The Pirates! In an Adventure with Scientists
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3.9.2012 #546

von Guido Bibra

Titel The Pirates! In an Adventure with Scientists (UK)
The Pirates! Band of Misfits (US) / Die Piraten! Ein Haufen merkwürdiger Typen (DE)
Studio Aardman / Sony Animation / Columbia Pictures (2012)
Hersteller Sony Home Entertainment (2012) EAN 4-030521-726932
DVD-Typ 9 (6,44 GB) Bitrate ø 6,83 max. 9,9
Laufzeit 84:24 Minuten Kapitel 16
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Amaray I Weiß
Fernsehnorm PAL
Bildformat 2.35:1 16:9 ja
Tonspuren Dolby Digital 5.1 Surround 448 kbit/s Englisch, Deutsch, Italienisch 2.0 Surround 192 kbit/s Türkisch, Kommentar
Untertitel Englisch, Deutsch, Italienisch, Türkisch
Freigabe FSK 0
Extras • Mr. Bobos Lernkartei
• Kommentar der Filmemacher
• Von Stop bis Motion
• Gestaltung der Badewannenjagd

Der Film

Er möchte unbedingt den Pirate of the Year Award gewinnen, aber der Pirate Captain und seine loyale Crew haben gegen die angeberische Konkurrenz keine große Chance. Frustriert und schon kurz davor seinen Säbel für immer aufzuhängen, unternimmt der Captain angefeuert durch seine Crew noch einen letzten Versuch, soviel Beute wie nur möglich zu machen. Nach vielen Fehlschlägen entern die Piraten schließlich ein Schiff, auf dem sich ausgerechnet Charles Darwin befindet - enttäuscht davon, daß dessen Expedition auch kein Gold zu bieten hat, wollen sie Darwin schon über die Planke schubsen... aber da entdeckt der Naturwissenschaftler, daß der vermeintliche Papagei der Piraten in Wahrheit ein eigentlich für ausgestorben gehaltener Dodo ist. Um seine Haut zu retten, macht Darwin den Vorschlag, nach London zu reisen - dort will er den seltenen Vogel auf einem wissenschaftlichen Kongress präsentieren und verspricht den Piraten ein sattes Preisgeld...

 


Als sich nach fast zehn Jahren Zusammenarbeit und drei Kinofilmen das britische Stopmotion-Animationsstudio Aardman und die amerikanischen CGI-Trickfilmer von Dreamworks wegen kreativen Differenzen voneinander getrennt hatten, gab es viele, die den Engländern keine Chance mehr auf der großen Leinwand gegeben hatten. Nach ihrem ersten großen Kinoerfolg Chicken Run hatte Aardman fünf Jahre lang daran gearbeitet, die größten Helden des Studios in Wallace & Gromit in The Curse of the Were-Rabbit in die Kinos zu bringen und konnten damit einen riesigen Erfolg landen. Flushed Away, der erste komplett computeranimierte Film von Aardman und Dreamworks im Stopmotion-Stil, war jedoch finanziell nicht mehr ganz so erfolgreich - aber es sollen vor allem die inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Briten und den Amerikanern gewesen sein, die schließlich zur Trennung der beiden Studios im Herbst 2006, kurz vor der Premiere von Flushed Away, geführt hatten.

Im Frühjahr 2007 hatte Aardman aber schon einen neuen Partner in Hollywood gefunden - Sony Pictures Animation, eine Tochterfirma von Sony Imageworks, die mit ihrem ersten eigenen CGI-Trickfilm Open Season noch keinen wirklich großen Erfolg gehabt hatten und auf der Suche nach neuen Ideen waren. Aardman und Sony hatten sich zuerst auf einen losen Drei-Jahres-Vertrag geeinigt und schon im Sommer 2007 eine Reihe von Projekten angekündigt - unter anderem einen komplett computeranimierten Weihnachtsfilm, ein noch nicht weiter benanntes Projekt von Wallace & Gromit-Erfinder Nick Park, The Cat Burglars von Aardman-Regisseur Steve Box und einen waschechten Piratenfilm von Aardman-Mitbegründer Peter Lord.

