The Poseidon Adventure [Special Edition]
Cover

1.11.2006 #401

von Guido Bibra

Titel The Poseidon Adventure (Poseidon Inferno)
Studio 20th Century Fox (1972)
Hersteller 20th Century Fox Home Entertainment (2006) EAN 4-010232-035042
DVD-Typ 2x9 (7,07 & 6,57 GB)
Bitrate ø 7,31 max. 9,0
Laufzeit 112:08 Minuten Kapitel 24
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Amaray I Doppel
Fernsehnorm PAL
Bildformat 2.35:1 16:9 ja
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Surround 192 kbit/s Englisch, Kommentar 1+2 2.0 Mono 192 kbit/s Deutsch
Untertitel Englisch, Deutsch
Freigabe FSK 12
Extras • Kommentar von Regisseur Ronald Neame
• Kommentar von den Darstellern Pamela Sue Martin, Stella Stevens und Carol Lynley
• 6 brandneue Featurettes
• Interaktives Featurette: Folge dem Fluchtweg!
• AMC Hintergrundgeschichte
• Gespräch mit Ronald Neame
• Original Promo-Material: Featurette von 1972, Teaser und Trailer
• Fotogalerie und Storyboard-Vergleiche

Der Film

Die Passagiere des Luxusdampfers Poseidon feiern ausgelassen das Jahresende, aber der Kapitän hat ganz andere Sorgen – das veraltete Schiff droht den Wellen nicht standzuhalten, der Vertreter der Reederei sitzt ihm im Nacken und der Seegang wird immer gefährlicher. Noch kann sich der mächtige Ozeanliner gegen die Elemente behaupten, aber in der Silvesternacht nimmt das Unglück seinen Lauf. Eine riesige Welle bringt die Poseidon zum Kentern und das Schiff treibt kieloben im Meer. Einige der überlebenden Passagiere, angeführt von Reverend Scott, versuchen sich bis zur äußeren Hülle durchzuschlagen, wo sie hoffen ans Tageslicht zu gelangen und gerettet zu werden.

 


Große Katastrophenfilme sind im modernen Kino wieder groß angesagt, aber Ende der sechziger Jahre war die Zeit der großen Spektakel vorübergehend vorbei. Einer der ganz großen im Business war Irwin Allen, der sich zuerst einen Namen mit Naturdokumentationen wie The Sea Around Us und The Animal World gemacht hatte und sich dann fiktionalen Projekten zuwandte, die jedoch keine wirklich großen Erfolge waren. Seinen Durchbruch hatte Allen schließlich Anfang der sechziger Jahre als Fernsehproduzent, der die treibende Kraft hinter vielen enorm erfolgreiche Serien wie Voyage to the Bottom of the Sea, Lost in Space und Time Tunnel war. Aber Irwin Allen war der Fernsehbildschirm zu klein geworden, der Filmemacher wollte wieder für die große Leinwand produzieren.

The Master of Disaster

Ende der sechziger Jahre stieß Irwin Allen auf der Suche nach geeignetem Material für sein Kino-Comeback Paul Gallicos Bestseller The Poseidon Adventure, eine abenteuerliche Geschichte vom Überlebenskampf der Passagiere eines gekenterten Luxusdampfers, die wie für eine aufwendige Kinoproduktion geradezu geschaffen zu sein schien. 20th Century Fox, Allens langjähriges Stammstudio, war jedoch von der Idee überhaupt nicht begeistert. Die Studiochefs wollten nicht mehr in ein großes, stargeladenes Hollywood-Spektakel investieren und wiesen ihn zunächst ab. Zwei Jahre hartnäckiger Kampf führten dann aber doch noch zum Erfolg - Fox war endlich bereit, The Poseidon Adventure zu produzieren.

Allzu großzügig gab sich das Studio allerdings nicht und gewährte nur ein Budget von fünf Millionen Dollar – eigentlich zu wenig für einen Film dieser Art, aber Fox hatte in den vorigen Jahren einige große Flops erleiden müssen und war einfach knapp bei Kasse. Irwin Allen war aber fest davon überzeugt, damit auskommen zu können und bereitete eine bis aufs kleinste Detail durchgeplante Filmproduktion vor – es sollte kein Cent des knappen Budgets verschwendet werden. Außerdem wollte das Studio kein Risiko eingehen und versuchte nach Möglichkeit, den für seinen Gigantismus bekannten Irwin Allen unter Kontrolle zu halten.

