Der Film
Die Passagiere des Luxusdampfers Poseidon feiern ausgelassen das Jahresende, aber der Kapitän hat ganz andere Sorgen – das veraltete Schiff droht den Wellen nicht standzuhalten, der Vertreter der Reederei sitzt ihm im Nacken und der Seegang wird immer gefährlicher. Noch kann sich der mächtige Ozeanliner gegen die Elemente behaupten, aber in der Silvesternacht nimmt das Unglück seinen Lauf. Eine riesige Welle bringt die Poseidon zum Kentern und das Schiff treibt kieloben im Meer. Einige der überlebenden Passagiere, angeführt von Reverend Scott, versuchen sich bis zur äußeren Hülle durchzuschlagen, wo sie hoffen ans Tageslicht zu gelangen und gerettet zu werden.
Große Katastrophenfilme sind im modernen Kino wieder groß angesagt, aber
Ende der sechziger Jahre war die Zeit der großen Spektakel vorübergehend
vorbei. Einer der ganz großen im Business war Irwin Allen, der sich zuerst
einen Namen mit Naturdokumentationen wie The Sea Around Us und
The Animal World gemacht hatte und sich dann fiktionalen Projekten
zuwandte, die jedoch keine wirklich großen Erfolge waren. Seinen Durchbruch
hatte Allen schließlich Anfang der sechziger Jahre als Fernsehproduzent,
der die treibende Kraft hinter vielen enorm erfolgreiche Serien wie Voyage
to the Bottom of the Sea, Lost in Space und Time Tunnel
war. Aber Irwin Allen war der Fernsehbildschirm zu klein geworden, der
Filmemacher wollte wieder für die große Leinwand produzieren.
The Master of Disaster
Ende der sechziger Jahre stieß Irwin Allen auf der Suche nach geeignetem
Material für sein Kino-Comeback Paul Gallicos Bestseller The Poseidon
Adventure, eine abenteuerliche Geschichte vom Überlebenskampf der
Passagiere eines gekenterten Luxusdampfers, die wie für eine aufwendige
Kinoproduktion geradezu geschaffen zu sein schien. 20th Century Fox, Allens
langjähriges Stammstudio, war jedoch von der Idee überhaupt nicht begeistert.
Die Studiochefs wollten nicht mehr in ein großes, stargeladenes Hollywood-Spektakel
investieren und wiesen ihn zunächst ab. Zwei Jahre hartnäckiger Kampf
führten dann aber doch noch zum Erfolg - Fox war endlich bereit, The
Poseidon Adventure zu produzieren.
Allzu großzügig gab sich das Studio allerdings nicht und gewährte nur
ein Budget von fünf Millionen Dollar – eigentlich zu wenig für einen Film
dieser Art, aber Fox hatte in den vorigen Jahren einige große Flops erleiden
müssen und war einfach knapp bei Kasse. Irwin Allen war aber fest davon
überzeugt, damit auskommen zu können und bereitete eine bis aufs kleinste
Detail durchgeplante Filmproduktion vor – es sollte kein Cent des knappen
Budgets verschwendet werden. Außerdem wollte das Studio kein Risiko eingehen
und versuchte nach Möglichkeit, den für seinen Gigantismus bekannten Irwin
Allen unter Kontrolle zu halten.
Die Kontrolleure
Eigentlich wollte Irwin Allen selbst Regie führen, aber Fox wollte dies
wegen einer befürchteten Kostenexplosion unbedingt verhindern - als Gegengewicht
zu dem oft übereifrigen Produzenten setzte das Studio den britischen Regisseur
Ronald Neame ein. Der fast schon legendäre Filmemacher war eigentlich
für seine charakterlastigen Dramen und seine feinfühligen Inszenierungen
bekannt, zeigte aber dennoch Interesse an Irwin Allens Projekt, auch wenn
er fand daß das Drehbuch unter seinem üblichen Niveau war. Neame erkannte
das mögliche Potential des noch etwas rauhen Stoffs, aber wollte vorerst
nur ein paar Wochen in der Produktion bleiben – letztendlich kämpfte er
aber zusammen mit Irwin Allen um die Realisation des Films.