Es war der als CGI-Trickfilm produzierte Arthur Christmas, der zuerst fertiggestellt worden war und weltweit kurz vor Weihnachten 2011 in die Kinos gekommen war. Gleichzeitig war Aardman aber fleißig dabei, ein noch viel größeres Projekt zu finalisieren: The Pirates! In an Adventure with Scientists nach dem gleichnamigen Buch von Gideon Dafoe war schon 2007 zusammen mit den anderen Filmen angekündigt worden, aber erst als Aardman im Frühjahr 2011 mit einem beeindruckenden Trailer überrascht hatte, wurde deutlich, wie weit das Projekt schon fortgeschritten war. Mit einem Release-Termin im darauffolgenden Frühjahr hatte Aardman noch viel zu tun, aber von der ursprünglichen Ankündigung bis zur Premiere waren immerhin fünf Jahre vergangen.

Gerade im Trickfilm-Bereich und besonders bei Aardman gehen manche Ideen schon Jahrzehnte zurück, aber bei Aardmans Piratenfilm war es anders. Gideon Dafoe hatte seinen Debütroman The Pirates! In an Adventure with Scientists erst 2004 veröffentlicht, ein Jahr nachdem die Pirates of the Caribbean mit Johnny Depp die Kinoleinwände erobert hatten und ein längst totgeglaubtes Genre wieder zum Leben erweckt worden war. Trotzdem hatte Defoes Buch bis auf das Grundidee so gut wie nichts mit dem Bruckheimer/Disney-Film zu tun und sponn sich eine ganz eigene Welt zusammen, die mehr eine für Erwachsene gedachte Satire auf das Piratengenre als ein einfacher Abklatsch von vorhandenen Konzepten war. Der frischgebackene Autor hatte noch einen etwas holperigen Schreibstil, den er aber durch seine verspielte Phantasie und seinen sarkastischen Humor wieder wett machen konnte.

Aardman und Sony hatten trotzdem entschieden, den Autor mit in die Entwicklung des Drehbuchs einzubinden und ihn selbst seine Story fit für einen Kinofilm machen zu lassen. Zwar wurde die Buchvorlage nicht völlig umgekrempelt, aber doch stark umgeschrieben, erweitert und mit ein paar Elementen aus Defoes zweitem Buch The Pirates! In an Adventure with Whaling erweitert. Die titelgebende Piratenbande wurde auf geradezu liebevolle Art originalgetreu umgesetzt, denn besonders die Namenlosigkeit der Charaktere blieb erhalten und sogar der Anführer wird genauso wie im Buch einfach nur Pirate Captain genannt. Der Plot wurde allerdings völlig neu aufgebaut und mit einer ganzen Reihe von neuen Charakteren ausgestattet, die aber ganz im Stil der Buchvorlage geschaffen wurden und überhaupt nicht fremd wirken.

Der Plot bewegt sich mit dem schnellen Rhythmus eines Kurzfilms fort, ohne dabei jedoch zu hastig oder übereilt zu wirken. Das Ziel, möglichst viel Handlung in wenig Laufzeit unterzubringen, konnte aber dank Aardmans jahrzehntelanger Erfahrung auf gelungene Weise erreicht werden. Das Tempo läßt dem Zuschauer zwar gelegentliche Verschnaufpausen, aber es bleibt keine Sekunde ungenutzt, um die Geschichte weiter zu erzählen. Die Handlung ist überraschend vielseitig und beschränkt sich nicht nur auf ein geradliniges Piraten-Abenteuer, sondern bringt auch viel Abwechslung mit einer Menge verschiedener Schauplätze, Überraschungen und Wendungen mit - und natürlich auch eine handvoll Actionsequenzen, die aber nicht den Eindruck machen, als ob der Plot nur notdürftig um sie herum konstruiert worden wäre.

Insgesamt hat Gideon Defoes Drehbuch von The Pirates! In an Adventure with Scientists zwar nicht mehr allzuviel mit der Buchvorlage zu tun, aber der Autor hat sein Buch keineswegs verschlimmbessert, sondern ganz im Gegenteil auf gelungene Weise neu interpretiert, ohne dabei seine liebgewonnenen Charaktere dabei zu vernachlässigen. Während der bissige und manchmal zynische Witz intakt blieb, wurde das Verhalten der Piraten allerdings etwas entschärft - im Buch schreckt der Kapitän zum Beispiel nicht davor zurück, seine eigene Crew zu dezimieren, während er sich im Film dagegen viel zahmer und sogar recht sensibel gibt. Der Humor von Gideon Defoe ist ansonsten sehr kompatibel zu Aardman, so daß in dieser Hinsicht gar nicht viel geändert werden mußte. Der Film ist bis zu einem gewissen Grad natürlich kinderfreundlich, hat aber auch eine ganz eigene Ebene von erwachsenen-tauglichem Humor und wird nie zu albern oder peinlich. Dabei bleibt der Humor immer sehr britisch, denn Sony hatte Aardman völlig freie Hand gelassen und den Engländern keine inhaltlichen Vorschriften gemacht.