Die Kontrolleure

Eigentlich wollte Irwin Allen selbst Regie führen, aber Fox wollte dies wegen einer befürchteten Kostenexplosion unbedingt verhindern - als Gegengewicht zu dem oft übereifrigen Produzenten setzte das Studio den britischen Regisseur Ronald Neame ein. Der fast schon legendäre Filmemacher war eigentlich für seine charakterlastigen Dramen und seine feinfühligen Inszenierungen bekannt, zeigte aber dennoch Interesse an Irwin Allens Projekt, auch wenn er fand daß das Drehbuch unter seinem üblichen Niveau war. Neame erkannte das mögliche Potential des noch etwas rauhen Stoffs, aber wollte vorerst nur ein paar Wochen in der Produktion bleiben – letztendlich kämpfte er aber zusammen mit Irwin Allen um die Realisation des Films.

Das ursprüngliche Drehbuch, das nur provisorisch von Wendell Mayes von Paul Gallicos Roman adaptiert wurde, mußte auch noch einmal komplett überarbeitet werden, weil die Charaktere zu eindimensional waren und zuviel Wert auf Action gelegt wurde. Diese Aufgabe wurde einem weiteren Hollywood-Veteranen anvertraut: Stirling Silliphant, einem viel beschäftigten und oft sehr erfolgreichen Roman- und Drehbuchautor, der genauso wie Ronald Neame eigentlich gar nicht auf Actionfilme spezialisiert war. Das Studio bestand aber gerade auf dieser Kombination von Autor und Regisseur, um Irwin Allens berüchtigten Enthusiasmus etwas zu dämpfen und den befürchteten Niveauabstieg zu verhindern.

Das Drehbuch für die umgedrehte Hölle

Stirling Silliphant, Ronald Neame und Irwin Allen konnten sich aber auf eine ausgewogene Mischung einigen, die gleichzeitig Charaktere und Action in den Vordergrund stellte. Die ersten zwanzig Minuten wurden ausschließlich zur Einführung der Charaktere verwendet, und um den Zuschauer nicht zu sehr auf die Folter zu spannen wurde der Film mit einer Texttafel eingeleitet, die das Unglück und dessen Ausgang schildert, ohne dabei zuviel zu verraten.

Die Kunst des Drehbuchschreibens bestand bei The Poseidon Adventure darin, die Actionszenen nach Schema F mit einer anspruchsvollen Rahmenhandlung auszustatten. Stirling Silliphant gelang dies ohne auf die üblichen Klischees zurückzufallen – die Charaktere sind durchaus realistisch, haben aber auch ein paar satirische Elemente. Von schwangeren Frauen, kranken Kindern oder ähnlichem Tränendrüsen-Material ist weit und breit nichts zu sehen, stattdessen sind es alles ganz normale, durchschnittliche Leute, die plötzlich in die Katastrophe hineingeworfen werden und miteinander auskommen müssen.

Während die Story des Films an Einfachheit kaum noch zu unterbieten ist, wurde die simple Struktur des Films durch kleine Subplots, aber hauptsächlich durch die vielen Gespräche und Diskussionen zwischen den Charakteren ausgebessert. Für einen Actionfilm ist The Poseidon Adventure überdurchschnittlich dialoglastig, und die Texte sind überraschend anspruchsvoll. Die Gespräche, Diskussionen und auch Streitereien wirken sehr realistisch und nehmen kaum ein Blatt vor den Mund – das gefürchtete F-Wort ist nicht zu hören, aber trotzdem wird ganz schön geschimpft, gebrüllt und gemeckert. Zwischendurch ist sogar noch etwas Platz für einigen vorsichtig dosierten Humor, der den Film trotz der Dramatik dann nicht ganz so ernst erscheinen läßt.

Der Kitschfaktor ist dagegen nicht besonders hoch und dürfte auch für empfindliche Zuschauer noch erträglich sein. Die diversen Todesszenen sind ergreifend, aber nicht übermäßig schmalzig und auch nicht mit theatralischer Musik unterlegt, bleiben aber dennoch auf einem ganz normalen Niveau menschlich – etwas, womit andere Filme dieses Genres meistens große Probleme haben und unangenehm negativ auffallen. Dadurch wird in The Poseidon Adventure aber deutlich, daß die Charaktere klar im Vordergrund stehen und nicht von der Katastrophe in den Schatten gestellt werden.

