Soul Music 
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10.9.2010 #489

von Guido Bibra

Titel Soul Music
Studio Cosgrove Hall (1997)
Hersteller Universal (2000) EAN 5-050582-414615
DVD-Typ 9 (7,14 GB) Bitrate ø 5,28 max. 6,0
Laufzeit 7x24 Minuten Kapitel 1/Episode
Regionalcode 2 (England) Case Amaray I
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.33:1 16:9 ja
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Surround 192 kbit/s Englisch
Untertitel Keine
Freigabe BBFC PG
Extras • Interview with Terry Pratchett
• Discworld Pilot
• Storyboards
• Terry Pratchett Biography
• Character Biographies
• Filmographies
• Discworld Bibliography

Die Serie

Auch der Tod macht mal Urlaub, was auf der Discworld aber merkwürdige Folgen haben kann. Zum Glück hat der Grim Reaper mit seiner adoptierten Enkeltochter Susan aber eine passende Urlaubsvertretung, auch wenn die junge Dame sich nur schwer in ihrer neuen Rolle zurechtfindet. Währenddessen will Imp Y Celyn, ein junger Barde, in der Großstadt Ankh-Morpork sein Glück als Musiker versuchen. Dort trifft er auf den Troll-Schlagzeuger Lias und den Zwergen-Saxophonisten Glod, die sich zusammentun und seltsames erleben, als sie für Imp alias Buddy in einem Musikladen eine Gitarre kaufen, die ein mysteriöses Eigenleben entwickelt...

 


Eigentlich galten Terry Pratchett's Discworld-Romane als unverfilmbar und der Autor hatte sich lange Zeit erst gar nicht auf Fernseh- oder Kinoadaptionen eingelassen. Die SkyOne-Fernsehfilme Hogfather, The Colour of Magic und Going Postal haben dies inzwischen grundlegend geändert, aber der Weg zu einer gelungenen Verfilmung hatten eigentlich zwei Projekte des Trickfilmstudios Cosgrove Hall geebnet. Ausgesucht wurden dazu zwei von Terry Pratchetts beliebtesten Discworld Romanen, Wyrd Sisters und Soul Music - letzerer erwies sich dabei als das deutlich ehrgeizigere Vorhaben, denn dabei galt es nicht nur eine gelungene Animation zu produzieren, sondern auch eine entsprechende Soundtrack.

Während Terry Pratchetts erste Discworld-Romane mehr oder weniger geradlinige Fantasy-Parodien waren, begann sich die flache Welt in den späteren Geschichten langsam, aber sicher aus dem düsteren Mittelalter weiter zu entwickeln. Nachdem in Moving Pictures die Filmindustrie auf der Discworld aufkam, hatte Terry Pratchett einige Bücher später mit Soul Music auch das Thema Musik aufgegriffen und sich der Evolution von Pop und Rock gewidmet. Gleichzeitig ergriff er die Gelegenheit, die Geschichte von Tods Adoptivtochter Ysabell aus Mort weiterzuerzählen und deren Tochter Susan zur eigentlichen Protagonistin des Buchs zu machen. Die Story über die ungewöhnlichste Band des Fantasy-Genres war mit zahllosen Anspielungen auf die Musikbranche gespickt und damit nicht gerade ein idealer Kandidat für eine Trickfilm-Adaption - aber Cosgrove Hall hatte sich trotzdem davon nicht beirren lassen.

Soul Music ist einer der etwas längeren und komplexeren Discworld-Geschichten, die sich nicht wie Wyrd Sisters in vier Episoden erzählen läßt. Drehbuchautor Martin Jameson hatte deshalb zusammen mit Terry Pratchett entschieden, den größten Teil der Geschichte intakt zu lassen und auf sieben 24-minütige Episoden mit einer Laufzeit von fast drei Stunden aufzuteilen. Die Geschichte mußte natürlich gestrafft werden und kleinere Subplots wurden weggelassen oder stark eingeschrumpft, aber insgesamt wurde an der Buchvorlage inhaltlich kaum etwas verändert. Die Parallelen zur Karriere der Beatles wurden allerdings noch mehr in den Vordergrund gerückt und Terry Pratchetts pointierte Dialoge, die fast schon wie für ein Drehbuch geschaffen waren, konnten größtenteils unverändert übernommen werden. Regisseurin Jean Flynn, die parallel auch für Wyrd Sisters verantwortlich war, hatte so ein hervorragendes Drehbuch als Vorlage.

