Der Film
Er schrieb Kinderbücher, Kinofilme und Kurzgeschichten - Roald Dahl war einer der vielseitigsten Autoren der britischen Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts und hatte sich mit seinem unvergleichlichem schwarzen Humor seit Ende der vierziger Jahre einen ganz besonderen Namen gemacht. Sogar seine Geschichten für jüngere Leser waren von einem unterschwelligen düsteren Witz durchzogen und seine Kurzgeschichten durch ihre überraschenden Auflösungen berühmt.
Roald Dahl war jedoch nicht nur als Autor tätig, sondern auch im Fernsehen und Kino präsent. Schon Anfang der fünfziger Jahre wurden einige seiner Kurzgeschichten von verschiedenen amerikanischen Fernsehsendern verfilmt, aber die Krönung kam zwischen 1958 und 1961, als Alfred Hitchcock für seine Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents sechs von Roald Dahls Kurzgeschichten ausgewählt und auf gekonnte Weise in Szene gesetzt hatte. Die neu gewonnene Popularität nicht nur in seiner britischen Heimat, sondern auch in den USA verhalf ihm 1961 zu einer kurzlebigen CBS-Fernsehserie namens Way Out, die aus Dramatisierungen seiner Kurzgeschichten bestand und von ihm persönlich eingeleitet wurde.
Way Out hielt sich allerdings nur einen Sommer lang und nach vierzehn Episoden waren zwar die Kritiker begeistert, aber das amerikanische Fernsehpublikum konnte mit Roald Dahls pechschwarzem Humor nicht viel anfangen - CBS stellte die Serie kurzerhand wegen schlecher Einschaltquoten ein. Danach engagierte sich der Autor nur noch selten aktiv in der Fernsehbranche, aber seine Freundschaft zum 1964 verstorbenen Ian Fleming führte dazu, daß er für die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman nicht nur das Drehbuch für den James Bond-Film You Only Live Twice schrieb, sondern auch für die Musical-Komödie Chitty Chitty Bang Bang - beide von Flemings Buchvorlagen.
Bis auf diese Ausflüge in die britische Filmindustrie hielt sich Dahl aber in den sechziger Jahren weitgehend aus Film und Fernsehen zurück. Von der im wahrsten Sinne des Wortes zuckersüße und damit kaum noch der Buchvorlage entsprechende Verfilmung von Charlie and the Chocolate Factory unter dem Titel Willy Wonka and the Chocolate Factory war Roald Dahl sogar so entsetzt, daß er nichts mit dem Film zu tun haben wollte und in Zukunft kaum noch Adpationen seiner Werke zuließ. Nachdem aber einige seine Kurzgeschichten Mitte der siebziger Jahre vom niederländischen Staatsfernsehen in einer kleinen, fünfteiligen Serie adaptiert wurden, kam der Autor wieder auf den Geschmack und fand bald eine Möglichkeit, im britischen Fernsehen aktiv zu werden.
Mitte der sechziger Jahre hatte die BBC in der Reihe Thirty-Minute-Theater drei von Roald Dahls Kurzgeschichten inszeniert, aber 1976 traf der Autor rein zufällig auf einer Weihnachtsfeier auf den legendären Produzenten John Woolf, dem er die Rechte an seinen Kurzgeschichten anbot. Woolf arbeitete aber zu dieser Zeit nicht bei der ehrwürdigen BBC, sondern war der Fernsehspiel-Chef von Anglia Television und begeistert von der Idee, Dahls Kurzgeschichten in einem ähnlichen Format wie zwanzig Jahre zuvor beim amerikanischem Vorgänger Way Out in Szene zu setzen. Anglia Television war ein Teil des Sendernetzes von ITV, die seit den fünfziger Jahren mit innovativen und kreativen Konzepten die britische Fernsehindustrie aufgemischt hatten.
Roald Dahl befand sich damit in bester Gesellschaft und die Produzenten von Anglia Television dachten nicht im geringsten daran, seine Geschichten völlig ohne seine Mitwirkung umzusetzen und legten großen Wert auf seine Kooperation. Während Roald Dahl zwar seinen Drehbuchautoren-Hut schon lange an den Nagel gehängt hatte und die eigentliche Umsetzung seiner Kurzgeschichten in Script-Form anderen überließ, hatte er ein wachsames Auge auf die Produktion der Serie. Ursprünglich war geplant, Peter Ustinov jede Episode einleiten zu lassen, aber dann war es doch Roald Dahl persönlich, der diese Aufgabe auf genüßliche Weise selbst übernahm.