"Will you raise your hand, those that are gonna get killed?“

Bei der Auswahl der Schauspieler war Irwin Allen sehr unkonventionell und weigerte sich ausschließlich die neuesten und populärsten Stars zu casten. Stattdessen setzte der Produzent mehr auf Unbekannte und Hollywood-Veteranen und war nur bei der Hauptrolle bereit eine Konzession an die Studiobosse zu machen. Aber auch dabei traf Allen eine ungewöhnliche Entscheidung und engagierte für die Rolle des rebellischen Reverend Scott Gene Hackman, der gerade für French Connection einen Oscar gewonnen hatte und für den ein Film wie The Poseidon Inferno eigentlich zu anspruchslos war - aber Hackman nahm die Rolle trotzdem an.

Für die Nebenrollen schien Irwin Allen auch mit einer Liste von Oscar-Gewinnern gearbeitet zu haben, denn nicht wenige von ihnen hatten eine der begehrten Statuen im Regal stehen: Ernest Borgnine, Shelley Winters und Jack Albertson wurden nicht nur mit dem Academy Award ausgezeichnet, sondern gehörten auch zur Liga der ehrwürdigen Hollywood-Veteranen, die man am allerwenigsten in einem Film wie diesem erwarten würde. Erstaunlicherweise erwecken gerade diese Schauspieler kaum den Eindruck, als ob sie nur wegen ihres Namens gecastet wurden - dafür spricht auch, daß sich unter den zehn Protagonisten, die den größten Teil des Films alleine bestreiten müssen, auch einige unbekannte Schauspieler sind.

Gene Hackmans Hauptfigur Reverend Scott ist kein Priester, um aus dem Film einen braven religiösen Hintergrund zu geben, sondern um eine ganz praktische Lebensphilosophie zu einzubringen: beten alleine hilft wenig, man muß schon selbst anpacken um etwas zu erreichen. Reverend Scott ist die Figur, die mit ihrem untergründigen Wut und fast fanatischen Energie als Anführer der Rettungsaktion die gesamte Handlung vorantreibt – alle anderen Charaktere sind mehr oder weniger passiv.

Ernest Borgnine und Stella Stevens spielen das ewig streitende Ehepaar, das aus einem Polizisten und einer ehemaligen Prostituierten besteht, die Angst hat daß sie von einem der Passagiere wiedererkannt wird. Als fast traditionelles Gegenstück dazu spielen Shelley Winters und Jack Albertson das nette jüdische Ehepaar Rosen, die allerdings nicht nur für den Druck auf die Tränendrüse da sind. Eine dritte Mini-Familie sind Susan und Robin Shelby, zwei junge Geschwister die alleine auf der Reise sind und von Pamela Sue Martin, frisch aus der Schauspielerschule und Eric Shea, einem schon ganz erfahrenen Kinderdarsteller sehr ungezwungen und natürlich, aber überhaupt nicht übertrieben gespielt wurden.

Eigentlich gar nicht für ernstere Rollen bekannt, war der amerikanische Komiker Red Buttons als der ältere Junggeselle James Martin zu sehen, dessen Charakter mit seiner verlorenen, unsicheren Art in der späteren Filmhälfte doch noch Courage beweisen durfte, indem er sich um die traumatisierte Sängerin Nonnie, etwas oberflächlich gespielt von Carol Lynley, kümmerte. Enttäuschend fällt auch die Rolle des Stewarts Acres aus, in der Roddy McDowall durchaus mehr hätte leisten können, wenn der Charakter nicht so flach angelegt worden wäre.

Unfreiwilliges Vergnügen bereitet heutzutage oft der Auftritt von Leslie Nielsen als Schiffskapitän, weil der Schauspieler sich in seiner späteren Karriere einen Namen als Komiker gemacht hatte. Tatsächlich spielt er seine Rolle aber sehr professionell und würde auch gar nicht weiter auffallen, wenn man ihn nicht aus seinen späteren Filmen völlig anders kennen würde. Alle weiteren Nebendarsteller erfüllen genau diese Qualifikation – es sind solide, aber unspektakulär gespielte Hintergrundcharaktere, die ganz solide, aber unspektakulär gespielt werden.

Fehlstart mit Rettung

Nur wenige Wochen vor Beginn der Dreharbeiten wurde Irwin Allen ins Büro des Fox-Produktionschefs Gordon Stulberg zitiert, der ihm unzeremoniell erklärte daß der Film gecancelt worden wäre – der Sparkurs bei Fox hatte auch The Poseidon Adventure erwischt, aber Irwin Allen gab nicht auf. Es gelang ihm die Studiochefs überzeugen, die Hälfte des Budgets von fünf Millionen Dollar zu übernehmen und erhielt von zwei alten Kollegen, Steve Broidy und Sherrill C. Corwin, finanzielle Rückendeckung, die den Rest des Budgets übernahmen und damit die Produktion des Films in letzter Minute doch noch retten konnten.

