Der Film
Der brave FBI-Agent Barney Coopersmith (Rick Moranis) glaubt es nur mit einem Routine-Auftrag zu tun zu haben, als er den Mafia-Aussteiger Vincent Antonelli (Steve Martin) im Zeugenschutzprogramm betreuen soll. Vincent mag aber mit seinem beschaulichen neuen Leben nichts so richtig anzufangen und nachdem ihm auch noch seine Frau wegläuft, fällt er ganz zum entsetzen von Barney in seine alten Gewohnheiten zurück und geht auch bald der frustrierten Bezirks-Staatsanwältin Hannah Stubbs (Joan Cusack) auf die Nerven...
Es war längst nicht die erste Mafiakomödie der Filmgeschichte, aber eine mit der interessantesten Entstehungsgeschichte: My Blue Heaven basierte auf einer wahren Begebenheit und war eigentlich die Fortsetzung eines völlig anderen Films. Begonnen hatte alles 1986, als der Autor Nicholas Pileggi die Geschichte des Mafia-Mobsters Henry Hill in seinem Buch Wiseguy festgehalten hatte, das bald die Aufmerksamkeit von Regisseur Martin Scorsese erregt hatte und zu Goodfellas, einem der besten Mafiafilme der Filmgeschichte, führte. Die Geschichte von Henry Hill hörte in Goodfellas jedoch an dem Zeitpunkt auf, an dem der Gangster ins Zeugenschutzprogramm flüchtet und zu einem ganz normalen amerikanischen Bürger wurde.
Nicholas Pileggis Frau Nora Ephron, selbst eine erfolgreiche Drehbuchautorin, fand aber, daß sich die Geschichte von Henry Hill auf eine mehr fiktive und humorvolle Weise weitererzählen ließ und schrieb parallel zu Goodfellas ein eigenes Drehbuch. Während sich Nicholas Pileggis und Martin Scorseses Film eng an die wahren Begebenheiten gehalten hatte, nahm sich Nora Ephron mehr künstlerische Freiheiten und basierte ihr Script zwar auf dem Konzept eines Mafia-Gangsters im Zeugenschutzprogramm, aber weder der Protagonist noch der Plot hatten viel mit der Realität zu tun, Dafür hatte die Autorin die Geschichte von Vincent Antonelli alias Todd Wilkinson nicht nur auf den Hauptcharakter beschränkt, sondern sich auch noch einen romantischen Subplot über seinen FBI-Aufpasser und eine Staatsanwältin ausgedacht und als dialoggetriebene Ensemble-Komödie mit stark satirischen Elementen umfunktioniert.
My Blue Heaven hatte ein ungewöhnliches Zuhause gefunden: wie Goodfellas war der Film auch bei Warner Brothers untergebracht worden, aber Nora Ephron konnte ein überraschendes Team von Filmemachern für ihr Drehbuch gewinnen. Produziert wurde My Blue Heaven von der gemeinsamen Firma, die Schauspielerin Goldie Hawn und die frühere Kostüm-Designerin Anthea Sylbert Ende Mitte der achtziger Jahre gegründet hatten und die eigentlich nur Hawns eigene Filme gedacht war. Damit kam auch der Regisseur Herbert Ross ins Spiel, der schon zuvor mit Goldie Hawn gearbeitet hatte und sich seit den siebziger Jahren als vielseitiger Spezialist hauptsächlich für Komödien, aber auch Dramen einen Namen gemacht hatte.
Ursprünglich war der Film als ein Vehikel für Arnold Schwarzenegger als Ex-Mafioso und Steve Martin als FBI-Agent gedacht, aber nachdem Schwarzenegger abgesagt hatte um in Ivan Reitmans wahrscheinlich besser bezahltem Kindergarten Cop aufzutreten, fehlte der Produktion plötzlich ein Hauptdarsteller. Dieses Problem erwies sich aber als Glücksfall, denn Steve Martin hatte sich kurzerhand entschieden, statt dem verklemmten FBI-Mann den lockeren Mafioso zu spielen und machte sich die Rolle ganz zu eigen. Mit einem knallharten New-York-Akzent und einem brillianten komödiantischen Timing, das er seinen Anfängen als Standup-Comedian zu verdanken hatte, war sein Vincent Antonelli der Höhepunkt seiner Karriere - eine witzigere Rolle kam Steve Martin nie wieder unter und zusammen mit Nora Ephron war es ihm gelungen, seinen Charakter wundervoll zum Leben zu erwecken.
Der Ersatz für Steve Martins ursprüngliche Rolle war nicht die zweite Wahl, sondern derjenige, der ursprünglich dafür vorgesehen war, aber erst jetzt Zeit im Terminkalender hatte: Komödiant Rick Moranis, der seine Karriere in der Chicagoer Second City-Comedytruppe begonnen hatte und seit Ghostbusters zu einem Comedy-Star geworden war. Moranis und Martin waren sich bereits 1986 in Franz Oz Musical-Verfilmung des Horror-Klassikers Little Shop of Horrors begegnet und standen drei Jahre später wieder in Ron Howards Komödie Parenthood gemeinsam vor der Kamera. Genauso wie für seinen Kollegen war auch sein Auftritt als Barney Coopersmith die Krönung seiner Karriere, denn hier spielte er einmal nicht als völliger Clown, sondern konnte sich als etwas subtilerer Komödiant beweisen.