Das ursprüngliche Drehbuch, das nur provisorisch von Wendell Mayes von
Paul Gallicos Roman adaptiert wurde, mußte auch noch einmal komplett überarbeitet
werden, weil die Charaktere zu eindimensional waren und zuviel Wert auf
Action gelegt wurde. Diese Aufgabe wurde einem weiteren Hollywood-Veteranen
anvertraut: Stirling Silliphant, einem viel beschäftigten und oft sehr
erfolgreichen Roman- und Drehbuchautor, der genauso wie Ronald Neame eigentlich
gar nicht auf Actionfilme spezialisiert war. Das Studio bestand aber gerade
auf dieser Kombination von Autor und Regisseur, um Irwin Allens berüchtigten
Enthusiasmus etwas zu dämpfen und den befürchteten Niveauabstieg zu verhindern.
Das Drehbuch für die umgedrehte Hölle
Stirling Silliphant, Ronald Neame und Irwin Allen konnten sich aber auf
eine ausgewogene Mischung einigen, die gleichzeitig Charaktere und Action
in den Vordergrund stellte. Die ersten zwanzig Minuten wurden ausschließlich
zur Einführung der Charaktere verwendet, und um den Zuschauer nicht zu
sehr auf die Folter zu spannen wurde der Film mit einer Texttafel eingeleitet,
die das Unglück und dessen Ausgang schildert, ohne dabei zuviel zu verraten.
Die Kunst des Drehbuchschreibens bestand bei The Poseidon Adventure
darin, die Actionszenen nach Schema F mit einer anspruchsvollen Rahmenhandlung
auszustatten. Stirling Silliphant gelang dies ohne auf die üblichen Klischees
zurückzufallen – die Charaktere sind durchaus realistisch, haben aber
auch ein paar satirische Elemente. Von schwangeren Frauen, kranken Kindern
oder ähnlichem Tränendrüsen-Material ist weit und breit nichts zu sehen,
stattdessen sind es alles ganz normale, durchschnittliche Leute, die plötzlich
in die Katastrophe hineingeworfen werden und miteinander auskommen müssen.
Während die Story des Films an Einfachheit kaum noch zu unterbieten ist,
wurde die simple Struktur des Films durch kleine Subplots, aber hauptsächlich
durch die vielen Gespräche und Diskussionen zwischen den Charakteren ausgebessert.
Für einen Actionfilm ist The Poseidon Adventure überdurchschnittlich
dialoglastig, und die Texte sind überraschend anspruchsvoll. Die Gespräche,
Diskussionen und auch Streitereien wirken sehr realistisch und nehmen
kaum ein Blatt vor den Mund – das gefürchtete F-Wort ist nicht zu hören,
aber trotzdem wird ganz schön geschimpft, gebrüllt und gemeckert. Zwischendurch
ist sogar noch etwas Platz für einigen vorsichtig dosierten Humor, der
den Film trotz der Dramatik dann nicht ganz so ernst erscheinen läßt.
Der Kitschfaktor ist dagegen nicht besonders hoch und dürfte auch für
empfindliche Zuschauer noch erträglich sein. Die diversen Todesszenen
sind ergreifend, aber nicht übermäßig schmalzig und auch nicht mit theatralischer
Musik unterlegt, bleiben aber dennoch auf einem ganz normalen Niveau menschlich
– etwas, womit andere Filme dieses Genres meistens große Probleme haben
und unangenehm negativ auffallen. Dadurch wird in The Poseidon Adventure
aber deutlich, daß die Charaktere klar im Vordergrund stehen und nicht
von der Katastrophe in den Schatten gestellt werden.
"Will you raise your hand, those that are gonna get killed?“
Bei der Auswahl der Schauspieler war Irwin Allen sehr unkonventionell
und weigerte sich ausschließlich die neuesten und populärsten Stars zu
casten. Stattdessen setzte der Produzent mehr auf Unbekannte und Hollywood-Veteranen
und war nur bei der Hauptrolle bereit eine Konzession an die Studiobosse
zu machen. Aber auch dabei traf Allen eine ungewöhnliche Entscheidung
und engagierte für die Rolle des rebellischen Reverend Scott Gene Hackman,
der gerade für French Connection einen Oscar gewonnen hatte und für den
ein Film wie The Poseidon Inferno eigentlich zu anspruchslos war - aber
Hackman nahm die Rolle trotzdem an.
