Der Film
Casablanca, kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs. Die Manager des lokalen Hotels werden am laufenden Band ermordet und die neueste Zilscheibe ist Ronald Kornblow (Groucho Marx), der als erstes das Hotel aus lauter Spaß ein wenig durcheinanderwirbelt. Der Grund für den Managerschwund ist ein Schatz, den der französische Pilot Pierre Delbart unter Zwang der Nazis von Deutschland nach Südamerika bringen sollte - eine geplante Bruchlandung im französisch kontrollierten Casablanca sollte das verhindern, aber während Delbart von den Behören verhört wurde, haben die deutschen Spione das Flugzeug ausgeräumt und die Beute im Hotel Casablanca versteckt. Heinrich Stubel (Sig Ruman), der Boß der deutschen Spione, hat sich zusammen mit seiner Assistentin Beatrice (Lisette Verea), seinen Handlangern und seinem Diener Rusty (Harpo Marx) im Hotel eingenistet, um es zu übernehmen. Das wissen Kornblow, sein neuer Leibwächter Corbaccio (Chico Marx) zusammen mit Rusty, der keine Lust mehr hat sich von Stubel zu demütigen lassen, auf ihre ganz besondere Weise zu verhindern.
Nachdem die Marx Brothers 1941 mit ihrem insgesamt elften Film The Big Store ihren Vertrag bei Metro-Goldwyn-Mayer erfüllt hatten, verabschiedeten sie sich von der Leinwand, traten offiziell in den Ruhestand und gingen ihre eigenen Wege. Dabei wäre es wahrscheinlich auch geblieben, wenn nicht Chico Marx einen Hang zum Glückkspiel gehabt hätte. Obwohl seine Brüder keine finanziellen Probleme wie er hatten, hielten sie zusammen und beschlossen doch noch einmal gemeinsam vor die Kamera zu treten und einen weiteren, echten Marx-Brothers-Film zu machen.
Ursprünglich sollte es eine direkte Parodie auf Casablanca werden, aber eine kuriose Streitigkeit mit Warner, die in einem legendären Briefwechsel zwischen Groucho Marx und dem Hollywoodstudio gipfelte, wurden die Marx Brothers vorsichtiger und entschlossen sich Kriegsmelodramen generell auf die Schippe zu nehmen. Der Titel sollte aber trotzdem bei A Night in Casablanca bleiben, allerdings hatte der Film mit Michael Curtiz' Film natürlich kaum etwas gemeinsam.
Die Marx Brothers ließen sich von den Autoren Joseph Fields und Roland Kibbee eine maßgeschneiderte Geschichte schreiben, die gleichermaßen eine brilliante Satire auf Weltkriegs-Dramen als auch eine reinrassige Marx-Brothers-Komödie war. A Night in Casablanca gab sich nicht mit einem harmlosen Rettet-die Oper/das Kaufhaus/das Sanatorium/etc-Plot zufrieden, sondern hatte gleich eine ausgewachsene Kriegs- und Spionage-Geschichte zu bieten, die nur dazu da ist um vom den Marx Brothers in ihre Bestandteile zerlegt zu werden. Der Film läßt mit dem ersten Auftrit von einem der Brüder sehr viel Zeit, geschweige denn bis sie einmal alle drei gleichzeitig zusammenkommen - aber das macht erstaunlicherweise nichts aus, denn im Gegensatz zu vielen anderen ihrer Filme ist es auch hier dann spannend und unterhaltsam, wenn sie einmal nicht auf der Leinwand zu sehen sind.
Das ist vor allen Dingen den Nebendarstellern zu verdanken, die den Film zwar nicht dominieren, aber auch keine so schwachen Charaktere wie in den anderen Marx-Brothers-Filmen spielen. Allen voran ist hier Sig Ruman zu erwähnen, der schon in A Night at the Opera und A Day at the Races zu sehen war und hier zu einer Art viertem Marx-Brother wird - ein Status, den er von der hier leider abwesenden Margaret Dumont geerbt zu haben scheint. Ruman ist hier aber nicht nur als inaktives Opfer der Brüder zu sehen, sondern hat jede Menge Raum selbst zu agieren und ist in einigen der Sketch-artigen Szenen in die gut geölte Marx-Comedy-Maschine integriert worden. Abgesehen von den Handlangern seines Charakters darf Ruman als einziger im Film außer den Marx Brothers komisch sein, während die anderen Nebenrollen alle relativ ernst, aber nicht langweilig gespielt werden.
A Night in Casablanca ist in vieler Hinsicht ein ungewöhnlicher Marx-Brothers-Film, was aber in diesem Fall durchweg positiv ist. Das Drehbuch ist ungewöhnlich intelligent, scharfzüngig und erwachsen, denn dieser Film nimmt keine Rücksicht auf jüngere Zuschauer - ein Vorteil der unabhängigen Produktion, die nur von United Artists vertrieben, aber nicht produziert wurde.