Für die frustrierte Bezirksstaatsanwältin Hannah Stubbs hatten die Filmemacher ursprünglich Michelle Pfeiffer ausgewählt, die aber gerade zwischen The Fabulous Baker Boys und The Russia House absolut unabkömmlich war und schließlich durch die wundervolle Joan Cusack ersetzt worden, die ihre Karriere unter anderem bei Saturday Night Live begonnen hatte und bisher nur relativ kleine Kino-Nebenrollen gespielt hatte. Joan Cusack war in aber nicht nur das fünfte Rad am Wagen, denn ihr Charakter hatte praktisch genausoviel Leinwand-Präsenz wie Steve Martin und Rick Moranis, mit denen sie sich zahlreiche genüßliche Wortgefechte lieferte. Die Wandlung von der zickigen Anwältin, die ihren ganzen Frust an ihrem Job ausläßt, zur lebensfreudigen jungen Frau hatte Joan Cusack auf eine völlig lockere und humorvolle Weise spielen können, ohne daß die Geschichte zum Drama geworden wäre.
Auch bei den kleineren Rollen hatten die Filmemacher großes Fingerspitzengefühl bewiesen und viele unvergeßliche Schauspieler gefunden. Besonders gelungen war die Gruppe von fast unbekannten Darstellern, die Vincents Familie spielten - darunter auch William Hickey, der den Mafia-Don in Prizzi's Honor gespielt hatte und Julie Bovasso als Mama Antonelli in einer Rolle, die sie einige Jahre zuvor auch schon in Brian DePalmas Mafiakomödie Wise Guys inne hatte. Auch Melanie Mayron als Hannas Polizei-Kollegin ist trotz ihres nur relativ kurzen Auftritts ein Vergnügen, genauso wie der auch kaum bekannte Bill Irwin als Barneys enthusiastischer FBI-Kollege Kirby. Carol Kane ist sich nicht zu schade eine köstliche Parodie auf den Stereotyp eines dummen Blondchen als Vincents neue Frau Shaldeen zu spielen.
Mafiakomödien wie The Gang That Couldn't Shoot Straight, Pulp oder Wise Guys hatten vorgemacht, wie man auch mit einem eigentlich sehr dramatischen Thema viel Spaß haben kann, aber Nora Ephron und Herbert Ross hatten nicht zu sehr über die Stränge geschlagen und ihren Humor sehr fein kalibriert - und natürlich haargenau auf die beiden Hauptdarsteller zugeschnitten. Der Film wurde im titelgebenden "Blue Heaven" Kalifornien und in den Warner Studios in Burbank gedreht, wo natürlich eine stark stilisierte Version der perfekten kalifornischen Umgebung entstanden war, die aber perfekt zur Atmosphäre des Films paßt. Die Produktion war nicht besonders aufwendig, wurde aber sehr elegant in Szene gesetzt und hätte bei den brillianten Schauspielern auch in einer aus Holz gezimmerten Kulisse gedreht werden können.
Zusammengehalten wird My Blue Heaven aber ganz besonders durch die wundervolle Musik von Jazz- und Popspezialist Ira Newborn, der den Film mit einem ganz besonderen Sound ausgestattet hatte. Ob die Auswahl des Titelsongs für den Filmtitel verantwortlich war oder umgekehrt ist nicht überliefert, aber Fats Domios berühmte Version von 1956 war die ideale Wahl für den Film und macht gleich zu Beginn die fröhliche, aber ironische Atmosphäre deutlich. Im Vorspann wurde aber nicht die Urfassung, sondern eine von Ira Newborn mit einem Intro und einer gedoppelten Instrumentierung versehenen Version verwendet, während kurze Saxophon-Instrumentals als Erkennungsmelodie für die zahreichen Titelkarten zum Einsatz kamen.
Zwei andere unbearbeitete Oldies waren auch noch dabei: Stranger in Paradise und The Boy From New York City und natürlich auch noch ein paar Takte von New York, New York in den entsprechenden Szenen. Der wirklich bemerkenswerte Teil der Filmmusik war aber der Merengue, diese besondere südamerikanische Salsa-Variante, in dessen Stil Ira Newborn eine fantastische, ohrwurmverdächtige Tanznummer geschrieben hatte. Dieses Stück war exklusiv für die beiden gelungen geschnittenen Tanzmontagen entstanden und war sonst nur im Abspann zu hören. Leider war nie ein Soundtrack-Album des Films erschienen, offenbar weil die Filmmusik insgesamt weniger als zwanzig Minuten ausmacht.
