. Zwar sind die Stimmen immer verständlich, hören sich aber je nach Umstand der Aufnahme entweder fast nach Tonstudio an oder auch ganz dünn und kratzig. Gegenüber der sonst sehr sorgfältig und sauber klingenden Tonkulisse hören sich die Stimmen dadurch etwas rustikal an, helfen aber auch dem Film eine authentische Atmosphäre zu geben.
Es befinden sich zwei Untertitelspuren auf der DVD: die erste identifiziert die Astronauten und NASA-Mitarbeiter namentlich, die im Film auftreten und die zweite besteht aus zusätzlichen Untertiteln für Hörgeschädigte, in der manchmal, aber nicht immer auch die Sprecher genannt werden.
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Bonusmaterial
Das Bonusmaterial der Neuauflage von For All Mankind stammt teilweise noch von der zehn Jahre zuvor veröffentlichten DVD, wurde aber durch einige neue Extras ergänzt, die aber immer noch genug Platz auf einer einzigen Disc fanden. Typisch für Criterion ist das Menüdesign ganz einfach gehalten, sieht aber trotzdem sehr elegant aus.
Die Kommentarspur mit Al Reinert und Astronaut Eugene Cernan wurde bereits 1999 für die erste Auflage der Criterion-DVD aufgenommen, ist aber keineswegs gealtert und ein hervorragendes Extra, das praktisch einer zweiten Version des Films gleichkommt und damit die Laufzeit von 80 auf 160 Minuten verdoppelt. Es ist Reinert, der in erster Linie über die Entstehung des Films und seine Motivation erzählt, das Apollo-Filmmaterial auf die große Leinwand zu bringen, während Cernan davon berichtet, wie es wirklich als NASA-Astronaut war und was es bedeutet, als Mensch einen Fuß auf den Mond gesetzt zu haben. Seltsam wird es nur bei Cernans religiösen Anwandlungen, bei denen Al Reinert aber recht schnell das Thema wechselt. Es ist ein menschlicher und wenig technischer Kommentar, der genauso wie der Film die persönlichen Erfahrungen der Astronauten in den Vordergrund stellt.
An Accidental Gift: The Making of For All Mankind (31:59) mit Filmemacher Al Reinert, Astronaut Al Bean, NASA Film-Editoren Don Pickard und Chuck Welch, Film Vault Curator Morris Williams und Lead Librarian Mike Gentry wurde für die Neuauflage der DVD produziert und ist eine sinnvolle Ergänzung zum Audiokommentar. Hier erfährt man nicht nur über die Entstehung von For All Mankind, sondern auch über die Umstände, in denen das Filmmaterial entstanden ist und wie Al Reinert es gefunden und ausgesucht hat - dazu gehört auch ein kleiner Besuch im NASA-Filmarchiv.
Für On Camera (20:35) hat Al Reinert für die neue DVD Archiv-Interviews mit den fünfzehn Astronauten Charlie Duke, Al Worden, Neil Armstrong, Pete Conrad, William Anders, James Lovell, Michael Collins, Stuart Roosa, Buzz Aldrin, Edgar Mitchell, Eugene Cernan, James Irvin, John Young, Frank Bormann und Rusty Schweickart zusammengestellt, die aus den anderen Dokumentationen The Other Side of the Moon von 1989, Our Planet Earth von 1990, The Wonder of it All von 2007 und zwei Veranstaltungen zum Jubiläum von Apollo 7 und 8 stammen. Es ist eine hervorragendes Extra zu Al Reinerts Film, für den nur Ton-, aber keine Bildaufnahmen der Interviews gemacht wurden.
In Paintings from the Moon (37:52) stellt Astronaut Al Bean 24 seiner Gemälde ausführlich vor und ist auch in einem Intro (7:32) zu sehen, das eigentlich eine eigene kleine Mini-Dokumentation ist. Dieses Extra stammt noch von der alten DVD, ist aber nun in 16:9 remastered worden.
Die NASA Audio Highlights sind 21 kurze Schnipsel mit etwa 10-20 Sekunden Dauer von den berühmtesten Sätzen, die in den Funksprüchen der Apollo-Missionen gefallen sind - die Auswahl ist allerdings etwas knapp.
3, 2, 1... Blast Off! (2:36) ist eine kurze Collage von Starts der fünf verschiedenen Raketentypen, die die NASA für das Rennen zum Mond eingesetzt hat.
Das letzte Extra ist heutzutage eine große Seltenheit - ein 25-seitiges Booklet mit zwei kleinen Essays, einigen Bildern und natürlich ausführlichen Informationen über die DVD selbst.
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