Im April 1972 konnte die Filmproduktion schließlich anlaufen, aber nicht nur bei Fox, sondern auch in der gesamten Filmbranche wurde The Poseidon Adventure nur "Irwin's Folly" genannt, weil niemand wirklich daran glaubte, daß aus dieser verrückten Idee tatsächlich einmal noch ein fertiger Film werden würde. Tatsächlich war es aber Dank der minutiösen Planung genau umgekehrt, die zwölfwöchigen Dreharbeiten erwiesen sich als sehr disziplinierte Angelegenheit. Ronald Neame nahm seinen Job sehr ernst und sorgte auch dafür, daß der am Set oft omnipräsente Irwin Allen nicht zu übereifrig wurde.

Der Film mit dem Weihnachtsbaum

Obwohl The Poseidon Inferno für einen Film seiner Art erstaunlich viel Wert auf die Charaktere legte, wurden natürlich Kulissen und Effekte besonders bevorzugt behandelt. Nur wenige Szenen wurden auch auf einem richtigen Schiff gedreht, das allerdings nicht im Wasser schwamm: der Queen Mary, dem mächtigen Ozeanliner, der an der Küste vor Los Angeles zum Luxushotel umgebaut wurde. Alle anderen Sets, inklusive dem riesigen Ballsaal, mußten aus logistischen Gründen im Studio nachgebaut werden, da im größten Teil des Films das Schiff ja auf dem Kopf im Wasser schwimmt und die Kulissen entsprechend umgebaut wurden.

Die Sets wurden von Produktionsdesigner Willam J. Creber nach den Original-Plänen der Queen Mary gestaltet. Die Illusion des gekenterten Schiffs wurde mit relativ einfachen Mitteln erstaunlich gut bewerkstelligt, obwohl man aufgrund der (durchaus realistischen) schlechten Beleuchtung die Kulissen nur schemenhaft erkennen kann – es bedurfte halt keiner besonders aufwendigen Dekoration um eine umheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Die berühmteste Requisite des Films ist natürlich der Weihnachtsbaum, an dem die Passagiere aus dem Ballsaal in das Innere des Schiffs klettern – diese Szene wurde zum Markenzeichen schlechthin des Films, der von vielen Fans auch gerne liebevoll „Der Film mit dem Weihnachtsbaum“ genannt wird.

Viele Special Effects im klassischen Sinn enthält The Poseidon Adventure nicht – die meisten Stunts und Effekte wurden zusammen mit den Schauspielern ohne Bluescreen-Technik direkt auf dem Set gedreht. Nur die Außenaufnahmen der Poseidon sind Trickaufnahmen, die von Spezialist L.B. Abbott mit Hilfe eines besonders detailreichen Modells in einem Wassertank auf dem Fox-Gelände gedreht wurden und erstaunlich realistisch wirken. Als besonders spektakulär erwiesen sich die Szenen der eigentlichen Katastrophe, die nicht nur für die damalige Zeit hervorragend waren, sondern auch im Vergleich zu heutigen computeranimierten Effekten immer noch standhalten können.

Die Musik zum Erfolg

Für die eigentliche Filmmusik wurde niemand anders als John Williams engagiert, der in den siebziger Jahren noch ganz am Anfang seiner Karriere stand, aber für Irwin Allen kein Unbekannter war: Williams hatte in den sechziger Jahren schon die Titelmusiken für Allens Fernsehserien Lost in Space und The Time Tunnel geschrieben und war daher für den Produzenten die allererste Wahl. Große Erfahrungen mit Katastrophen-Filmen wie The Poseidon Adventure hatte der Filmkomponist damals allerdings noch nicht, so daß seine Musik etwas übertrieben und noch nicht ganz so melodiös wie seine späteren Werke klingt.

Während die Filmmusik von The Poseidon Adventure kaum beachtet wurde, wurde der einzige Song des Films zu einem überraschenden Erfolg. The Morning After, der schnulzige Song den die in den Plot eingebaute Band mit der Sängerin und späteren Katastropen-Überlebenden Nonnie spielt, wurde noch vor Beginn der Dreharbeiten von dem Songwriter-Duo Al Kasha und Joel Hirschhorn in nur einer Nacht als schnelle Auftragsarbeit geschrieben. Carol Lynley, die Schauspielerin die den Song eigentlich singen sollte, mußte mangels Gesangskünsten allerdings von der Studiosängerin Renee Armand synchronisiert werden.