Schon als das Genre vor fast zehn Jahren mit Pirates of the Caribbean wiederbelebt worden war, hatte Aardman im Rahmen der Dreamworks-Kooperation über einen Piratenfilm nachgedacht, aber die Idee wieder verworfen, weil sich Wasser mit Stopmotion nur schlecht umsetzen ließ. Aus dem gleichen Grund hatte das Studio entschieden, das Ratten-Abenteuer Flushed Away, das auch einige piratische Elemente besaß, komplett als computeranimierten Trickfilm zu realisieren, wenn auch im originalgetreuen Aardman-Knetfiguren-Stil. Wegen diesen technischen Einschränkungen der Stopmotion-Stils war auch die Verfilmung von Gideon Defoes Buch zuerst noch als komplett computeranimierter Trickfilm geplant, aber die Tüftler von Aardman konnten schließlich doch eine viel elegantere Lösung finden.

Eigentlich nur als Test gedacht hatte eine Gruppe von Animatoren in der Preproduktion ein kleines, aber detailreiches Set gebaut und mit der althergebrachten, handgemachten Stopmotion-Technik einen Demo-Film gedreht. Auch die Geldgeber von Sony waren von diesem Test so begeistert, daß entschieden wurde, The Pirates! nicht komplett als CGI-Trickfilm, sondern hauptsächlich als traditionelles Stopmotion zu produzieren und dieses Material mit computergenerierten Hintergründen zu kombinieren. Es sollte das erste Mal sein, daß so eine Kombination bei Aardman im großen Stil versucht wurde, aber die gemeinsame Arbeit mit den CGI-Animatoren von Sony Animation bei Arthur Christmas war für das britische Studio eine so positive Erfahrung, daß die Briten keine Bedenken hatten, ihre Stopmotion-Arbeit damit zu vermischen.

Mit Peter Lord war einer der beiden Aardman-Gründer die treibende Kraft des Films, aber sein Partner Nick Park, der Erfinder von Wallace & Gromit, mit dem er Chicken Run inszeniert hatte, war diesmal nicht mit dabei. Als Co-Regisseur stand ihm aber Jeff Newitt zur Seite, der auch schon seit fast zwanzig Jahren zu Aardman gehört und genauso wie Peter Lord als Animator begonnen hatte - beide zusammen bildeten also ein perfektes Team für eine Produktion dieses Kalibers und auch die drei Regie-Assistenten Ben Barrowman, Richard Bowen und Sam Horton waren schon früher oft bei Aardman-Projekten dabei. David Sproxton, der andere Aardman-Begründer der ersten Stunde, war zusammen mit Peter Lord außerdem als Produzent beteiligt, zu denen auch noch die Aardman-Produzentinnen Julie Lockhart und Carla Shelley kamen - es war fast ausschließlich eine rein britische Produktion.

Obwohl bei Aardman eigentlich die Animation im Vordergrund steht, sind die Stimmen der Charaktere natürlich ein genauso essentieller Bestandteil des Films. Aardman hatte sich aber mit The Pirates! nicht völlig der Versuchung ergeben, die Produktion mit einer Reihe von großen Hollywood-Stars zu besetzen und war auch nicht von Sony dazu gedrängt worden. So konnten für die Stimmen größtenteils britische Schauspieler engagiert werden - etwas, was während der Zusammenarbeit mit Dreamworks immer ein Problem gewesen war, aber jetzt praktisch zur Pflicht wurde, denn Gideon Defoes Piraten waren schon in der Buchvorlage unverkennbar britisch.

Bei der Besetzung des Pirate Captain hätte man viel falsch machen können, denn der Freibeuter mit dem luxuriösen Bart wäre ein Fettnäpfchen für viele Klischees gewesen, die die Filmemacher von Aardman aber gekonnt umgangen hatten. Statt einen richtigen Tieftöner zu engagieren, hatten sie sich an den britischen Schauspieler Hugh Grant gewandt, dessen steile Karriere ihn seit Ende der neunziger Jahre zu einem der größten britischen Filmstars gemacht hatte, aber der sich zuletzt bis auf wenige Ausnahmen praktisch in den Ruhestand verabschiedet hatte. Grant, der noch nie zuvor einem Trickfilm seine Stimme geliehen hatte, konnte aber von Aardman überzeugt werden, dafür das erste Mal in ein Tonstudio zu kommen, wo er hörbaren Spaß hatte dem Pirate Captain eine Menge Leben einzuhauchen. Mit einer wundervollen britischen Art geht seine Interpretation des Charakters völlig gegen den üblichen Stereotyp und ist gerade deswegen besonders gelungen - brüllende oder murmelnde Piraten gibt es schon genug, aber der Pirate Captain ist dagegen ein richtiger britischer Gentleman, bei dem immer ein leicht humoriger Unterton mitklingt.