My Blue Heaven ist weniger eine simple Komödie als eine liebevolle Parodie auf das gesamte Mafiafilm-Genre und kann nicht nur mit dem fantastischen Schauspieler-Trio Steve Martin, Rick Moranis und Joan Cusack begeistern, sondern auch mit Herbert Ross schwungvoller Inszenierung von Nora Ephrons ausgefeiltem Drehbuch und natürlich Ira Newborns perfekter Musik. Es war ein Film, bei dem viele Faktoren zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle waren und zu einem fantastischen Ergebnis geführt hatten, aber die relativ traditionelle Machart hat My Blue Heaven schnell in Vergessen geraten lassen. Heute wird der Film oft nur noch als eine Fußnote in Steve Martins langer Karriere angesehen, obwohl sich darin eigentlich ein kleines, aber feines komödiantisches Juwel mit einem sehr interessanten Hintergrund verbirgt.
Die DVD
In den neunziger Jahren war My Blue Heaven nur schwer als Video zu bekommen, lediglich in England war eine VHS-Ausgabe erschienen, die leider in Pan&Scan war. Als Warner 2004 endlich in den USA eine DVD des Films herausgebracht hatte, war die Enttäuschung groß, denn das Bild war immer noch seitlich stark beschnitten und die Bildqualität nicht viel besser als eine Videokassette. Das war vor allen Dingen deswegen ärgerlich, weil ein Jahr zuvor in Australien My Blue Heaven mit anamorphem Widescreen-Bild erschienen war und diese DVD lange Zeit die beste Version des Films blieb. 2006 war dann endlich auch eine deutsche DVD mit dem Widescreen-Bildmaster erschienen, die ab 2008 auch in England zu haben war - bis auf die australische DVD sind aber inzwischen alle anderen Ausgaben inzwischen wieder out-of-print und nur noch als Restposten zu bekommen.
Die hier rezensierte DVD ist die australische Veröffentlichung von 2003, die aber Regionalcode 2 und 4 besitzt, mit der in England erschienenen Disc identisch ist und bis auf die fehlende deutsche Tonspur auch der hiesigen Ausgabe ähneln dürfte. Die Bildqualität entspricht eher einem Transfer vom Ende der neunziger Jahre und ist zwar anschaubar, aber längst nicht perfekt - dafür ist der Ton sehr gut gelungen. Extras gibt es leider überhaupt keine, aber man kann schon dankbar sein, daß es dieser wundervolle Film überhaupt auf eine DVD geschafft hat. Wenn man nicht auf die deutsche Synchronfassung angewiesen ist, kann man adiese australische DVD z.B. bei EzyDVD sehr günstig für unter zehn Euro bekommen.
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Bild
My Blue Heaven war zwar "flat" in 1.85:1 gedreht worden, aber das Kameranegativ muß wohl hart gemattet gewesen sein, denn frühere VHS-Kassetten und sogar die US-DVD waren seitlich beschnitten, was man deutlich beim Übergang vom Letterboxed-Vorspann auf das Fullscreen-Bild sehen konnte. Das Bild der australischen R2/4 DVD wurde jedoch in Widescreen abgetastet und zeigt den Film endlich in seinem viel besser aussehenden Originalformat - die Bildqualität ist allerdings nicht besonders beeindruckend.
Obwohl die DVD erst 2003 erschienen war, macht die Abtastung mehr den Eindruck aus der Frühzeit des Mediums vom Ende der neunziger Jahre zu sein und sieht ähnlich wie die frühen Warner-DVDs von Batman, Beetlejuice und anderen Filmen, mit dem das Studio 1997 den DVD-Markt erschlossen hatte. Auffällig ist vor allem die sehr niedrige Schärfe, die das Produkt einer extrem starken Rauschfilterung ist. Filmkörnigkeit kann man hier vergeblich suchen, wodurch das Bild einen sehr digitalen und völlig plattgefilterten Eindruck macht. Immerhin war die Filmvorlage relativ sauber, so daß auch ohne ein ausführliches digitales Cleanup nur sehr wenige Verschmutzungen und keinerlei Beschädigungen zu sehen sind.
Störend ist allerdings der sehr wackelige Bildstand, der das Filmbild auch in ruhigen Szenen immer etwas hin- und herruckeln läßt - möglicherweise war dies aber nicht die Schuld des Transfers, sondern der verwendeten Filmkopie, denn sogar Tim Burton's Batman hatte auch bei einem neuen HD-Transfer mit diesem Problem zu kämpfen. Immerhin flattert oder wabert das Bild nicht und ist auch sonst relativ stabil. Der 91 Minuten lange Film wurde auf einer einseitigen DVD untergebracht und obwohl der Platz auf der Disc mit 3,72 GB nicht voll ausgenutzt wurde, reicht die Bitrate von etwa 5,5 Mbit/s völlig aus, um Probleme mit Kompressionsartefakten zu verhindern.
Einen filmähnlichen Transfer kann diese DVD bei weitem nicht bieten, aber die Bildqualität hätte trotzdem viel schlimmer sein können - den Umständen entsprechend kann man mit diesem Transfer eigentlich ganz zufrieden sein.
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