Der Film
CIA-Agent Miles Kendig (Walter Matthau) hat die Nase gestrichen voll - nachdem er den KGB-Chef Yaskov (Herbert Lom) bei einer Observation auf dem Münchener Oktoberfest erwischt und wieder laufen lassen hat, wird er von seinem Chef Myerson (Ned Beatty) hinter einen Schreibtisch versetzt. Der langjährige Außendienstler Kendig läßt sich das nicht bieten und schlägt dem Bürokraten Myerson ein Schnippchen: er schreddert seine Akte und setzt sich zu seine ehemaligen Kollegin und Freundin Isobel (Glenda Jackson) nach Salzburg ab. Bei einem konspirativen Treffen mit Yaskow, der ihn für den KGB anwerben will, kommt ihm eine hervorragende Idee, wie er sich an seinem ehemaligen Brötchengeber rächen kann: Kendig beginnt seine Memoiren zu schreiben. Ein Katz- und Maus-Spiel beginnt, als Kendig mit Hilfe von Isobel sein Manuskript kapitelweise an alle Geheimdienste der Welt schickt und damit nicht nur Myerson in Grund und Boden blamiert. Kendig spielt mit den Geheimdiensten Hopscotch, als er durch die halbe Welt reist und seinen Verfolgern immer einen Schritt voraus ist...
Agenten- und Spionagethriller waren in den siebziger Jahren im Kino und in der Literatur eine düstere Angelegenheit. Seit den Machenschaften der Nixon-Regierung und dem daraus resultierendem Watergate-Skandal waren besonders den Amerikanern das Lachen im Halse steckengeblieben und mit der Ausnahme der immer mehr zur Selbstparodie neigenden James Bond-Filme reagierte die Filmbranche mit dunklen und manchmal auch brutalen Dramen mit viel Verrat, Mord und Totschlag. Auch konzentrierten sich Agentenstories immer mehr auf Action und technische Spielereien, die nur noch wenig mit der Arbeit wirklicher Spione gemeinsam hatten. John LeCarre und Len Deighton waren die einzigen Autoren, die die wahre Welt der Agenten literarisch verarbeiteten, aber es gab noch jemanden, der sich Gedanken in diese Richtung gemacht hatte.
Thriller ohne Tote
Brian Garfield hatte 1972 den brutalen Selbstjustiz-Thriller Death Wish geschrieben, der drei Jahre später mit Charles Bronson auf eine Art verfilmt worden war, die dem Autor nicht wirklich gefiel. Garfield wollte danach in eine völlig andere Richtung gehen, indem er einen Blick auf das Spionage-Genre warf und sich fragte, ob ein Agenten-Thriller auch ohne Mord und Totoschlag auskommen könnte. Als Antwort darauf entstand Hopscotch, die ironische und zynische Geschichte des CIA-Aussteigers Miles Kendig, der mit dem Schreiben seiner Memoiren ein Katz- und Maus-Spiel mit seinen ehemaligen Brötchengebern beginnt. Es war keine wirklich neue Idee, denn gerade Mitte der siebziger Jahre war durch die zahlreichen Geheimdienst-Whistleblower war dieser Stoff sehr populär geworden - aber Brian Garfield ging das Thema auf eine etwas andere Weise als manche seiner Kollegen an.
Hopscotch, so der Titel seines 1975 veröffentlichten Romans, verzichtete dabei auf die sonst für das Genre übliche Gewalt und konzentrierte sich stattdessen auf ein satirisches Katz- und Maus-Spiel, das auf intelligente Weise mit den Methoden des amerikanischen Geheimdiensts abrechnet und dabei den Protagonisten zum Sieger macht, ohne nur einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen. Auch an eine Filmversion hatte Brian Garfield schon gedacht, aber da die Verfilmungen seiner Bücher ihm bisher nie gefallen hatten, wollte er die Drehbuchumsetzung diesmal selbst übernehmen - eine Bedingung, die es allerdings nicht einfach machte, die Idee einem Geldgeber schmackhaft zu machen.