Für den natürlich ganz und gar fiktiven Charles Darwin konnten die Trickfilmemacher auch einen erstaunlichen Coup landen und den schottischen Schauspieler David Tennant gewinnen, der neben seiner umfangreichen Bühnenkarriere auch im englischen Fernsehen unter anderem fünf Jahre lang als Doctor Who einen riesigen Erfolg gehabt hatte und sogar in Dreamworks' How To Train Your Dragon in einer kleinen Nebenrolle dabei war. Seine Wahl für die recht umfangreiche Rolle des zaghaften, schüchternen, aber auch unterschwellig gefährlichen Wissenschaftler war erstaunlicherweise genau richtig - Tennant hatte seinen schweren schottischen Akzent völlig abgelegt, sprach seinen Charakter aber keineswegs inkognito. Mit absichtlich überzogenem Pathos und etwas zynischen Humor konnte David Tennant seinen Charles Darwin dank der gelungenen Dialoge des Drehbuchs nicht nur zu einer einfachen Parodie des Wissenschaftlers, sondern einem ganz eigenständigen Charakter machen.

Queen Victoria, die im Buch nur mit dem Satz erwähnt wird, daß sie Piraten haßt, wurde nicht nur zu einem der Hauptcharaktere und der Haupt-Antagonistin des Films gemacht, sondern durfte die Geschichte auch einleiten. In dieser Rolle hätte man sich die Stimme von Miranda Richardson gut vorstellen können, nicht nur wegen ihrer brillianten Darstellung von Queen Elizabeth in Blackadder II, aber Aardman war eine noch viel besseres Casting gelungen. Die britische Schauspielerin Imelda Staunton war schon seit Chicken Run eine alte Bekannte des Studios und hatte auch eine kleine Nebenrolle in Arthur Christmas übernommen, war aber auch mit ihrer großen Theatererfahrung perfekt für die Rolle von der ganz ungewöhnlich interpretierten Queen Victoria, die sie herrlich überzogen und überkandidelt spricht.

Die wichtigsten Mitglieder der Piratenbande wurden auch mit viel Fingerspitzengefühl besetzt. Der Pirate with a Scarf, der im Film vom Pirate Captain nur Number Two genannt wird, ist einer der sanftmütigsten und intelligentesten Mitglieder der Schiffscrew und wurde mit Martin Freeman wundervoll treffend gecastet. Der englische Schauspieler, der sich als vielseitiger Nebendarsteller in vielen Fernsehserien und Filmproduktionen einenn Namen gemacht hatte und unter anderem in der britischen Urfassung von Ricky Gervais' The Office, als Arthur Dent im Hitchhiker's Guide to the Galaxy-Kinofilm und als Dr. Watson in der neuen Sherlock Holmes-Verfilmung der BBC aktiv war und demnächst die Hauptrolle in Peter Jackson's The Hobbit spielen wird. Auch wenn es das erste Mal war, daß Freeman seine Stimme einem Trickfilm geliehen hatte, ist sein Pirate with a Scarf einer der gelungensten und überraschensten Figuren des Films.

Der Pirate with Gout war dagegen mit einem entsprechen kernigen Schauspieler besetzt worden, den das rundlichste und gemütlichste Mitglied der Crew brauchte unbedingt eine entsprechende Stimme, die Aardman mit dem irischen Schauspieler Brendan Gleeson perfekt ausgewählt hatte. Der (oder die) Surprisingly Curvaceous Pirate ist jedoch nicht mehr als ein kleiner Running Gag, wird aber trotzdem ganz humorvoll von Ashley Jensen gesprochen. Zwei der anderen prominenten Mitglieder der Crew wurden aber erstaunlicherweise in den englischen und amerikanischen Versionen des Films verschieden besetzt: der Albino Pirate wurde in der britischen Fassung von Russel Tovey, in der US-Ausgabe aber von dem amerikanisch-russischen Anton Yelchin gesprochen, während der Pirate who likes Sunsets and Kittens in England von dem langjährigen Aardman-Sprecher Ben Whitehead und in den USA von NBC-Wetterfrosch Al Roker gespielt wurde.