Auch das Demoband von Maureen McGovern fand in einer Filmszene Verwendung und gefiel der Musikabteilung von Fox so gut, daß die Sängerin für die offizielle Singeveröffentlichung engagiert wurde. Erstaunlicherweise wurde der Song 1973 zusammen mit sieben anderen Kategorien für den Oscar nominiert – und gewann zur Überraschung aller den einzigen Academy Award für The Poseidon Inferno.

Ende mit Schrecken und Erfolg ohne Ende

Kurz vor dem Ende der Dreharbeiten ging auch etwas ganz anderes zuende: das Budget war restlos aufgebraucht und Ronald Neame und Irwin Allen waren sich einig, daß sie auf keinen Fall mehr als die geplanten fünf Millionen Dollar ausgeben wollten. Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt neunzig Prozent des Films schon fertig, aber die ursprünglich geplante grandiose Schlußszene mußte unweigerlich an dem plötzlichen Geldmangel stark leiden.

Statt einer aufwendigen Luftaufnahme mit vielen Rettungsschiffen und komplizierten Special-Effects der gekenterten Poseidon mußte eine einfache Notversion auf dem Studiogelände gedreht werden. Diese Szene machte zum Glück aber nur einen Bruchteil des Films aus, und Ronald Neame und Irwin Allen ließen sich davon nicht irritieren und sorgten dafür, daß der Film trotzdem wie geplant fertiggestellt werden konnte. Bis auf den notgerdungen improvisierten Schluß entsprach der fertige Film ganz Irwin Allens anspruchsvollen Vorstellungen.

Inzwischen war 20th Centry Fox aber doch von "Irwin's Folly" überzeugt und war bereit, dem Film nicht nur eine ordentliche Postproduktion, sondern auch eine große Werbekampagne zu spendieren. Mit einem riesigen Publicity-Aufwand fanden die ersten Premieren von The Poseidon Inferno im Dezember 1972 statt und wurden zu einem großen Überraschungserfolg, mit dem niemand wirklich gerechnet hatte - die Mischung aus gigantischem Katastrophenfilm und menschlichem Drama erwies sich als enormer Publikumsmagnet.

Das Poseidon-Phänomen

Es war der Film, mit dem eine neue Welle der Katastrophen-Spektakel losging: so etwas wie The Poseidon Adventure hatte es zuvor noch nie gegeben, weil noch niemand zuvor ein derartiges Erfolgsrezept ausprobiert hatte. Irwin Allen hatte es geschafft, seine Vision zu verwirklichen und den Studiochefs gezeigt, daß seine Ideen keine Luftschlösser waren – zwei Jahre später war 20th Century Fox bereit, in sein neues Projekt The Towering Inferno noch viel mehr zu investieren.

Nach Irwin Allen kamen in den siebziger und frühen achtziger Jahren aber noch viele Nachahmer, die nur selten so erfolgreich wie der "Master of Disaster" selbst waren. Der Film wurde schon sehr früh von der Welle der Remakes und Fortsetzungen erfaßt, denn 1979 versuchte Irwin Allen selbst eine Fortsetzung zu drehen, aber zu diesem Zeitpunkt war die Magie der Katastrophen-Filme schon vorbei und der Film floppte gnadenlos. Auch Wolfgang Petersens neuestes Remake baute trotz 160 Millionen Dollar Budget kolossalen Schiffbruch und ging im Gegensatz zum Original nur als riesiges Verlustgeschäft für das Studio in die Filmgeschichte ein.

Durch zahllose Wiederaufführungen und Fernsehausstrahlungen wurde The Poseidon Adventure in den dreißig Jahren seit seiner Entstehung langsam, aber sicher zu einem Klassiker der besonderen, der Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt begeisterte und bis heute trotz der kleinen Imperfektionen immer noch zu den besten seines Genres gehört.

Die DVD

Die neue Special-Edition des originalen Poseidon Adventure ist sicherlich nur dem unsäglichen Remake zu verdanken, denn sonst hätte sich 20th Century Fox sicher nicht soviel Mühe gegeben. Außer einem nagelneuen Transfer und einer überarbeiteten Stereo-Surround-Tonspur bekommt man jede Menge Extras geboten, die vor allem durch die Beteiligung des Regisseurs und einiger Schauspieler besonders interessant geworden sind.