Der lange Weg auf die Leinwand
Trotzdem schrieb Brian Garfield zusammen mit seinem Freund, dem Regisseur und Schauspieler Bryan Forbes, über 25 verschiedene Versionen des Drehbuchs, das sie mit Forbes als Regisseur und Warren Beatty als Hauptdarsteller auf die Leinwand bringen wollten. Leider zog sich die Suche nach der Finanzierung so in die Länge, daß sowohl Bryan Forbes als auch Warren Beatty nicht mehr verfügbar waren. Inzwischen hatte Brian Garfield mit Edy Landau aber einen Produzenten gefunden, der an seinem Drehbuch interessiert war und den Film bei der unabhängigen Produktionsgesellschaft Avco Embassy Films unterbringen konnte. Dadurch war ein großzügiges Budget von mehreren Millionen Dollar möglich, was für einen Independent-Film traumhaft viel war.
Mit dem Ausstieg von Bryan Forbes und Warren Beatty mußten Brian Garfield, Ely Landau und Mitproduzent Otto Plaschkes mit der Besetzung und Inszenierung noch einmal ganz von vorne anfangen. Als erstes schickten sie eine der vielen Drehbuch-Versionen an Regisseur Ronald Neame, der aber nach einigen Mißerfolgen sehr wählerisch geworden war und zuerst ablehnte, obwohl er das Script nicht wirklich schlecht fand. So schnell gaben die Produzenten aber nicht auf und versuchten ihn mit immer neuen Angeboten zu locken, darunter die Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor - aber Ronald Neame konnte nur durch einen Trick für Hopscotch gewonnen werden.
Inzwischen hatte Ely Landau Walter Matthau für die Hauprolle engagieren können, aber der Schauspieler war nicht wirklich von dem Projekt überzeugt und wollte am liebsten Absagen. Matthau dachte sich, daß Ronald Neame nie zusagen würde und bestand deshalb auf ihm als Regisseur, in der Annahme daß die Produktion dann abgebrochen würde. Dann kam es aber völlig anders, denn die Produzenten erzählten Ronald Neame, daß Walter Matthau auf ihm bestehen würde - daraufhin kamen der Schauspieler und der Regisseur zu einem ersten Treffen zusammen und entdeckten, daß sie mit Brian Garfields Script doch eine Menge anfangen konnten, auch wenn daran noch viel Arbeit notwendig war. Sie schlugen dem Autor und den Produzenten vor, das Drehbuch ganz auf Walter Matthau zuzuschneiden - eine Idee, die bei allen Beteiligten auf Begeisterung stieß und für die Produktion von Hopscotch den entgültigen Durchbruch bedeutete.
Spione, wie sie (nicht) im Buche stehen
Walter Matthau war eigentlich überhaupt kein Agenten-Material - den letzten und einzigen Auftritt dieser Art hatte er 1963 in Stanley Donen's Charade gespielt und war dort sogar als Bösewicht unterwegs, aber sonst hatte sich der Schauspieler mehr Charakterdarsteller und unverwechselbarer Komiker, oft an der Seite von Jack Lemmon, einen Namen gemacht. Brian Garfield beschloß deshalb, seiner ursprünglich viel düsteren und zynischeren Geschichte einen lockeren und humorvolleren Ton zu verpassen - nicht nur wegen Walter Matthau, sondern auch weil die Filmemacher der Meinung waren, daß sich der Stoff auf eine zu ernste Weise nicht verfilmen lassen würde. Mit dem Humor wurde allerdings nicht übertrieben, denn der Schauspieler machte aus seinem Charakter Miles Kendig keinen Tolpatsch, sondern einen durchaus realistischen und fähigen Agenten, der ganz jenseits von James Bond und Co. ein leiser und vergnüglicher Antiheld wurde.
Die weibliche Hauptrolle, die reich verwitwete Ex-Agentin Isobel, hatte Brian Garfield gegenüber seiner Romanvorlage stark ausgebaut, um Miles Kendig eine ebenbürtige Kollaborateurin an die Seite zu stellen. Es wäre vielleicht eine schwierige Besetzung gewesen, wenn nicht ein paar Jahre zuvor für die Komödie House Calls ein findiger Regisseur eine ideale und glaubwürdige Partnerin für Walter Matthau gefunden hätte: die britische Schauspielerin Glenda Jackson, die eigentlich überhaupt kein Interesse hatte in einem Agententhriller mitzuspielen. Allerdings hatten ihr die gemeinsamen Dreharbeiten mit Walter Matthau zwei Jahre zuvor soviel Spaß gemacht, daß sie dennoch zusagte und dadurch das zuvor schon bewährte Duo Matthau-Jackson mit all seinem ganz besonderen Charme möglich machte.