Durch den Plot bedingt blieben die weitere Charaktere mehr am Rande, aber schon in diesem Film ist zu spüren, daß die Figuren für eine Fortsetzung fit gemacht wurden. Der wundervollen Jeremy Piven als der gar nicht so düstere, aber dafür mehr angeberische Black Bellamy und Salma Hayek als die verführerische Cutlass Liz sind die Ausnahmen in der ansonsten rein britischen Besetzung, während Peg Leg Hastings ganz passen mit dem britisch-jamaikanischen Comedian Lenny Henry besetzt worden war. Als Tüpfelchen auf dem I ist außerdem Brian Blessed mit seiner gewaltigen Stimme als Piraten-König zu hören - genauso wie die anderen Nebenrollen aber leider nur relativ kurz.

The Pirates! war nicht nur Aardmans erster Film im breiten Cinemascope-Format, sondern auch der erste Kinofilm des Studios, der komplett digital und in 3D produziert wurde. Während die Laika-Studios schon 2005 Corpse Bride mit digitalen Spiegelreflexkameras aufgenommen hatten, wurde bei Aardman zur gleichen Zeit der Wallace & Gromit-Kinofilm noch mit den alten Mitchell-Kameras auf analogem Filmmaterial gedreht. Erst mit dem vierten Wallace & Gromit-Kurzfilm A Matter of Loaf and Death wurde auch auf die digitale Produktion umgestellt, die nicht nur den Animatoren die Möglichkeit gab, ihre Arbeit sofort wiederzugeben, sondern auch viel kostengünstiger war. Die 3D-Inszenierung von The Pirates! machte außerdem eine digitale Produktion unumgänglich, und so wurde bei Aardman die alte Tradition der filmbasierten Animation entgültig beendet. Mit Frank Passingham und Charles Copping waren aber zwei langjährige Aardman-Mitarbeiter für die Kameraführung verantwortlich, die es auch mit der neuen Technik geschafft hatten, den ganz individuellen Stil des Studios wieder auf die Leinwand zu bringen.

An Aardmans Arbeitsweise hatte sich dadurch aber nicht viel verändert, denn Stopmotion und die damit verbundene detailverliebte Gestaltung von Kulissen und Figuren bleibt trotz der digitalen Aufnahme immer noch wie zuvor. Als Produktionsdesigner hatte Aardman diesmal mit Norman Garwood jemanden aus dem Realfilm-Bereich engagiert, der in den achtziger Jahren mit Bullshot, Water und Brazil an einer Trilogie von Handmade-Filmen beteiligt war und später mit Hook und Cutthroad Island auch einschlägige Piraten-Erfahrung gesammelt hatte. Gemeinsam mit den Art Directors Sarah Hauldren, Phil Lewis, Matt Perry und Matt Sanders - auch alle seit Jahrzehnten bei Aardman tätig - entstand so ein unglaublich detailreiches und verspieltes Design, das die Piraten-Epoche wundervoll umsetzen konnte.

Die oft enorm komplexen Kulissen wurden fast ausschließlich in mühsahmer Handarbeit gebaut und nur dann mit CGI-Elementen ergänzt, wenn es technisch nicht anders machbar war - so macht The Pirates! genauso wie alle anderen Aardman-Filme einen ganz organischen und lebendigen Eindruck. Dadurch, daß sich die Kulissen nicht nur auf die hohe See und die Karibik beschränken, sondern sich auch bis ins viktorianische London begaben, konnten die Designer ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Außer einer waschechten Pirateninsel mit lauschiger Hafenstadt und einigen beeindruckenden Schiffen wurde auch das London des 19. Jahrhunderts auf sparsame, aber dennoch gelungene Art in Szene gesetzt. Die Kulissen sind so detailverliebt, daß man vieles auf den ersten Blick gar nicht wahrnehmen und erst bei mehrfachem Anschauen alle verborgenen Details entdecken kann. Gelungen ergänzt wurde die Stopmotion-Animation außerdem mit einer handvoll zweidimensional animierten Karten, die von dem deutschen Animator Michael Schlingmann gezeichen wurden.