Für die Nebenrollen schien Irwin Allen auch mit einer Liste von Oscar-Gewinnern
gearbeitet zu haben, denn nicht wenige von ihnen hatten eine der begehrten
Statuen im Regal stehen: Ernest Borgnine, Shelley Winters und Jack Albertson
wurden nicht nur mit dem Academy Award ausgezeichnet, sondern gehörten
auch zur Liga der ehrwürdigen Hollywood-Veteranen, die man am allerwenigsten
in einem Film wie diesem erwarten würde. Erstaunlicherweise erwecken gerade
diese Schauspieler kaum den Eindruck, als ob sie nur wegen ihres Namens
gecastet wurden - dafür spricht auch, daß sich unter den zehn Protagonisten,
die den größten Teil des Films alleine bestreiten müssen, auch einige
unbekannte Schauspieler sind.
Gene Hackmans Hauptfigur Reverend Scott ist kein Priester, um aus dem
Film einen braven religiösen Hintergrund zu geben, sondern um eine ganz
praktische Lebensphilosophie zu einzubringen: beten alleine hilft wenig,
man muß schon selbst anpacken um etwas zu erreichen. Reverend Scott ist
die Figur, die mit ihrem untergründigen Wut und fast fanatischen Energie
als Anführer der Rettungsaktion die gesamte Handlung vorantreibt – alle
anderen Charaktere sind mehr oder weniger passiv.
Ernest Borgnine und Stella Stevens spielen das ewig streitende Ehepaar,
das aus einem Polizisten und einer ehemaligen Prostituierten besteht,
die Angst hat daß sie von einem der Passagiere wiedererkannt wird. Als
fast traditionelles Gegenstück dazu spielen Shelley Winters und Jack Albertson
das nette jüdische Ehepaar Rosen, die allerdings nicht nur für den Druck
auf die Tränendrüse da sind. Eine dritte Mini-Familie sind Susan und Robin
Shelby, zwei junge Geschwister die alleine auf der Reise sind und von
Pamela Sue Martin, frisch aus der Schauspielerschule und Eric Shea, einem
schon ganz erfahrenen Kinderdarsteller sehr ungezwungen und natürlich,
aber überhaupt nicht übertrieben gespielt wurden.
Eigentlich gar nicht für ernstere Rollen bekannt, war der amerikanische
Komiker Red Buttons als der ältere Junggeselle James Martin zu sehen,
dessen Charakter mit seiner verlorenen, unsicheren Art in der späteren
Filmhälfte doch noch Courage beweisen durfte, indem er sich um die traumatisierte
Sängerin Nonnie, etwas oberflächlich gespielt von Carol Lynley, kümmerte.
Enttäuschend fällt auch die Rolle des Stewarts Acres aus, in der Roddy
McDowall durchaus mehr hätte leisten können, wenn der Charakter nicht
so flach angelegt worden wäre.
Unfreiwilliges Vergnügen bereitet heutzutage oft der Auftritt von Leslie
Nielsen als Schiffskapitän, weil der Schauspieler sich in seiner späteren
Karriere einen Namen als Komiker gemacht hatte. Tatsächlich spielt er
seine Rolle aber sehr professionell und würde auch gar nicht weiter auffallen,
wenn man ihn nicht aus seinen späteren Filmen völlig anders kennen würde.
Alle weiteren Nebendarsteller erfüllen genau diese Qualifikation – es
sind solide, aber unspektakulär gespielte Hintergrundcharaktere, die ganz
solide, aber unspektakulär gespielt werden.
Fehlstart mit Rettung
Nur wenige Wochen vor Beginn der Dreharbeiten wurde Irwin Allen ins Büro
des Fox-Produktionschefs Gordon Stulberg zitiert, der ihm unzeremoniell
erklärte daß der Film gecancelt worden wäre – der Sparkurs bei Fox hatte
auch The Poseidon Adventure erwischt, aber Irwin Allen gab nicht
auf. Es gelang ihm die Studiochefs überzeugen, die Hälfte des Budgets
von fünf Millionen Dollar zu übernehmen und erhielt von zwei alten Kollegen,
Steve Broidy und Sherrill C. Corwin, finanzielle Rückendeckung, die den
Rest des Budgets übernahmen und damit die Produktion des Films in letzter
Minute doch noch retten konnten.
