Allgemeines
Zwischen 1929 und 1940 drehten die Marx Brothers insgesamt
zehn Filme bei drei verschiedenen Studios und hatten sich damit nicht
gerade auf die faule Haut gelegt. Nach der Beendigung der Dreharbeiten
von Go West wurde allgemein schon mit einem Abschied gerechnet,
und das nicht nur weil ihre Filme immer öfter von den Kritikern verrissen
wurden und es an der Kinokasse längst nicht mehr so gut klingelte
wie früher - insgeheim dachten die Marx-Brothers nach Beendigung
des Fünf-Filme-Vertrags bei MGM schon lange ans aufhören.
Die Werbekampagne für ihren letzten MGM-Film The Big Store versuchte
erst gar nicht zu verheimlichen, daß es der letzte Film der Marx
Brothers sein wird - möglicherweise, denn so hundertprozentig wollten
sich die Brüder da nicht festlegen. Für den Moment war es aber
erstmal ein definitiver Abschied, für den sie sich noch einmal richtig
ins Zeug legten. Die Suche nach einer neuen Idee muß einiges an
Brainstorming erfordert haben, und während die drei Drehbuchautoren
zwar keine Erfahrung mit den Marx-Brothers hatten, ist es ihnen dennoch
gelungen eine einigermaßen zusammenhängende Geschichte zu schreiben,
die perfekt auf die Marx Brothers paßt.
The Big Store hat die besten Zutaten für einen klassischen
Marx-Brothers-Film seit A Night at the Opera - Groucho Marx spielt
Wolf J. Flywheel (ein Name, der direkt aus der Marx Brothers Radio Show
stammt), einen windigen Privatdetektiv, der Tony Martin (Tommy Rogers),
einem Sänger und Teilbesitzer eines Kaufhauses beschützen soll.
Der will seine Hälfte des Phelps Department Store mit einverständnis
der Besitzerin Martha Phelps (Margaret Dumont in ihrer letzten gemeinsamen
Rolle mit den Marx Brothers) verkaufen um sein altes Musikkonservatorium
zu retten, in dem auch sein alter Kumpel Ravelli (Chico Marx) arbeitet.
Martha Phelps schleppt den inkompetenten Flyweel samt seinem Diener/Fahrer/Faktotum
Wacky (Harpo Marx) an, und stellt damit das ganze Kaufhaus auf den Kopf.
Die Kaufhaus-Szenerie mag heutzutage kindisch wirken, bietet aber die
Gelegenheit für viel Unsinn der Marx Brothers, den man seit ihren
frühen Paramount-Filmen nicht mehr gesehen hat. Sogar der ironische,
satirische Faktor geht dabei nicht ganz verloren, denn hier wird nicht
nur ein Kaufhaus auseinandergenommen, sondern auch ganz nebenbei so manche
Konsumverrücktheit der vierziger Jahre auf die Schippe genommen.
Auch dieser Film beginnt nicht mit einem endlosen Subplot, sondern gleich
mit einem kurzen Klaviernummer von Chico, die bald von einer der besten
Auftritte von Groucho und Harpo gefolgt wird: die Szene in Flywheels Büro,
zu der hinterher auch noch Margaret Dumont dazukommt, hätte genausogut
aus einer der Broadway-Shows der Marx-Brothers stammen können. Ganz
ähnlich wirkt die große, von Groucho angeführte Sing- und Tanznummer Sing
while you sell, die im Gegensatz zu früheren ähnlichen Nummern überhaupt
nicht angestaubt, sondern sehr flott und jazzig wirkt.
Chicos und Harpos musikalische Auftritte sind hier auch bemerkenswerter
als in den anderen Filmen - die beiden teilen sich ein Klavier, was zu
einer der humorvollsten obligatorischen Klaviernummer aller Marx-Brothers-Filme
führt. Harpos Harfen-Einlage ist ebenfalls wunderbar originell als Traumsequenz
völlig Zuschauer inszeniert worden. Die anderen zwei Musiknummern verblassen
dagegen natürlich stark und wirken wie in den anderen Filmen etwas
fehl am Platz, sind aber noch einigermaßen erträglich.