In Sachen Filmmusik hatte sich Aardman bei den früheren Kinofilmen hauptsächlich auf den Partner Dreamworks verlassen und war damit auch ganz zufrieden - bis auf den Versuch der Amerikaner, den Aardman-Hauskomponisten Julian Nott durch den Dreamworks-Musikchef Hans Zimmer bei Wallace & Gromit in The Curse of the Were-Rabbit zu ersetzen. Wer für die Auswahl des Komponisten für The Pirates! verantwortlich war, wurde nirgendwo erwähnt, aber mit dem amerikanischen Filmmusiker Theodore Shapiro hätte Aardman keine bessere Wahl treffen können. Fernab von Hans Zimmers nach vier Filmen mittlerweile langweilig gewordenen Klängen der Pirates of the Caribbean hatte Shapiro ganz wundervoll originelle Themen komponiert, die sowohl als Action-Score und auch als leicht humorvoll angehauchte Hintergrundmusik gute Dienste leistet, aber ganz haarscharf an einer wirklichen Ohrwurm-Qualität vorbeigeht. Trotzdem bleibt seine Filmmusik um Längen origineller als die Fließbandarbeit seines Kollegen Hans Zimmer.

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Filmmusik von The Pirates! besteht außerdem aus einer handvoll Popsongs, die auf den ersten Blick ein wenig wie der Versuch aussehen, es den Dreamworks-Animation-Filmen gleich zu tun. Tatsächlich steckt dahinter aber noch nicht einmal eine Vorgabe aus den USA, sondern einfach nur eine Angewohnheit der Filmemacher, einzelne Szenen zuerst mit temporärer Musik, die meistens aus Musik von anderen Filmen und Popsongs besteht, zu unterlegen. Die Liebe der Aardman-Filmemacher zu Pop-Klassikern und auch obskureren Stücken zeigt sich bei The Pirates! ganz besonders, denn die Auswahl ist überraschend vielseitig und wurde hervorragend in die Filmmusik und in die Handlung eingebettet.

Mit Swords of a Thousand Men von Tenpole Tudor hatte sich schon fast ein richtiger Piraten-Song als Titelthema gefunden, während die musikalischen Reise-Montagen zu Clashs London Calling (nicht wirklich originell, aber wer könnte dem schon widerstehen?), I'm Not Crying von der Comedy-Gruppe Flight of the Conchords und Ranking Full Stop von The Beat perfekt geschnitten wurden. Der Ausklang wird dann auf ganz humorvolle Art von Desmond Dekkers You can get it if you really want und Allright von Supergrass bis in den Abspann bestritten, wo es nahtlos mit einer Reprise der Filmmusik weitergeht. Erstaunlicherweise passen alle Songs perfekt zu Theodore Shapiros orchestralen Arrangements und wirken auch nicht im geringsten anachronistisch.

Nach fünf Jahren Arbeit kam The Pirates! In an Adventure with Scientists schließlich im Frühjahr 2012 in die Kinos und wurde von einer relativ kleinen Werbekampagne begleitet, die sich hauptsächlich auf das eigentliche Zielpublikum, den europäischen Raum konzentrierte. Für die um etwa vier Wochen verzögerte amerikanische Kinopremiere hatte Sony aber ein paar Änderungen am Film gemacht: die größte war die Abänderung des Titels von In an Adventure with Scientists in das neutralere Band of Misfits, um in den der Wissenschaft nicht ganz so aufgeschlossenen USA keine Zuschauer zu vergraulen. Gleichzeitig wurden auch zwei Nebenrollen umbesetzt und ein paar Dialoge entschärft, aber ansonsten wurde der Film inhaltlich intakt gelassen, was angesichts der Debatte um die evolutionshassenden Kreationisten schon ein Wunder für sich war.

Viel geholfen hatte die amerikanische Version des Films aber nicht, denn der sehr britische Humor führte dazu, daß The Pirates! Band of Misfits an den US-Kinokassen gerade einmal etwas über 30 Millionen Dollar einspielen konnte und damit das schlechteste Ergebnis eines Aardman-Kinofilms einfuhr. Im Rest der Welt konnte der Film aber nochmal fast 90 Millionen einspielen und hatte damit seine sehr niedrigen Produktionskosten von 55 Millionen Dollar schnell wieder verdient. Das trotzdem etwas schwache Einspielergebnis stand aber ganz im Kontrast zu den vielen positiven Kritiken, die The Pirates! nicht nur in Europa, sondern auch in den USA bekam - fast überall wurde Aardmans neuer Film zu recht in höchsten Tönen gelobt und mit großer Begeisterung empfangen. In Deutschland war der Film aber auch kein besonders großer Erfolg, was hauptsächlich an der furchtbaren deutschen Synchronfassung lag, die den britischen Humor gegen billige, kindergerechte Gags ausgetauscht und so den Charme des Films völlig zerstört hatte.