Als alternden KGB-Agent Yaskov konnten die Filmemacher Herbert Lom gewinnen, der ganz im Gegensatz zu seinen überdrehten Auftritten als Chefinspektor Dreyfus in Blake Edwards' Pink Panther-Filmen fast ungewohnt reserviert wirkt, aber viel unterschwellige Ironie in seinen Charakter einbringt und dabei noch nicht einmal einen deftigen russischen Akzent nötig hat. Kendigs fieser Vorgesetzter Myerson wird von dem vielbeschäftigten Schauspieler Ned Beatty gespielt, der viel Spaß mit der Rolle des mit Obszönitäten um sich werfenden Bürokraten hat, ohne ihn zu einer völligen Lachnummer zu machen.
Zusammen mit Herbert Lom gehört Ned Beatty zu den bemerkenswertesten Nebendarstellern des Films, aber auch die weiteren Rollen wurden nicht weniger Treffsicher besetzt. Für Kendigs alte Kollegen, die zu seinen Häschern werden, haben die Filmemacher drei ausgezeichnete Schauspieler finden können - den größten Auftritt hat Sam Waterston als Joe Cutter, den sympatischsten der drei unglamourösen Agenten, während Douglas Dirkson den genervten Follet schon deutlich unfreundlicher spielt. Der Dritte im Bunde war Walter Matthaus Sohn David, der hauptsächlich engagiert wurde um dem Hauptdarsteller einen Gefallen zu tun, aber dennoch seinem Charakter Ross viel Individualität verleiht - so ist es auch er und nicht Douglas Dirkson, der in der Schlußszene zusammen mit Sam Waterston, Ned Beatty und Herbert Lom auftritt.
Eine internationale Produktion
Die Inszenierung des Films wurde zu einer kreativen Gemeinschaftsarbeit, denn mit Brian Garfield schrieben sowohl Regisseur Ronald Neame als auch Hauptdarsteller Walter Matthau noch während der Dreharbeiten am Script, das fast in jeder Szene mit neuen Ideen ergänzt wurde. Die Filmcrew und die Schauspieler kamen noch nicht einmal in die Nähe eines Filmstudios, denn durch das großzügige Budget konnte Ronald Neame die Drehorte sehr flexibel wählen und entschloß sich, fast ausschließlich an Originalschauplätzen in Österreich, Deutschland, England und in den USA zu drehen, die von dem legendären Kameramann Arthur Ibbetson unspektakulär, aber sehr sorgfältig und realistisch gesetzt wurden.
Brian Garfields Drehbuch hatte sich im Laufe der Filmproduktion von einem dunklen, zynischen Thriller zu einer lockeren Komödie mit kräftigen satirischen Untertönen gewandelt, was hauptsächlich der beinahe zufällig entstandenen Kombination der beiden Hauptdarsteller zu verdanken ist. Die Filmemacher wußten die Talente von Walter Matthau und Glenda Jackson genau richtig einzusetzen und konnten so Hopscotch zu einer Agenten-Komödie der ganz besonderen Art machen, die sich nicht auf platte Gags und rasante Action, sondern ganz auf das Erzählen der Geschichte und deren Charaktere konzentriert. Hopscotch kommt fast ohne genretypische Verfolgungsjagten, Schießereien oder andere Action-Elemente aus - Ausnahmen bestätigen die Regel - und hat stattdessen überdurchschnittlich viel Dialoge und trotz großer Ruhe eine schnell fortschreitende Handlung zu bieten.
Agenten-Opern
Ein Film mit Walter Matthau ohne Opern wäre undenkbar, und das war bei der Auswahl der musikalischen Begleitung von Hopscotch den Filmemachern durchaus bewußt. Auf eine neu komponierte Filmmusik wurde deshalb nicht aus Budgetgründen verzichtet, sondern weil Ronald Neame und Brian Garfield eine viel bessere Idee hatten und die Liebe des Schauspielers zur klassischen Musik für ihren Film einsetzen wollten. Zusammen mit dem Musik-Editor Ian Fraser gingen die Filmemacher auf die Suche nach passenden Stücken und zählten dabei unter anderem auch auf die Vorschläge von Walter Matthau, der eine ganze Menge Vorschläge und Ideen beisteuerte.