Die deutsche Ausgabe der DVD unter dem Titel Poseidon Inferno scheint inhaltlich mit der amerikanischen Version identisch zu sein und hat wie die anderen weltweiten Veröffentlichungen ein etwas anderes Coverdesign. Die Verpackung besteht aus einem normalen Doppel-Amaray-Keepcase in einem kräftigen Kartonschuber – ein Booklet gibt es nicht, aber die Rückseite des Covers ist mit einem Kapitelindex bedruckt, obwohl die DVD in einem nicht durchsichtigen Case ausgeliefert wurde.

Fox demonstriert mit der Special-Edition von The Poseidon Adventure wie man die DVD-Veröffentlichungen von Filmklassikern wie diesem richtig macht – mit einer Erneuerung der früheren DVD war kaum zu rechnen, aber das Ergebnis ist ausgezeichnet und ein Neukauf der Special-Edition lohnt sich dank des relativ niedrigen Preises auf jeden Fall.

Cover

Bild

20th Century Fox hat für die Special-Edition von The Poseidon Adventure einen neuen Transfer anfertigen lassen, der für einen Film dieses Alters einen erstaunlich guten Eindruck hinterläßt. Obwohl die frühere, inzwischen etwa fünf Jahre alte Abtastung auch nicht schlecht war, bemerkt man hier deutlich die bessere Transfer-Technik.

Die Filmvorlage war schon auf dem früheren Transfer sehr sauber, aber hier wurden noch die restlichen vorhandenen Fussel und kleinen Dropouts entfernt, so daß der Film blitzblank aussieht. Offenbar wurde diesmal direkt von einem neu erstellten Interpositiv abgetastet, denn die früher noch deutlich sichtbare Körnigkeit ist kaum noch bemerkbar, obwohl kaum Anzeichen für einen starken Rauschfilter-Einsatz sichtbar sind – lediglich in den vielen dunklen Szenen ist gelegentlich noch ein kleiner Rest der Körnigkeit sichtbar.

Auf den ersten Blick ist die Schärfe des neuen Transfers nicht so beeindruckend, allerdings wurde im Gegensatz zur massiv überschärften früheren Abtastung hier fast komplett auf den Einsatz von Schärfefiltern verzichtet. Trotzdem ist die Detailtreue sehr gut und durch die sparsam eingesetzte digitale Filterung macht der Transfer einen sehr modernen und filmähnlichen Eindruck anstatt, wie die frühere Abtastung, mit digitalen Artefakten kämpfen zu müssen. Auch der Bildstand ist sehr stabil, wackeln und ruckeln tut es nur wenn es die Dramaturgie verlangt.

Das schwierige Farbtiming des Films wird optimal wiedergegeben, im Vergleich zum früheren Transfer gibt es nur kleine Unterschiede - teilweise wurden die etwas zu bunten Farben ein wenig gedämpft und der Kontrast in den dunklen Szenen ist besser ausbalanciert. Ansonsten ist hier vom grün-bräunlichen Filmmaterial der frühen siebziger Jahre kaum etwas zu sehen, die Farben wirken erstaunlich frisch, unverblaßt und realistisch. Da der Film sich auf der ersten DVD ungehindert ausbreiten kann, tauchen Kompressionsartefakte dank der hohen Bitrate erst gar nicht auf.

Fox hat wieder einmal gezeigt, daß sich nach einem halben Jahrzehnt ein neuer Transfer eines Filmklassiker wirklich lohnt – zumal bei The Poseidon Adventure die US-DVD sogar noch auf einem recycelten Laserdisc-Transfer basierte und ein Update dringend nötig war.

Ton

Bei der Überarbeitung der Tonspuren für die Poseidon Adventure-Special-Edition hat sich Fox sehr zurückgehalten. Die englische Originalfassung ist erstmals in einem Stereo-Surround-Mix zu hören, während die deutsche Version nur in einer Mono-Abmischung geboten wird.

The Poseidon Inferno war ursprünglich nicht nur in Mono, sondern auch in 4-Track-Stereo und 70mm-6-Track-Surround abgemischt worden. Wieviel von diesen Mehrspur-Abmischungen in der neuen 2.0-Surround-Tonspur drinsteckt, bleibt ein Rätsel – es ist aber kein Fox-typischer Mono-Upmix, sondern eine diskrete Stereo-Surround-Abmischung. Viel darf man allerdings nicht erwarten, denn denn im Prinzip handelt es sich bei diesem Mix um eine leicht erweiterten Mono-Ton mir einer kleinen handvoll Surroundeffekten, die von einer Stereo-Musikabmischung umschlossen werden.