Die visuelle Gestaltung von Soul Music war eine große Herausforderung für Cosgrove Hall, denn die Handlungsorte beschränken sich nicht nur auf eine handvoll Szenerien, sondern wandern quer über die gesamte Discworld und machen sogar vor übernatürlichen Residenzen nicht halt. So wurde einerseits das chaotische, farbenfrohe und etwas schmuddelige Ankh-Morpork in Szene gesetzt, andererseits aber auch Tods monochromes Anwesen und viele andere Orte gezeigt. Die Hintergründe sind beeindruckend detailreich und eine richtige Augenweide, oft aber natürlich viel zu kurz zu sehen.

Die Gestaltung und Animation der Charaktere ist dagegen zwar etwas simpler, aber immer noch viel komplexer als bei manchen anderen Trickfilm-Serien. Dem typischen Stil von Cosgrove Hall folgend wurde weniger mit Schattierungen und Abstufungen gearbeitet als mit klaren Linien und einfarbigen Flächen, was den Charakteren aber nur ein leicht cartooniges Aussehen gibt. Die Gesichter sind keine Karikarturen, sondern orientieren sich mehr an der Realität und haben eine sehr ausdrucksstarke und dynamische Mimik.

Für Tod wurde eine originelle Lösung gefunden, die nur im Zeichentrick funktioniert: damit man nicht immer nur einen starren Schädel zu sehen bekommt, wurde dieser mit Hilfe einiger eigentlich völlig unrealistischer, aber im Rahmen des Trickfilms ganz natürlich aussehenden Bewegungen zum Leben erweckt. Obwohl durchgängig wie bei den meisten Trickfilm-Produktionen nur mit halber Bildrate animiert wurde, sind Bewegungen immer flüssig und sehen besonders in den komplexen Massenszenen immer sehr realistisch aus.

Genauso wie bei Wyrd Sisters hatte Cosgrove Hall auch bei Soul Music ein besonders gutes Händchen bei der Auswahl der Sprecher. Besonders bemerkenswert wurde das Problem der Besetzung von Tod, der auf der Discworld eine richtige Person ist, aber ansonsten dem Skelett-und-Sense-Mythos entspricht. Terry Pratchett hatte in seinen Büchern dessen Stimme als "wie zufallende Sargdeckel" beschrieben und dabei wahrscheinlich auch an Horrorfilm-Legende Christopher Lee gedacht. Cosgrove Hall war es erstaunlicherweise gelungen, nicht nur jemanden zu finden, der sich wie Christopher Lee anhört, sondern den Schauspieler selbst zu engagieren. Dadurch konnte dem personifizierten Tod, der in dieser Geschichte weniger gruselig als menschlich ist, genau die richtige Stimme gegeben werden. Nur wenige andere Schauspieler hätten diese Rolle besser ausgefüllt als Christopher Lee, der mit seiner sonoren Stimme noch nicht einmal künstlichen Hall oder Echo braucht, um fest mit seinem Charakter zu verwachsen.

Eine zentrale Hauptrolle gibt es in Soul Music nicht, denn es handelt sich mehr um eine Ensemble-Story, die bei der Besetzung der anderen Rollen einiges Fingerspitzengefühl brauchte, das Jean Flynn und Cosgrove Hall meisterhaft bewiesen haben. Für Tods Enkeltochter Susan hatten die Produzenten eine alte Bekannte ausgewählt, denn Debra Gillett hatte bereits fünf Jahre zuvor in Cosgrove-Halls Stopmotion-Adaption von Terry Pratchetts Truckers eine der Hauptrollen gesprochen. Die Schauspielerin schafft es, sich die vielen Facetten von Susan Sto Helit - von schüchterner Teenagerin bis zu Tods Enkeltochter im Dienst - auf gelungene Weise zu eigen machen.

Der mehr im Theater als in Film und Fernsehen bekannte Andy Hockley war ein Glücksgriff und konnte die richtige jugendliche Energie und Frechheit in den zum Rockstar transformierten Barden Imp Y Celyn einfließen lassen und ihm auch einen passenden, aber nicht zu aufdringlichen Mersey-Akzent geben. Auch Robert Rackstraw als Zwergen-Saxophonist Glod klingt, als ob er mit John Lennon und Paul McCartney gemeinsam zur Schule gegangen wäre, aber für den Schlagzeuger Cliff wurde treffsicher George Harris ausgesucht, der dem Troll eine wundervoll jazzige Reibeisen-Stimme gab, die nicht besser hätte passen können.