Eine richtige Titelmusik besitzt Hopscotch nicht, wenn man von dem am Drehort aufgenommenen bayerischen Marsch und dem darauf folgenden Oktoberfest-Humpftata absieht. Erst der Beginn der Handlung in Österreich bringt das erste Stück auf den Plan, das passend zur Örtlichkeit Salzburg natürlich nur von Mozart kommen durfte - der erste Satz der elften Klaviersonate war Ideal für die Szenerie auf der Hohensalzburg. Auch für die weitere musikalische Begleitung wurden hauptsächlich Werke von Mozart eingesetzt - von der kleinen Nachtmusik kamen die ersten beiden Sätze zum Einsatz und das Rondo in D-Dur wurde praktisch zum Hauptthema, da es nicht nur zweimal im Film, sondern auch für den Abspann verwendet wurde. Natürlich wurden auch Opern nicht vernachlässigt, bei denen aber nur in der Schlußszene mit dem Ende des ersten Akts von der Hochzeit des Figaro auf Mozart zurückgegriffen wurde, während in zwei weiteren Szenen Ausschnitte aus Rossinis Barbier von Sevilla und Puccinis Madame Butterfly nicht als Hintergrundmusik vorkommen, sondern von Walter Matthaus Charakter im Film selbst angehört und mitgesungen werden.
Die Rache des Agenten
Hopscotch war zwar nur eine relativ kleine unabhängige Produktion, aber mit dem ausgefeilten Drehbuch und den hervorragenden Schauspielern konnte Ronald Neame den Film trotzdem zu einem überraschenden Erfolg machen. In den USA wurde Hopscotch nach der Kinopremiere im Herbst 1980 ein vielfaches seiner Produktionskosten wieder einspielen, aber leider schaffte es der Film in Europa nicht überall auf die Leinwände. In Deutschland hatte es der Film nie auf die Kinoleinwände geschafft und wurde erst 1985 unter unpassenden Titeln wie Bluff Poker - Ein Schlitzohr packt aus oder Der Aussteiger in die Videotheken gebracht. Seit Ende der achtziger Jahre war Hopscotch aber unter dem Titel Agentenpoker auch öfter im Fernsehen zu sehen, wo er dank der vom ZDF neu erstellten, recht gut gelungenen Synchronfassung zu einem Geheimtip für Filmliebhaber wurde. Auch in den USA und in England war Hopscotch zu einem Dauerbrenner im Fernsehen geworden, aber genauso wie in Deutschland war der Film mit der abnehmenden Anzahl von TV-Ausstrahlungen langsam, aber sicher in Vergessen geraten - wenn es nicht doch noch eine DVD-Veröffentlichung gegeben hätte.
Die DVD
Hopscotch war lange Zeit weder auf VHS noch als DVD erhältlich, was besonders deutsche Filmliebhaber ärgerte, die den Film deswegen nie in der englischen Originalfassung zu sehen bekamen. 2002 überraschte aber ausgerechnet die Criterion Collection mit der Ankündigung, Hopscotch endlich als DVD zu veröffentlichen und nahm den Film mit der Nummer 163 in das illustre Programm auf. Auch wenn materialbedingt nicht die allerbeste Bildqualität geboten wird, ist sie trotzdem wegen der Seltenheit des Films ein ganz besonderes Juwel, dem man die nicht ganz perfekte technische Umsetzung durchaus verzeihen kann - alleine der Umstand, daß erstmals die englische Originalfassung und das Original-Bildformat geboten werden, macht diese DVD auf jeden Fall lohnenswert.
Da Criterion den Film offenbar vom französischen Rechteinhaber StudioCanal lizensiert hatte, gab es auch die Hoffnung auf eine deutsche DVD von Kinowelt, die aber auch nach fast acht Jahren nie erschienen ist. 2008 hatte das britische Label Second Sight in England eine DVD des Films herausgebracht, die zwar das gleiche Bildmaterial wie die Criterion und sogar deren Extras enthielt, aber nur die zensierte Tonspur besaß und so trotz des niedrigen Preises keine wirkliche Alternative ist. Deshalb bleibt bis heute die hier rezensierte Criterion-DVD von Hopscotch die beste Version des Films, zumal die Disc Regionalcode 0 besitzt und heute nicht mehr ganz so teuer wie andere Criterion-DVDs ist.
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