Dynamik und Frequenzumfang sind etwas, aber nicht viel besser als bei der früheren Mono-Tonspur, worunter besonders die Musik etwas leidet - die Stereo-Abmischung, die auch den Surroundkanal etwas mitbenutzt, macht das aber stellenweise wieder wett. Von Umgebungsgeräuschen oder ähnlichem ist aber praktisch gar nichts zu hören, denn Dialoge und Geräusche spielen sich fast ausschließlich auf der vorderen Soundstage ab, wo auch die meiste Zeit nur der Center genutzt wird. Für eine ehemalige 4-Track oder 6-Track-Abmischung ist dies etwas enttäuschend - offenbar waren wohl doch nicht alle Mehrspur-Bänder mehr vorhanden und diese Stereo-Surround-Abmischung legt lediglich die Stereo-Filmmusik mit den Dialogen und Geräuschen der Mono-Spur zusammen. Allerdings ist dies immer noch besser als ein gewaltsamer Mono-Upmix.

Die deutsche Tonspur kann allerdings noch viel weniger begeistern, denn die wurde von der alten DVD unverändert übernommen und hat die typischen Defizite einer nicht überarbeiteten Lichttonspur. Die Musik klingt sehr dünn und kratzig, und obwohl die Dialoge einigermaßen mit der englischen Fassung mithalten können, kommen bei dem vielen Herumschreien doch einige kräftige Verzerrungen vor. Mitgeliefert werden sowie englische als auch deutsche Untertitel – letztere allerdings nur für Hörgeschädigte, die eine Transkribierung der deutschen Tonspur sind, aber sich trotzdem als Untertitel für die englische Fassung verwenden lassen.

Bonusmaterial

Für die neue Special Edition von The Poseidon Adventure hat sich Fox überraschend große Mühe gegeben und nicht nur einige Dokumentationen zusammengestellt, sondern dabei auch Filmemacher und Schauspieler einbinden können – etwas, was bei den wenigsten Filmen aus den siebziger Jahren überhaupt noch möglich ist.

Im ersten Audiokommentar der DVD ist Regisseur Ronald Neame zu hören, der trotz seines hohen Alters mit Mitte Neunzig immer noch ein hervorragender Erzähler ist. Der Filmemacher macht kaum einmal eine Verschnaufpause und erinnert sich mit viel trockenem britischen Charme und einer Menge Vergnügen an viele Einzelheiten von der Entstehung des Films. Dabei spart Ronald Neame nicht an Selbstkritik und ist selbst erstaunt, daß ein Film mit einer so holperigen Entstehungsgeschichte so ein großer Erfolg wurde, hat aber gleichzeitig großen Respekt vor seinen Kollegen und redet noch nicht einmal von Irwin Allen schlecht, auch wenn er mit dem Produzenten nicht immer einer Meinung war. Ronald Neame weiß seine Zuhörer zu ausgezeichnet zu unterhalten und macht diese Kommentarspur zu einer der besten ihrer Art.

Die zweite Kommentarspur wird von den Schauspielerinnen Pamela Sue Martin, Stella Stevens und Carol Lynley bestritten, die im Vergleich zu Ronald Neame etwas weniger gesprächig sind und natürlich über ganz andere Themen diskutieren. Es ist zum Glück nicht der befürchtete Kaffeeklatsch der alten Damen, die sich über ihre Jugendsünden austauschen, sondern eine ganz lustige und interessante Konversation zwischen den Schauspielerinnen, die auch mal etwas weniger zurückhaltend und viel frecher über ihre Erlebnisse berichten.

Follow the Escape! blendet im laufenden Film „interaktive“ Grafiken von Rißzeichnungen des Schiffs ein und verfolgt die Route der Überlebenden durch das Schiff. Leider läßt sich dieses Extra nicht separat aufrufen, so daß man schon den ganzen Film nochmal schauen muß um sich die Grafiken anzuschauen.

AMC Backstory (25:08) gehört zu einer Reihe von kurzen Dokumentationen, die vor einigen Jahren vom amerikanischen Spielfilmsender AMC produziert wurden und auf vielen Fox-DVDs zu sehen sind. Vom Stil her irgendwo in der Mitte zwischen ernsthafter Dokumentation und Werbefeaturette angesiedelt, bekommt man hier über The Poseidon Adventure alle wichtigen Fakten zu hören, inklusive einiger sehr interessanter Aufnahmen von den Dreharbeiten und aktuellen Interview-Schnipseln mit den Filmemachern, Schauspielern und anderen.