Während Animation und Schauspieler die eine Hälfte von Soul Music ausmachen, ist die Musik mindestens für die andere Hälfte des Erfolgs der Serie verantwortlich. Diesmal ging es nicht nur darum, eine originelle Hintergrundscore zu schreiben, sondern auch die im Buch beschriebene musikalische Entwicklung der Band With Rocks In in die Wirklichkeit umzusetzen. Cosgrove-Hall hatte das Glück, mit Keith Hopwood und Phil Bush ein Team von Musikern an Bord zu haben, die dazu in der Lage waren und nicht nur eine Reihe von nichtssagenden 08/15-Songs schrieben, sondern eine Reise durch die Musikgeschichte vom Ende der fünziger Jahre bis zur modernen Popmusik unternahmen.

Insgesamt wurden für Soul Music acht Songs und ein Instrumental aufgenommen, so daß in jeder der sieben Episoden eine musikalische Epoche vorkam. Den Auftakt macht ein vom Titel schon in früheren Discworld-Geschichten genanntes Volkslied namens Gatherin' Rhubarb, das schnell von Big Moon Rising, einem frühen Rock'n'Roll-Kracher im Stil von Chuck Berry, Elvis Presley & Co abgelöst wird. Weiter geht es mit der Little Richard-ähnlichen Nummer Cover Girl, während She Won't Change Her Mind als Vorbild die Beatles um 1965 hat. Touchstone ist dagegen ein Flowerpower-Querschnitt, Good Lovin' orientiert sich mehr am Sound der Blues Brothers und Pathway to Paradise nimmt sich den gitarrenlastigen Stil von unter anderem Jimmy Hendrix oder Van Halen zum Vorbild. Einen gelungenen Abschluß bilden ein wunderschönes Harfen-Solo und die 80er-Pophymne The Messenger.

Die Songs haben alle eins gemeinsam: fantastische Arrangements, die die völlig unterschiedlichen Stile haargenau treffen, ohne bei ihren Vorbildern zu klauen. Keith Hopwood, ehemals Gitarrist von Peter Noones Herman's Hermits, hatte nicht nur den Gesang bei allen Stücken übernommen, sondern auch die fantastischen Gitarren-Parts eingespielt, die mit rasanten Solos begeistern können und Hand in Hand mit den kompetenten und äußerst gelungenen Arrangements von Producer und Mitkomponist Phil Bush gehen, an denen sich manche andere Musiker eine dicke Scheibe abschneiden könnten. Die Texte der musikalisch brilliant komponierten Songs sind allerdings größtenteils absichlicher Nonsense und ein gelungener Seitenhieb auf die Trivialität vieler Songs der fünfziger und sechziger Jahre.

Cosgrove-Hall hatte mit Soul Music eine rundum gelungene Trickfilm-Adaption von Terry Pratchetts eigentlich unverfilmbarem Roman produziert, die nicht nur mit einer gelungenen Animation und bemerkenwerten Stimmen begeistern konnte, sondern auch mit einer fantastischen Soundtrack, die die musikalischen Elemente der Buchvorlage perfekt umgesetzt hatte. Dadurch konnte Soul Music zu mehr als nur einer x-beliebigen Zeichentrick-Serie werden und gleichermaßen Fans von Terry Pratchett und Musik-Kenner ansprechen.

Die DVD

Soul Music wurde zusammen mit Wyrd Sisters nach einer VHS-Veröffentlichung Ende der neunziger Jahre von Universal 2000 in England auch als DVD herausgebracht. Die ursprüngliche Struktur von sieben einzelnen Episoden wurde beibehalten und die Disc mit einigen sehr interessanten Extras wie einem ausführlichen Interview mit Terry Pratchett ausgestattet. Die Bildqualität ist zum Glück viel besser als bei Wyrd Sisters, viel verbessern könnte man diese empfehlenswerte DVD deshalb kaum noch.

Die hier rezensierte Ausgabe von Soul Music stammt aus einem britischen Doppelpack mit Wyrd Sisters, in dem aber nur die beiden einzelnen DVDs in einem Pappschuber untergebracht wurden. Leider ist die britische DVD derzeit out-of-print und nur gebraucht erhältlich. Seit 2009 gibt es in Deutschland aber eine DVD von Soul Music des Distributors KSM, die allerdings keine der Extras von der britischen Ausgabe enthält.