Im April 1972 konnte die Filmproduktion schließlich anlaufen, aber nicht
nur bei Fox, sondern auch in der gesamten Filmbranche wurde The Poseidon
Adventure nur "Irwin's Folly" genannt, weil niemand wirklich
daran glaubte, daß aus dieser verrückten Idee tatsächlich einmal
noch ein fertiger Film werden würde. Tatsächlich war es aber Dank der
minutiösen Planung genau umgekehrt, die zwölfwöchigen Dreharbeiten erwiesen
sich als sehr disziplinierte Angelegenheit. Ronald Neame nahm seinen Job
sehr ernst und sorgte auch dafür, daß der am Set oft omnipräsente Irwin
Allen nicht zu übereifrig wurde.
Der Film mit dem Weihnachtsbaum
Obwohl The Poseidon Inferno für einen Film seiner Art erstaunlich
viel Wert auf die Charaktere legte, wurden natürlich Kulissen und Effekte
besonders bevorzugt behandelt. Nur wenige Szenen wurden auch auf einem
richtigen Schiff gedreht, das allerdings nicht im Wasser schwamm: der
Queen Mary, dem mächtigen Ozeanliner, der an der Küste vor Los Angeles
zum Luxushotel umgebaut wurde. Alle anderen Sets, inklusive dem riesigen
Ballsaal, mußten aus logistischen Gründen im Studio nachgebaut werden,
da im größten Teil des Films das Schiff ja auf dem Kopf im Wasser schwimmt
und die Kulissen entsprechend umgebaut wurden.
Die Sets wurden von Produktionsdesigner Willam J. Creber nach den Original-Plänen
der Queen Mary gestaltet. Die Illusion des gekenterten Schiffs wurde mit
relativ einfachen Mitteln erstaunlich gut bewerkstelligt, obwohl man aufgrund
der (durchaus realistischen) schlechten Beleuchtung die Kulissen nur schemenhaft
erkennen kann – es bedurfte halt keiner besonders aufwendigen Dekoration
um eine umheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Die berühmteste Requisite
des Films ist natürlich der Weihnachtsbaum, an dem die Passagiere aus
dem Ballsaal in das Innere des Schiffs klettern – diese Szene wurde zum
Markenzeichen schlechthin des Films, der von vielen Fans auch gerne liebevoll
„Der Film mit dem Weihnachtsbaum“ genannt wird.
Viele Special Effects im klassischen Sinn enthält The Poseidon Adventure
nicht – die meisten Stunts und Effekte wurden zusammen mit den Schauspielern
ohne Bluescreen-Technik direkt auf dem Set gedreht. Nur die Außenaufnahmen
der Poseidon sind Trickaufnahmen, die von Spezialist L.B. Abbott mit Hilfe
eines besonders detailreichen Modells in einem Wassertank auf dem Fox-Gelände
gedreht wurden und erstaunlich realistisch wirken. Als besonders spektakulär
erwiesen sich die Szenen der eigentlichen Katastrophe, die nicht nur für
die damalige Zeit hervorragend waren, sondern auch im Vergleich zu heutigen
computeranimierten Effekten immer noch standhalten können.
Die Musik zum Erfolg
Für die eigentliche Filmmusik wurde niemand anders als John Williams engagiert,
der in den siebziger Jahren noch ganz am Anfang seiner Karriere stand,
aber für Irwin Allen kein Unbekannter war: Williams hatte in den sechziger
Jahren schon die Titelmusiken für Allens Fernsehserien Lost in Space und
The Time Tunnel geschrieben und war daher für den Produzenten die allererste
Wahl. Große Erfahrungen mit Katastrophen-Filmen wie The Poseidon Adventure
hatte der Filmkomponist damals allerdings noch nicht, so daß seine Musik
etwas übertrieben und noch nicht ganz so melodiös wie seine späteren Werke
klingt.
Während die Filmmusik von The Poseidon Adventure kaum beachtet
wurde, wurde der einzige Song des Films zu einem überraschenden Erfolg.
The Morning After, der schnulzige Song den die in den Plot eingebaute
Band mit der Sängerin und späteren Katastropen-Überlebenden Nonnie spielt,
wurde noch vor Beginn der Dreharbeiten von dem Songwriter-Duo Al Kasha
und Joel Hirschhorn in nur einer Nacht als schnelle Auftragsarbeit geschrieben.