Während die Marx Brothers natürlich wieder ihre typischen Rollen spielen, kommen ihre Charaktere nicht wirklich zum Zug - vielleicht ein dezenter Hinweis darauf, daß man nicht ewig jung bleibt. In einer Art von Running Gag schafft es keiner der Marx Brothers, das zu tun was er sonst am liebsten macht: Groucho kommt nicht dazu eine Frau rumzukriegen, die ihn auch rumkriegen will (wobei gar kein finanzieller Faktor im Spiel ist), Chico hat keine große Gelegenheit zum begaunern und betrügen und Harpo darf weder etwas zerstören, klauen noch Frauen jagen.
Das musikalische Nebenprogramm ist kaum existent. Spontane Singausbrüche gibt es hier nicht, nur eine kurze Gesangsnummer, von der man aber auch nur den Schluß mitbekommt. Die Marx-Brothers-eigenen Nummern sind dagegen wie verträumte Abschiedsvorstellungen inszeniert: Chico läßt sich am Klavier vom Orchester begleiten ("We're gonna play a little classical number. We're gonna play the second movement from the beer barrel polka."), und Harpo hat wie in The Big Store kein Publikum, weil er seine Harfe in der versteckten Kriegsbeute findet. Musikalisch ist das natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Repertoire der Marx-Brothers, aber hier merkt man daß Chico und Harpo ihre Musik genau ausgewählt haben. Es ist ein bißchen schade, daß Groucho nicht auch noch einen Song darzubieten hat, aber das hätte hier nicht so recht in den Film gepaßt.
A Night in Casablanca ist, wie Groucho es selbst zugegeben hat, der Schwanengesang der Marx Brothers, in dem sie noch einmal richtig zulegen und die Schwächen ihrer früheren Filme wieder gut machen. Dieser Film ist vielleicht ihr niveauvollster seit Duck Soup - ob es allerdings ihr bester ist, darüber scheiden sich die Geister. Zuschauer und Kritiker waren jedoch gleichermaßen begeistert und attestierten den Marx Brothers allerhöchstens geringe Alterserscheinungen. Trotzdem sollte A Night in Casablanca der letzte wirklich gemeinsame Film der Marx Brothers bleiben - 1950 drehten sie mit Love Happy zwar noch einen letzten Film, der aber mehr ein Vehikel von Harpo war und in dem seine Brüder nur Nebenrollen spielten. So ist A Night in Casablanca der letzte Geniestreich von drei brillianten Komikern, die genau wußten, wann ihre Zeit zum Aufhören gekommen war.
Die DVD
Ausgerechnet Warner, das Studio, mit dem sich die Marx Brothers über Inhalt und Titel ihres letzten Films gestritten hatten, brachte 2004 A Night in Casablanca als DVD im Rahmen der Marx-Brothers-Collection heraus - eine Ironie, an der die Brüder ihre helle Freude gehabt hätten. Dabei ist Warner mit ihrem letzten gemeinsamen Film richtig gut umgegangen: obwohl hier auch keine umfangreichen Extras dabei sind, wurde ein überraschend gut aussehender neuer Transfer gemacht und auch die Tonspur kann sich hören lassen. A Night in Casablanca ist nicht nur zusammen mit den anderen sechs Filmen zusammen als Boxset zu haben, sondern wie A Night at the Opera und A Day at the Races auch einzeln - allerdings zu einem deutlich höheren Preis als zusammen in der Box.
Die hier rezensierte DVD ist die amerikanische Ausgabe, in der deutschen Marx-Brothers-Collection von Warner ist A Night in Casablanca leider nicht enthalten und wurde erst Jahre später von einem anderen Studio veröffentlicht.
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Bild
Da die Transfer der Marx-Brothers-DVDs von Warner nach den ersten zwei Filmen immer schlechter aussahen, war bei A Night in Casablanca schlimmes zu befürchten - tatsächlich hat Warner für diesen Film aber eine ganz neue Abtastung machen lassen, die sogar noch besser aussieht als die Transfer von A Night at the Opera und A Day at the Races.
Die verwendete Filmvorlage ist in keinem perfekten, aber sehr guten Zustand. Fussel und Kratzer wurden so gut wie möglich entfernt und sind nur noch selten sichtbar und fallen dann auch nicht wirklich auf. Die relativ hohe Grundkörnigkeit, die für einen Film dieses Alters aber ganz normal ist, wurde weitgehend belassen und nicht durch einen Rauschfilter bearbeitet, was dieser DVD ein sehr filmähnliches, natürliches Aussehen gibt. Die Schärfe stellt zwar keine Rekorde auf, ist aber den Umständen entsprechend mehr als zufriedenstellend. Während es keine Probleme mit Helligkeit und Kontrast gibt, ist das einzige wirkliche Manko des Transfers der gelegentlich etwas instabile Bildstand, was aber auch nur in einer handvoll Szenen auftritt und sonst nicht zu bemerken ist.
Diese DVD zeigt, wie gut ein neuer Transfer eines so alten Films auch ohne eine aufwendige Restauration aussehen kann. Es ist bemerkenswert, daß Warner von einem "eingekauften" Film eine neue Abtastung hat machen lassen, aber nicht von den "eigenen" drei Marx-Brothers-Filmen aus der MGM-Filmbibliothek - vielleicht mußte von A Night in Casablanca aber auch nur ein neuer Transfer gemacht werden, weil bis jetzt keiner existiert hat.
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