Cover

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Bild

Während die DVD von Wyrd Sisters mit einer VHS-ähnlichen Bildqualität zu kämpfen hat, kann man bei Soul Music Entwarnung geben, denn hier stand ein sauberes Bildmaster zur Verfügung, das die auf digitaler Basis produzierte Animation ganz hervorragend wiedergibt.

Im Gegensatz zu Wyrd Sisters ist das Bild dieser DVD geradezu blitzblank und frei von jeglichem Rauschen, Grieseln oder anderen Störungen. Die Schärfe ist nicht auf dem allerhöchsten Niveau, was aber mehr an den Grenzen der Animation als am Bildmaster zu liegen scheint - dafür wurde allerdings auch nicht nachträglich aufgeschärft. Linien sind trotzdem sehr sauber und haben ein richtig gezeichnetes Aussehen, während die Hintergründe geradezu wie Gemälde aussehen. Die Farben werden völlig rauschfrei wiedergegeben und machen einen sehr kräftigen Eindruck.

Das Bild ist auf dieser DVD sauber progressiv codiert wurden und hat keine der Interlacing-Probleme von Wyrd Sisters. Leider macht sich die Kompression hier manchmal etwas unangenehm bemerkbar. Mit sieben 24-minütigen Episoden und einigen Extras sind auf der einzelnen Disc fast dreieinhalb Stunden Videomaterial untergebracht, was die Bitrate auf gerade einmal 4.5 Mbit/s drückt und gelegentlich Kompressionsartefakte verursacht, die aber kaum so schlimm sind wie das starke Videorauschen von Wyrd Sisters.

Trotz der leichten Kompressionsprobleme kann man mit der Bildqualität dieser DVD sehr zufrieden sein, denn dieses Bild ist auch auf größeren Bildschirmen immer noch sehr gut anschaubar.

Ton

Genauso wiebei Wyrd Sisters wurde der Ton von Soul Music auch in Dolby Surround abgemischt, aber wahrscheinlich aus lizenztechnischen Gründen nur als Stereo bezeichnet. Tatsächlich kann man aus der 2.0-Tonspur mit einem ProLogic-Decoder eine ganze Menge herausholen.

Die englische Tonspur wurde in den üblichen 192 kbit/s mit Dolby Digital codiert und hat zwar kein Surround-Flag, aber trotzdem einigen Raumklang zu bieten. Der wird hauptsächlich von der Musik erzeugt, die besonders in den Konzertsequenzen einen sehr knackigen Klang zu bieten hat, aber der Surroundkanal wird dennoch gelegentlich von punktuellen Effekten oder auch diffusen Geräuschen genutzt. Die vordere Soundstage ist überraschend aktiv und beschränkt sich nicht nur auf den mittleren Kanal, sondern breitet sich oft auch nach rechts und links aus. Die Dialoge sind glasklar verständlich und gelegentlich sogar direktional abgemischt worden.

Auf Untertitel wurde bei dieser DVD leider verzichtet, so daß man bei den sprachlich nicht ganz einfachen Dialogen auf sich selbst gestellt ist.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial der Soul Music-DVD kann sich durchaus behaupten, denn außer einem langen Interview mit dem Autor sind auch noch einige andere Extras wie der vollständige Pilotfilm und eine handvoll Storyboards dabei. Lediglich das Menüdesign paßt nicht wirklich zum Design der Serie und wirkt wie aus einem kommerziellen DVD-Baukasten geklaut.

Das Interview with Terry Pratchett (31:15) ist nicht nur ein ausführliches Gespräch mit dem Autor, sondern auch ein kleines Making-Of, da Pratchett auch viel über die Entstehung der Serie erzählt.

Welcome to the Discworld (7:34) ist der komplette, aber nie vervollständigte Pilotfilm, der als Test vor Wyrd Sisters und Soul Music produziert wurde.

Die Storyboards stammen aus der dritten Episode, sind aber mit nur 18 Stück nicht besonders zahlreich und in einen grafischen Rahmen verpackt, der sie teilweise störend verdeckt.

Die Terry Pratchett Bio faßt auf vier Bildschirmseiten die Karriere des Autors kurz zusammen.

In den sieben Character Bios kann man ein paar spärliche, aber humorvoll geschriebene Hintergrundinformationen zu den Charakteren der Geschichte lesen.

Filmographies enthält kurze Übersichten der Filme, in denen Christopher Lee, Graham Crowden, Andy Hockley und Debra Gillett mitgespielt haben.

Discworld Books enthält eine knappe Übersicht der bis 2000 erschienenen Discworld-Bücher.

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