Für die neun Episoden der ersten Staffel hatte Roald Dahl eine handvoll der beliebtesten Klassiker seiner Kurzgeschichten ausgesucht, von denen fünf auch schon zuvor in den fünfziger und sechziger Jahren für Alfred Hitchcock Presents verfilmt worden waren. Die Überschneidungen mit den Hitckcock-Versionen waren durchaus gewollt, denn diese waren für das amerikanische Fernsehen produziert worden und mit Tales of the Unexpected bekam Roald Dahl die Chance, diese Geschichten noch einmal neu aus einer britischen Perspektive in Szene zu setzen. Es sollten keine Verbesserungen werden, sondern ganz neue, alternative Versionen.
Die Geschichten wurden von einem kleinen, dreiköpfigen Team von Autoren umgesetzt, das aus Produzent Kevin Goldstein-Jackson und den beiden Schriftstellern Ronald Harwood und Robin Chapman bestand. Es wurden keine großen Experimente mit Roald Dahls Vorlagen gemacht, aber die Drehbücher wurden mit einer frischen Herangehensweise an das Material geschrieben, die ganz neue Interpretationen ermöglichten. Zwar blieben die drei Autoren den Vorlagen weitgehend treu, scheuten aber auch nicht vor sinnvollen Änderungen zurück, die bei einigen der Geschichten gemacht wurden, ohne sie auch nur ansatzweise zu verfälschen. Eine formatbedingte Einschränkung gab es jedoch: da es eine Produktion für das Privatfernsehen war, mußten die Geschichten für den Einsatz von Werbeblöcken in drei klare Akte unterteilt werden, was aber nicht unbedingt ein Nachteil war.
Das schwierige Problem eine passende Besetzung zu finden hatten die Produzenten von Anglia Television auf elegante Weise gelöst, in dem eine Mischung aus bekannten und berühmten Schauspielern und Newcomern engagiert wurde. Zwar war es aus finanziellen Gründen nicht möglich eine komplette Starbesetzung zu bekommen, aber es gelang den Produzenten alleine schon durch die Mitwirkung von Roald Dahl, einige große Namen für das Projekt zu begeistern. Schon in der ersten Staffel wollten viele britische und internationale Schauspieler ein Teil der Tales of the Unexpected sein. Von Jose Ferrer über Brian Blessed, Susan George, John Gielgud und Jack Weston bis zu Julie Harris, Wendy Hiller und Joseph Cotton waren sie alle dabei und gaben großartige Vorstellungen, die aber die weniger bekannten Schauspieler nicht überschatteten.
Die Besetzung litt nicht wirklich unter den Beschränkungen des Budgets, aber der Geldmangel machte sich beim Produktionsstandard doch manchmal bemerkbar. Wie bei vielen britischen Fernsehserien aus dieser Zeit wurden Innenaufnahmen fast ausschließlich auf Video gedreht und nur Außenaufnahmen auf 16mm-Film. Diese damals gebräuchliche Praxis verursachte den typischen Fernseh-Look der siebziger und achtziger Jahre, aber dafür konnten die Produzenten das Budget für wichtigere Dinge wie das Produktionsdesign und die Drehorte verwenden. Für die ersten neun Episoden standen zwar 1.5 Millionen Pfund zur Verfügung, aber bei etwa 200.000 Pfund pro Episode war kein unnötiger Luxus möglich.
Während die Serie aufnahmetechnisch etwas billig aussah, wurde umso größeren Wert auf die eigentliche Produktion gelegt. Tales of the Unexpected beschränkte sich nicht nur auf kostengünstige Studioaufnahmen, sondern wurde auch oft On Location produziert. So entstand die erste Episode Man from the South am Originalschauplatz in Jamaika und auch A Dip in the Pool, die zweite Episode mit Urlaubsflair, wurde auf einem Kreuzfahrtschiff gedreht. Eine sterile Studioatmosphäre wurde so oft wie möglich vermieden und auch die Studiosets wurden so detailreich gestaltet, daß eine Theateratmosphäre nur selten aufkommt.
Ein Stab von sieben erfahrenen Regisseuren, die alle langjährige Mitarbeiter von Anglia Television waren, sorgte für eine gelungene Umsetzung der Geschichten ganz im Sinne des Autors. Die Inszenierungen waren sehr bodenständig und verzichteten auf aufwendige filmtechnische Tricks, konnten aber mit einer sehr soliden Machart begeistern, die die Geschichten oft vom einfachen Fernsehspiel zum ausgewachsenen Kurzfilm werden ließen. Trotz der nicht idealen technischen Präsentation und der knappen Länge von etwa 22 Minuten ohne Werbung pro Episode konnten die Tales of the Unexpected Roald Dahls Vorlagen mehr als gerecht werden und waren die gelungensten Umsetzungen des Stoffs.