Carol Lynley, die Schauspielerin die den Song eigentlich singen sollte,
mußte mangels Gesangskünsten allerdings von der Studiosängerin Renee Armand
synchronisiert werden.
Auch das Demoband von Maureen McGovern fand in einer Filmszene Verwendung
und gefiel der Musikabteilung von Fox so gut, daß die Sängerin für die
offizielle Singeveröffentlichung engagiert wurde. Erstaunlicherweise wurde
der Song 1973 zusammen mit sieben anderen Kategorien für den Oscar nominiert
– und gewann zur Überraschung aller den einzigen Academy Award für The
Poseidon Inferno.
Ende mit Schrecken und Erfolg ohne Ende
Kurz vor dem Ende der Dreharbeiten ging auch etwas ganz anderes zuende:
das Budget war restlos aufgebraucht und Ronald Neame und Irwin Allen waren
sich einig, daß sie auf keinen Fall mehr als die geplanten fünf Millionen
Dollar ausgeben wollten. Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt neunzig Prozent
des Films schon fertig, aber die ursprünglich geplante grandiose Schlußszene
mußte unweigerlich an dem plötzlichen Geldmangel stark leiden.
Statt einer aufwendigen Luftaufnahme mit vielen Rettungsschiffen und komplizierten
Special-Effects der gekenterten Poseidon mußte eine einfache Notversion
auf dem Studiogelände gedreht werden. Diese Szene machte zum Glück aber
nur einen Bruchteil des Films aus, und Ronald Neame und Irwin Allen ließen
sich davon nicht irritieren und sorgten dafür, daß der Film trotzdem wie
geplant fertiggestellt werden konnte. Bis auf den notgerdungen improvisierten
Schluß entsprach der fertige Film ganz Irwin Allens anspruchsvollen Vorstellungen.
Inzwischen war 20th Centry Fox aber doch von "Irwin's Folly" überzeugt
und war bereit, dem Film nicht nur eine ordentliche Postproduktion, sondern
auch eine große Werbekampagne zu spendieren. Mit einem riesigen Publicity-Aufwand
fanden die ersten Premieren von The Poseidon Inferno im Dezember
1972 statt und wurden zu einem großen Überraschungserfolg, mit dem niemand
wirklich gerechnet hatte - die Mischung aus gigantischem Katastrophenfilm
und menschlichem Drama erwies sich als enormer Publikumsmagnet.
Das Poseidon-Phänomen
Es war der Film, mit dem eine neue Welle der Katastrophen-Spektakel losging:
so etwas wie The Poseidon Adventure hatte es zuvor noch nie gegeben,
weil noch niemand zuvor ein derartiges Erfolgsrezept ausprobiert hatte.
Irwin Allen hatte es geschafft, seine Vision zu verwirklichen und den
Studiochefs gezeigt, daß seine Ideen keine Luftschlösser waren – zwei
Jahre später war 20th Century Fox bereit, in sein neues Projekt The
Towering Inferno noch viel mehr zu investieren.
Nach Irwin Allen kamen in den siebziger und frühen achtziger Jahren aber
noch viele Nachahmer, die nur selten so erfolgreich wie der "Master
of Disaster" selbst waren. Der Film wurde schon sehr früh von der
Welle der Remakes und Fortsetzungen erfaßt, denn 1979 versuchte Irwin
Allen selbst eine Fortsetzung zu drehen, aber zu diesem Zeitpunkt war
die Magie der Katastrophen-Filme schon vorbei und der Film floppte gnadenlos.
Auch Wolfgang Petersens neuestes Remake baute trotz 160 Millionen Dollar
Budget kolossalen Schiffbruch und ging im Gegensatz zum Original nur als
riesiges Verlustgeschäft für das Studio in die Filmgeschichte ein.
Durch zahllose Wiederaufführungen und Fernsehausstrahlungen wurde The
Poseidon Adventure in den dreißig Jahren seit seiner Entstehung langsam,
aber sicher zu einem Klassiker der besonderen, der Millionen von Zuschauern
auf der ganzen Welt begeisterte und bis heute trotz der kleinen Imperfektionen
immer noch zu den besten seines Genres gehört.