Die Featurettes machen noch einmal eine gute halbe Stunde Laufzeit aus und bestehen aus neu für diese DVD produzierten und zusammengestellten Interviews, die inhaltlich noch viel mehr bieten als die AMC-Dokumentation, allerdings auch etwas knapp geraten sind.

In The Cast looks back (5:40) kommen Sheila Allen, Red Buttons, Stella Stevens, Carol Lynley, Pamela Sue Martin und Roddy McDowall zu Wort und erinnern sich mit viel Humor, aber auch Respekt an die Entstehung des Films.

Falling up with Ernie (4:08) bringt den Nebendarsteller Ernie Orsatti auf den Plan, der unfreiwillig für einen der bemerkenswertesten Stunts des Films herangezogen wurde, obwohl er überhaupt kein Stuntman war. Orsatti erzählt hier in seinen eigenen Worten, wie es zu dieser halsbrecherischen Aktion kam.

The Writer: Stirling Silliphant (9:14) läßt Agent Don Kopaloff, die Autoren David Morell und Christopher Vogler, Schauspielerin Stella Stevens, Zeichner Joseph Musso und Regisseur Charles Matthau über die bemerkenswerte Karriere des Drehbuchautors erzählen.

The Heroes of the Poseidon (9:52) mit Autoren Christopher Vogler und David Morell, Schauspielerin Stella Stevens und dem Theologen Christopher Heard versucht die religiösen Hintergründe des Films zu erklären, was jedoch einige recht zweifelhafte Interpretationen hervorruft.

The Morning After Story
(8:55) handelt von der unglaubliche Erfolgsgeschichte des Quasi-Titelsongs von The Poseidon Adventure. Komponist Al Kasha, Sängerinnen Maureen McGovern und Renee Armand und Schauspielerin Carol Lynley erzählen wie der Song entstand und räumen auch gleich mit den Gerüchten auf, wer den Song im Film wirklich gesungen hat.

R.M.S. Queen Mary (6:23) umreißt kurz die Geschichte des legendären Dampfers, der das Vorbild für die S.S. Poseidon war und heute als Luxushotel an der Küste von Los Angeles der Nachwelt erhalten geblieben ist.

Die Conversations with Ronald Neame sind kurze Interviews, die offenbar während der Aufnahme des Audiokommentars entstanden sind. In Sinking Corridor (3:19) erklärt der Regisseur wie in einer Szene ein Korridor geflutet wurde. In Generations of Fans (3:17) erzählt er von seinen Begegnungen mit Fans des Films über die Jahre hinweg und liest sogar einen gerade frisch angekommenen Brief vor, während es in Turning over the Ship (2:25) wieder um filmtechnische Tricks geht, die Ronald Neame mit Hilfe eines Lineals und sichtlichem Vergnügen erklärt.

Das Vintage Promotional Material enthält den Teaser (1:32) und den Trailer (3:07) des Films, sowie das Original 1972 Featurette (9:34). Dies war auch schon auf der alten DVD des Films dabei, ist hier aber in einer viel besseren Bildqualität zu sehen. Obwohl es sich um ein Werbefeaturette handelt, sind eine Menge faszinierender Behind-the-Scenes-Aufnahmen und Interviews zu sehen, die zwar durchweg etwas oberflächlich, aber deswegen nicht weniger interessant sind.

Der American Cinematographer Article enthält auf 43 Bildschirmseiten mit vielen vergrößerbaren Fotos einen kompletten Zeitungsartikel über die Entstehung von The Poseidon Adventure, der natürlich sehr techniklastige Themen behandelt, aber trotzdem durchaus faszinierend ist.

Die Galleries sind erstaunlich gut bestückt und enthalten in den Bereichen Marketing (21 Bilder), Publicity (63 Bilder) und Behind the Scenes (35) eine ganze Menge Fotos, die leider wie so oft viel zu klein abgebildet wurden – aber Quantität schlägt in diesem Fall ausnahmsweise auch mal Qualität.

Die Storyboard Comparisons enthalten keine richtigen Vergleiche, sondern einen abwechselnden Mix von Filmszenen und Storyboards von den drei Szenen Ship Capsized (2:42), Up the vertical Shaft (2:19) und Saving Reverend Scott (2:03).










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