The Big Store glänzt vor allen Dingen durch ein überraschend
gutes Timing bei den Sketchen, die Gags zünden in diesem Film besonders
gut. Das ist anscheinend nicht nur den Drehbuchautoren zu verdanken, sondern
auch Regisseur Charles Riesner, der schon mit Charlie Chaplin und Buster
Keaton gearbeitet hat. Slapstick-Humor war schon immer ein wichtiges Element
der Marx Brothers, was in The Big Store besonders gut durchchoreographiert
wurde und besser funktioniert als bei den meisten anderen Filmen. Ein
kleiner Rückschritt ist allerdings die Schlußsequenz, die wie bei allen
MGM-Filmen der Marx-Brothers typisch als konventionelle Hollywood-Action
gehalten ist, bei der die Tricktechnick hier besonders altmodisch aussieht.
Fast seltsam wirken hier auch die eingefügten Soundeffekte, die dieser
Szene einen starken Cartoon-Charakter geben.
The Big Store wurde von den Kritikern in der Luft zerrissen,
die den Marx Brothers keine Träne nachweinten - im Gegensatz zum Kinopublikum,
das vom vorläufig letzten Film der Marx Brothers begeistert war. Wahrscheinlich
waren es die doch nicht so schlechten Einspielergebnisse, die The
Big Store doch nicht zum allerletzten Film der Marx Brothers gemacht
haben und die Brüder fünf Jahre später noch einmal in A Night in Casablanca
zusammenbrachte. Dieser Film ist dafür ein krönender Abschluß ihrer recht
wechselhaften Karriere bei MGM und nach A Night at the Opera
und A Day at the Races sicher der Film, der ihren frühen Paramount-Meisterwerken
am nächsten kommt.
The Big Store wurde von Warner erstmals im Rahmen der Marx-Brothers-Collection
als DVD veröffentlicht und ist auf einer doppelseitigen DVD zusammen mit
Go West untergebracht worden. Die Qualität
ist gegenüber den anderen Filmen der Box etwas enttäuschend, und auch das
Bonusmaterial ist sehr spärlich, aber als Teil der Sammlung ist der Film
trotzdem unverzichtbar.
Weitere Marx-Brothers-Reviews: A Night
at the Opera | A Day at the Races |
Room Service | At
The Circus
Go West | A
Night in Casablanca |
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Bild
Obwohl es sich hierbei um den zweitneuesten Marx-Brothers-Film
handelt, ist die Bildqualität fast schon die schlechteste von den sieben
Filmen der DVD-Box. Die recycelten Transfer der vorherigen drei Filme
waren noch einigermaßen akzeptabel, aber hier kommen zu der durch einen
zu starken Rauschfilter verursachten Unschärfe auch noch deutliche Defizite
bei Kontrast und Helligkeit, die durch eine schlechte Vorlage verursacht
werden. The Big Store war der einzige Marx-Brothers-Film, der
nie im Turner-Spielfilmkanal TCM lief, weshalb hier wahrscheinlich auch
kein entsprechendes Master vorlag und ein anderes verwendet wurde.
Die Filmvorlage scheint aus verschiedenen Quellen zu stammen und hat deutlich
sichtbare Qualitätsunterschiede, die sich stellenweise in Beschädigungen,
wackelndem Bildstand und anderen Problemen deutlich bemerkbar machen.
Richtig sichtbar werden diese Probleme allerdings nur bei genauerer Betrachtung
- wenn man nicht geraden an einem hochauflösenden Display sitzt oder den
Bildschirm mit der Lupe absucht, ist dieser Transfer noch gerade erträglich.
Dieser Film hat aber eine wenigstens teilweise Restauration am allermeisten
nötig.
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Ton
Die Tonqualität bewegt sich auf einem anständigen Niveau, aber bei einem so alten Film sollte man natürlich auch hier keine
Wunder erwarten. Man hört der Tonspur ihr Alter natürlich deutlich an, aber wirklich schlimme Störungen sind hier nicht
zu hören. Das wichtigste, die gute Verständlichkeit der Stimmen ist kein Problem, nur die Musik leidet etwas unter den üblichen
Einschränkungen, die aber nicht so sehr stören wie bei den älteren Marx-Brothers-Filmen.
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