Die DVD
Die neue Special-Edition des originalen Poseidon Adventure
ist sicherlich nur dem unsäglichen Remake zu verdanken, denn sonst hätte
sich 20th Century Fox sicher nicht soviel Mühe gegeben. Außer einem nagelneuen
Transfer und einer überarbeiteten Stereo-Surround-Tonspur bekommt man
jede Menge Extras geboten, die vor allem durch die Beteiligung des Regisseurs
und einiger Schauspieler besonders interessant geworden sind.
Die deutsche Ausgabe der DVD unter dem Titel Poseidon Inferno
scheint inhaltlich mit der amerikanischen Version identisch zu sein und
hat wie die anderen weltweiten Veröffentlichungen ein etwas anderes Coverdesign.
Die Verpackung besteht aus einem normalen Doppel-Amaray-Keepcase in einem
kräftigen Kartonschuber – ein Booklet gibt es nicht, aber die Rückseite
des Covers ist mit einem Kapitelindex bedruckt, obwohl die DVD in einem
nicht durchsichtigen Case ausgeliefert wurde.
Fox demonstriert mit der Special-Edition von The Poseidon Adventure
wie man die DVD-Veröffentlichungen von Filmklassikern wie diesem richtig
macht – mit einer Erneuerung der früheren DVD war kaum zu rechnen, aber
das Ergebnis ist ausgezeichnet und ein Neukauf der Special-Edition lohnt
sich dank des relativ niedrigen Preises auf jeden Fall.
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Bonusmaterial
Für die neue Special Edition von The Poseidon Adventure
hat sich Fox überraschend große Mühe gegeben und nicht nur einige Dokumentationen
zusammengestellt, sondern dabei auch Filmemacher und Schauspieler einbinden
können – etwas, was bei den wenigsten Filmen aus den siebziger Jahren
überhaupt noch möglich ist.
Im ersten Audiokommentar der DVD ist Regisseur Ronald
Neame zu hören, der trotz seines hohen Alters mit Mitte Neunzig immer
noch ein hervorragender Erzähler ist. Der Filmemacher macht kaum einmal
eine Verschnaufpause und erinnert sich mit viel trockenem britischen Charme
und einer Menge Vergnügen an viele Einzelheiten von der Entstehung des
Films. Dabei spart Ronald Neame nicht an Selbstkritik und ist selbst erstaunt,
daß ein Film mit einer so holperigen Entstehungsgeschichte so ein großer
Erfolg wurde, hat aber gleichzeitig großen Respekt vor seinen Kollegen
und redet noch nicht einmal von Irwin Allen schlecht, auch wenn er mit
dem Produzenten nicht immer einer Meinung war. Ronald Neame weiß seine
Zuhörer zu ausgezeichnet zu unterhalten und macht diese Kommentarspur
zu einer der besten ihrer Art.
Die zweite Kommentarspur wird von den Schauspielerinnen
Pamela Sue Martin, Stella Stevens und Carol Lynley bestritten, die im
Vergleich zu Ronald Neame etwas weniger gesprächig sind und natürlich
über ganz andere Themen diskutieren. Es ist zum Glück nicht der befürchtete
Kaffeeklatsch der alten Damen, die sich über ihre Jugendsünden austauschen,
sondern eine ganz lustige und interessante Konversation zwischen den Schauspielerinnen,
die auch mal etwas weniger zurückhaltend und viel frecher über ihre Erlebnisse
berichten.
Follow the Escape! blendet im laufenden Film „interaktive“
Grafiken von Rißzeichnungen des Schiffs ein und verfolgt die Route der
Überlebenden durch das Schiff. Leider läßt sich dieses Extra nicht separat
aufrufen, so daß man schon den ganzen Film nochmal schauen muß um sich
die Grafiken anzuschauen.
AMC Backstory (25:08) gehört zu einer Reihe von kurzen
Dokumentationen, die vor einigen Jahren vom amerikanischen Spielfilmsender
AMC produziert wurden und auf vielen Fox-DVDs zu sehen sind. Vom Stil
her irgendwo in der Mitte zwischen ernsthafter Dokumentation und Werbefeaturette
angesiedelt, bekommt man hier über The Poseidon Adventure alle wichtigen
Fakten zu hören, inklusive einiger sehr interessanter Aufnahmen von den
Dreharbeiten und aktuellen Interview-Schnipseln mit den Filmemachern,
Schauspielern und anderen.