Die Frage, ob mit The Pirates! In an Adventure with Scientists Aardman der nächste große Kino-Erfolg nach Wallace & Gromit in The Curse of the Were-Rabbit und Flushed Away gelungen ist, kann man guten Gewissens mit einem großen Ja beantworten. Sony Animation hat sich als ein idealer Partner erwiesen, der den Stopmotion-Experten aus Bristol die nötige Finanzierung und technische Unterstützung bot, ohne ihnen dabei Vorschriften zu machen. Das Vertrauen hatte sich ausgezahlt, denn mit The Pirates! konnte Aardman eindrucksvoll beweisen, daß man auch nach vier Pirates of the Caribbean-Filmen noch ganz wundervolle Geschichten dieses Genres erzählen kann, ohne dabei auf Originalität verzichten zu müssen.

Auch als überarbeitete und stark verbesserte Inkarnation von Gideon Defoes Buch kann der Film sicher auch Fans der Vorlage begeistern, denn besonders die phantasievolle visuelle Umsetzung der Piraten-Welt und die originalgetreu übernommenen Charaktere machen The Pirates! zu erstklassiger Unterhaltung, die fast noch mehr auf Erwachsene als auf Kinder ausgerichtet ist. Aardmans größte Mission, mit traditioneller Stopmotion-Animation eine fesselnde, unterhaltsame und witzige Geschichte zu erzählen, hat das Studio mit The Pirates! voll und ganz erfüllen können. Der Film ist von der ersten bis zur letzten Minute einfach nur ein riesiges Vergnügen.

Die DVD

Sony hatte The Pirates! In an Adventure with Scientists nach den Kinopremieren im Frühjahr 2012 schon im Spätsommer des Jahres als DVD und Blu-Ray veröffentlicht - zuerst kam Deutschland Mitte August dran, während die USA noch bis Ende des Monats warten mußten und England erst am 10. September bedient wurde. Der Film wird in drei Varianten angeboten: als Blu-Ray, 3D-Blu-Ray und normale DVD. Die Extras sind bei allen Ausgaben identisch, mit einer Ausnahme: während auf den amerikanischen Veröffentlichungen der Kurzfilm So You Want To Be A Pirate dabei ist, wurde dieser bei allen europäischen Versionen weggelassen, da in England eine separate Solo-DVD exklusiv von Tesco vor der Veröffentlichung des eigentlichen Films verkauft wurde.

Trotz des fehlenden Kurzfilms ist die hier rezensierte deutsche DVD von The Pirates! In an Adventure with Scientists eine perfekt gelungene Veröffentlichung. Es handelt sich eine offenbar nicht nur exklusiv für Deutschland hergestellte Disc, denn es sind auch englischsprachige Menüs vorhanden. Das Bildmaster trägt zwar den amerikanischen Titel des Films, aber es ist ansonsten die britische Originalversion mit unverändertem Dialog und den englischen Nebendarstellern, die auch korrekt im Abspann aufgeführt werden. Das Bonusmaterial ist mit einem Audiokommentar der Filmemacher und zwei Featurettes von einer halben Stunde länge zwar nicht besonders zahlreich, aber inhaltlich dafür umso interessanter.

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Bild

Dank der komplett digitalen Produktion kann die deutsche DVD von The Pirates! In an Adventure with Scientists mit einer hervorragenden Bildqualität aufwarten, denn Sony hat bei der Umsetzung vom High-Definition-Master ins DVD-Format sehr sorgfältig gearbeitet - geboten wird auf der DVD natürlich nur die 2D-Fassung.

Wie bei fast allen neueren DVDs aus dem Trickfilm-Sektor macht auch diese Veröffentlichung den Eindruck, eine direkte und völlig ungefilterte Konvertierung des digitalen Bildmasters zu sein. Obwohl keinerlei zusätzliche Schärfefilter eingesetzt wurden, macht das Bild trotzdem einen bemerkenswert detailreichen Eindruck, denn die PAL-Auflösung wird bis auf den letzten Pixel optimal ausgenutzt. Obwohl durch die Produktion bedingt keinerlei Filmkörnigkeit zu sehen ist, macht das Bild durch die lebendige Szenerie aber trotzdem keinen klinisch reinen, digitalen Eindruck, sondern sieht geradezu organisch aus.