Um der Serie eine ganz besondere Identität zu verleihen, wurde ein aufwendige Titelsequenz produziert, die eng an den Stil von Maurice Binders Vorspänne der James Bond-Filme angelehnt war. Ein elegant gestaltetes Logo wurde mit symbolträchtigen Animationen und der Silhouette eine Tänzerin kombiniert und machte damit gleich zu Beginn die genüßlich-makabere Atmosphäre der Serie deutlich. Unterstützt wurde dies auch durch die Titelmusik, einem gleichermaßen beschwingten und frech-mysteriös klingenden Walzer mit ohrwurmverdächtiger Melodie. Das Titelthema und die weitere Score wurde in der ersten Staffel ausschließlich von Ron Grainer komponiert, der sich zuvor schon mit vielen anderen zu Klassikern gewordenen TV-Themen wie Doctor Who, Danger Man und The Prisoner einen Namen gemacht hatte. Es war eine seiner letzten Kompositionen, denn er starb 1981 im Alter von nur 58 Jahren.
Roald Dahl's Tales of the Unexpected wurden zum ersten Mal von ITV im Frühjahr 1979 ausgestrahlt und wurden zu einem sofortigen Erfolg. Obwohl die erste Staffel nur aus neun Episoden bestand, waren Publikum und Kritiker gleichermaßen begeistert und Anglia Television wurde für die originalgetreue Umsetzung von Roald Dahls Kurzgeschichten mit engagierten Schauspielern und einer gelungenen Inszenierung hoch gelobt. Die Mischung aus Thriller, Horror und schwarzem Humor kam beim Publikum äußerst gut an - in der ersten Staffel wurden trotz starker Konkurrenz von der BBC regelmäßig aus heutiger Sicht astronomische Einschaltquoten von deutlich mehr als 50% erreicht.
Die Zukunft der Tales of the Unexpected war damit gesichert und Anglia Television hatte der Serie schon mit der ersten Staffel einen Platz in der britischen Fernsehgeschichte sichern können. Roald Dahl hatte aber ein Problem: wenn die Serie weiter laufen würde, hätte er irgendwann kein neues Material mehr übrig. Das passierte schon in der zweiten Staffel, denn von den produzierten 16 Episoden basierten schon vier nicht mehr auf Geschichten von Roald Dahl, sondern von anderen Autoren. Die Serie wurde kurzerhand in Tales of the Unexpected Introduced by Roald Dahl umbenannt und ab der dritten Staffel wurden die Geschichten auch nicht mehr vom Autor eingeleitet.
Was blieb, war jedoch der unvergleichliche Stil, den Roald Dahl selbst in den ersten beiden Staffeln geprägt hatte. Auch als er nicht mehr vor der Kamera tätig war, war er für die Tales of the Unexpected weiter als Berater und Ideengeber tätig und auch nach der zweiten Staffel wurden gelegentlich noch einige seiner übriggebliebenen Geschichten verfilmt. Nach neun Staffeln und 122 Episoden wurden die Tales of the Unexpected schließlich 1988 eingestellt, da sich das Konzept verbraucht hatte und es immer schwieriger geworden war, neue Geschichten in Dahls besonderem Stil zu erfinden. Über fast zehn Jahre hinweghatten Roald Dahl, Anglia Television und ITV mit Tales of the Unexpected einen Klassiker der britischen Fernsehgeschichte möglich gemacht, der oft mit amerikanischen Produktionen wie The Outer Limits und The Twilight Zone in einem Atemzug genannt wurde und zurecht heute einen Kultstatus erreicht hat.
Die Episoden
- Man from the South
- Mrs Bixby and the Colonel's Coat
- William and Mary
- Lamb to the Slaughter
- The Landlady
- Neck
- Edward the Conqueror
- A Dip in the Pool
- The Way up to Heaven
Link: Komplette Episodenliste (Wikipedia) »
Die DVD
Roald Dahl's Tales of the Unexpected wurden schon seit 2004 in den USA von Acorn Media veröffentlicht, während in England erst 2006 Network damit begann, aber im Gegensatz zur US-Veröffentlichung auch alle 112 Episoden heraus brachte. Alle Staffeln bis auf die letzte sind auch einzeln erhältlich, so daß man sich auch auf die ersten paar Jahre beschränken kann, an denen Roald Dahl noch aktiver an der Serie mitgewirkt hatte.
Technisch wurde die Serie mit minimalem Aufwand auf DVD umgesetzt. Network hat lediglich die Videomaster digitalisiert und verständlicherweise auf eine kostspielige Restauration verzichtet. Bild- und Tonqualität mögen zwar am Rande des Akzeptablen liegen, aber immerhin wird die Serie exakt so präsentiert, wie sie früher im Fernsehen zu sehen war. Inhalt geht hier vor Qualität - der einzige Wermutstropfen sind die nett anzusehenden, aber sehr knappen DVD-Menüs, die noch nicht einmal Kapitelübersichten für die Episoden enthalten. Network hat aber für ein gelungen gestaltetes DVD-Cover gesorgt, das auf der Innenseite sogar kurze Inhaltsangaben enthält - dadurch erweckt diese Veröffentlichung erst gar nicht den Anschein, billig zusammengeschustert worden zu sein.
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