Die Featurettes machen noch einmal eine gute halbe Stunde
Laufzeit aus und bestehen aus neu für diese DVD produzierten und zusammengestellten
Interviews, die inhaltlich noch viel mehr bieten als die AMC-Dokumentation,
allerdings auch etwas knapp geraten sind.
In The Cast looks back (5:40) kommen Sheila Allen, Red
Buttons, Stella Stevens, Carol Lynley, Pamela Sue Martin und Roddy McDowall
zu Wort und erinnern sich mit viel Humor, aber auch Respekt an die Entstehung
des Films.
Falling up with Ernie (4:08) bringt den Nebendarsteller
Ernie Orsatti auf den Plan, der unfreiwillig für einen der bemerkenswertesten
Stunts des Films herangezogen wurde, obwohl er überhaupt kein Stuntman
war. Orsatti erzählt hier in seinen eigenen Worten, wie es zu dieser halsbrecherischen
Aktion kam.
The Writer: Stirling Silliphant (9:14) läßt Agent Don
Kopaloff, die Autoren David Morell und Christopher Vogler, Schauspielerin
Stella Stevens, Zeichner Joseph Musso und Regisseur Charles Matthau über
die bemerkenswerte Karriere des Drehbuchautors erzählen.
The Heroes of the Poseidon (9:52) mit Autoren Christopher
Vogler und David Morell, Schauspielerin Stella Stevens und dem Theologen
Christopher Heard versucht die religiösen Hintergründe des Films zu erklären,
was jedoch einige recht zweifelhafte Interpretationen hervorruft.
The Morning After Story (8:55) handelt von der unglaubliche Erfolgsgeschichte
des Quasi-Titelsongs von The Poseidon Adventure. Komponist Al Kasha, Sängerinnen
Maureen McGovern und Renee Armand und Schauspielerin Carol Lynley erzählen
wie der Song entstand und räumen auch gleich mit den Gerüchten auf, wer
den Song im Film wirklich gesungen hat.
R.M.S. Queen Mary (6:23) umreißt kurz die Geschichte
des legendären Dampfers, der das Vorbild für die S.S. Poseidon war und
heute als Luxushotel an der Küste von Los Angeles der Nachwelt erhalten
geblieben ist.
Die Conversations with Ronald Neame sind kurze Interviews,
die offenbar während der Aufnahme des Audiokommentars entstanden sind.
In Sinking Corridor (3:19) erklärt der Regisseur wie
in einer Szene ein Korridor geflutet wurde. In Generations of
Fans (3:17) erzählt er von seinen Begegnungen mit Fans des Films
über die Jahre hinweg und liest sogar einen gerade frisch angekommenen
Brief vor, während es in Turning over the Ship (2:25)
wieder um filmtechnische Tricks geht, die Ronald Neame mit Hilfe eines
Lineals und sichtlichem Vergnügen erklärt.
Das Vintage Promotional Material enthält den Teaser
(1:32) und den Trailer (3:07) des Films, sowie das Original
1972 Featurette (9:34). Dies war auch schon auf der alten DVD
des Films dabei, ist hier aber in einer viel besseren Bildqualität zu
sehen. Obwohl es sich um ein Werbefeaturette handelt, sind eine Menge
faszinierender Behind-the-Scenes-Aufnahmen und Interviews zu sehen, die
zwar durchweg etwas oberflächlich, aber deswegen nicht weniger interessant
sind.
Der American Cinematographer Article enthält auf 43 Bildschirmseiten
mit vielen vergrößerbaren Fotos einen kompletten Zeitungsartikel über
die Entstehung von The Poseidon Adventure, der natürlich sehr techniklastige
Themen behandelt, aber trotzdem durchaus faszinierend ist.
Die Galleries sind erstaunlich gut bestückt und enthalten
in den Bereichen Marketing (21 Bilder), Publicity
(63 Bilder) und Behind the Scenes (35) eine ganze Menge
Fotos, die leider wie so oft viel zu klein abgebildet wurden – aber Quantität
schlägt in diesem Fall ausnahmsweise auch mal Qualität.
Die Storyboard Comparisons enthalten keine richtigen
Vergleiche, sondern einen abwechselnden Mix von Filmszenen und Storyboards
von den drei Szenen Ship Capsized (2:42), Up
the vertical Shaft (2:19) und Saving Reverend Scott
(2:03).
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