Auch beim Authoring ist nichts schief gegangen, denn dank der nicht allzu hohen, aber sehr dynamischen Bitrate macht sich die Kompression nicht im geringsten bemerkbar und hinterläßt auch bei schnellen Schwenks und anderen Bewegungen keinerlei störende Artefakte. Auch die Schärfe leidet nicht darunter, ein von der Kompression zermatschtes Bild bekommt man auf dieser DVD erst gar nicht zu sehen.

Ton

Die deutsche DVD von The Pirates! In an Adventure with Scientists ist mit einer ganzen Menge Tonspuren in verschiedenen Sprachen ausgestattet, die bis auf eine Ausnahme einen ausgewachsenen Surroundton mitbringen und sich bis auf die Dialoge nicht viel voneinander unterscheiden.

Die englische Originalfassung in Dolby Digital 5.1 wurde leider nur mit 384 statt 448 kbit/s codiert, aber diesen Unterschied sollte man nur auf Highend-Anlagen wirklich hören. Geboten wird trotzdem eine gelungene Abmischung, die trotz einiger Action-Elemente nicht wirklich laut, aber dafür sehr vielseitig ist. Der Raumklang wird nicht nur durch die über alle Kanäle abgemische Musik, sondern auch durch eine fast ständig präsente Geräuschkulisse erzeugt. Der Klang der Tonspur ist überraschend warm und lebt vor allem von einem angenehmen, aber nicht zu starken Baß. Die Dialoge sind zumeist auf dem mittleren Kanal verankert, aber gelegentlich auch direktional von den Seiten zu hören.

Die deutschen und italienischen Tonspuren sind bis auf die Dialoge praktisch identisch mit der englischen Abmischung und liegen auch in 5.1 mit 384 kbit/s vor. Die türkische Tonspur ist allerdings nur in 2.0-Surround vorhanden und wurde offenbar aus Versehen nur mit 128 kbit/s codiert, was deutliche Tonartefakte hinterlassen hat. Der Audiokommentar ist dagegen mit den sonst üblichen 192 kbit/s komprimiert. Der Hauptfilm ist in den Sprachen der vier Tonspuren untertitelt worden, die Extras inklusive des Audiokommentars aber nur auf Deutsch und Italienisch.

Bonusmaterial

Auch bei Sony sind die Zeiten der luxuriösen Doppel-DVDs schon lange vorbei, denn aktuell sind heutzutage mehr Single-Disc-Wunder wie diese Veröffentlichung, die nur wenige, aber dafür inhaltlich interessante Extras mitbringen. Das Menüdesign mit der Kamerafahrt über die Piratenstadt ist simpel, aber gut gelungen - wenn die PAL-Konvertierung nicht so furchtbar ruckeln würde. Die Featurettes wurden aber genauso sauber wie der Hauptfilm codiert.

Der Audiokommentar mit den Regisseuren Peter Lord und Jeff Newitt sowie dem Editor Justin Kirsh ist genauso wie die früheren Kommentarspuren der Aardman-Filme ein ruhiges, aber inhaltlich trotzdem sehr interessantes Gespräch der Filmemacher über ihr Werk. Fast zu jeder Szene fällt ihnen etwas wichtiges ein und besonders Peter Lord liebt es, den Zuschauer auf kleine Details aufmerksam zu machen, die man sonst gar nicht gesehen hätte. Es ist keine Fliege-an-der-Wand-Berichterstattung über die gesamte Filmproduktion, aber der Informationsgehalt ist trotzdem sehr hoch und die drei Filmemacher erweisen sich als sehr sympathische Erzähler.

Mr. Bobo's Flash Card Challenge ist lediglich ein ganz primitives Frage- und Antwortspiel, das noch nicht einmal die jüngsten Zuschauer sonderlich begeistern dürfte.

From Stop To Motion (19:56) ist trotz der knappen Laufzeit ein ausgewachsenes Making-Of und nicht nur ein simples Werbefeaturette. Kurz und knapp, aber dennoch auf sehr interessante Art wird jeder Aspekt der Filmproduktion vorgestellt. Dabei wird auf Filmclips weitgehend verzichtet wird stattdessen ein ganz umfangreichen Blick hinter die Kulissen gewährt. Mit vielen Aufnahmen aus den Aardman-Studios und Interviews mit den Filmemachern und Schauspielern bekommt man hier in knapp zwanzig Minuten erstaunlich viel zu sehen.

Creating the Bath Chase Sequence (8:01) schließt sich nahtlos an die erste Mini-Dokumentation an und widmet sich detailliert der Entstehung einer der aufwendigsten Sequenzen des Films.

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