Jour de Fête
Cover

01.05.2007 #416

von Guido Bibra

Titel Jour de Fête (Tatis Schützenfest)
Studio Cady Films (1947-1949)
Hersteller Universum Film (2005) EAN 7-4321443589-2
DVD-Typ 9 (6,27 GB) Bitrate ø 9,14 max. 9,9
Laufzeit 76:32 Minuten Kapitel 12
Regionalcode 2 (Deutschland) Case Amaray I
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.33:1 16:9 neon
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 224 kbit/s Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Freigabe FSK 6
Extras • Kurzfilm "Schule der Briefträger" (L'école des facteurs)

Der Film

Einmal im Jahr geht es im verschlafenen französischen Dörfchen Saint-Severe hoch her, wenn die Kirmes in den Ort kommt und für viel Aufregung sorgt. Während sich die Dorfbewohner auf der Feier vergnügen, sieht Briefträger Francois bei einem Schausteller einen Film über die modernen Methoden der amerikanischen Post und nimmt sich vor, in Zukunft mit Hilfe seines Fahrrads die Post genauso schnell wie seine motorisierten Kollegen aus den Staaten auszutragen...

 


Es gibt nur wenige Schauspieler und Regisseure, die die Filmwelt so nachhaltig beeinflussen und verändern konnten, wie Jacques Tati, der sich im Olymp der Komiker einen festen Platz direkt neben Charles Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd verdient hatte. Dabei war Tati längst nicht so eifrig wie manche andere Filmemacher - er drehte insgesamt nur fünf abendfüllende Produktionen und eine handvoll Kurzfilme, die aber ausgereicht haben um ihn unsterblich zu machen.

Ein Komiker wird geboren

Begonnen hatte alles im Frankreich der dreißiger Jahre. Jacques Tatischeff wurde am 9. Oktober 1909 als Sohn von Eltern russisch-holländisch-itallenischer Abstammung geboren und genoß eine Kindheit im relativen Wohlstand mit guter Schulbildung. Seinen ersten Job hatte er in der Firma seines Vaters, der Kunsrestaurator und Bilderrahmen-Hersteller war, aber als Jugendlicher interessierte sich Tati auch sehr viel für Sport. Tennis, Rugby und Boxen waren einige seiner Leidenschaft, denen er ausführlich nachging und dabei mehr durch Zufall sein komödiantisches Talent entdeckte. Freunde, die ihn bei seinen urkomischen Sport-Pantomimen beobachteten, machten ihm den Vorschlag, seine Darbietungen auf die Bühne zu verlagern.

1933 trat Tati erstmals in einer professionellen Bühnenproduktion auf und war von da an auf vielen Varieté-Bühnen, Kabaretts und Theatern in und rund um Paris zuhause und auch oft auf Tournee in ganz Frankreich und Italien. Parallel zu seinen großen Erfolgen auf der Bühne begann ihn langsam auch das noch relativ neue Medium Film zu interessieren - schon 1934 trat er mit seinen gymnastischen Talenten im Kurzfilm On Demande un Brute auf, ein Jahr später folgte Gai Dimanche und schließlich 1936 die kurze Boxer-Parodie Soigne ton Gauche, die er zusammen mit seinem Freund René Clement inszeniert hatte.

Krieg und Frieden

Der zweite Weltkrieg machte Jacques Tati einen Strich durch seine Karriere, als er gerade in Italien auf einer Tournee war - er wurde in die Armee eingezogen, aber es gelang ihm den Krieg trotzdem unbeschadet zu überstehen. Mit dem Beginn der deutschen Besetzung Frankreichs floh er zusammen mit einem Bekannten, dem Drehbuchautor Henri Marquet, in die unbesetzte Zone, um dem möglichen Arbeitsdienst in Deutschland zu entgehen. Dort versteckten sie sich auf einer Farm in der Nähe des kleinen Dorfs Sainte-Severe-sur-Indre, das sie in dieser Zeit sehr gut kennenlerntern und deren Bewohner ihnen schnell ans Herz wuchsen.

Nach dem Ende des Kriegs konzentrierte sich Tati ausschließlich auf seine Filmkarriere und trat zuerst in kleinen Rollen in Sylvie et le Fantôme und Le Diable au Corps des Regisseurs Claude Autant-Lara auf, aber eigentlich hatten es ihm die Kunst der Slapstick-Komödie viel mehr angetan. Fred Orain, der bereits 1936 Soigne ton Gauche, Tatis ersten großen Filmauftritt, produziert hatte, war von seinen Künsten so begeistert, daß er ihm unbedingt eine Zukunft auf der großen Leinwand ermöglichen wollte. Zusammen mit Tati gründete er die Produktionsfirma Cady Films, die in den nächsten Jahren zur Heimat der beiden Filmemacher wurde.

Dorfgeschichten

Als Jacques Tati und Henri Marquet das Ende des Kriegs in Sainte-Severe-sur-Indre abwarteten, sammelten sie eine Menge Ideen für zukünftige Filmprojekte. Insbesondere das ländliche, von der modernen Zivilisation fast unberührte Dorfleben hatte es den zukünftigen Filmemachern angetan, und sie beschlossen den kleinen Ort irgendwann einmal in einem Film zu verewigen. Eine weitere Inspiration brachte Tatis vorheriger Kurzfilm Soigne ton Gauche, der mit dem Eindruck eines rasenden fahrradfahrenden Briefträgers beginnt - ein Charakter, den Tati damals noch nicht selbst gespielt hatte, aber sich nun zu eigen machte um ihm einen eigenen Kurzfilm zu widmen.

Tati und Marquet verbanden ihre beiden Ideen und kehrten 1946 nach Sainte-Severe mit einem Kamerateam zurück, um dort ihren ersten Kurzfilm nach dem zweiten Weltkrieg zu drehen. L'Ecole des Facteurs hieß der kleine Film, der auf liebevolle und witzige Art den Kampf kleinen Dorfbriefträger gegen die Modernisierung parodiert - genau das richtige Material für den akrobatischen Jacques Tati, der seine Fähigkeiten ausführlich zum Einsatz bringen konnte. Der Film wurde mit relativ hohem Aufwand und einigen filmtechnischen Tricks gedreht, aber auch die malerische Kulisse von Saint-Severe wurde nicht vernachlässigt. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde aber deutlich, daß L'Ecole des Facteurs nur der Vorläufer für etwas noch größeres sein würde.

Die Kirmes kommt ins Dorf

Mit einem gelungenen Kurzfilm in der Tasche gelang es Jacques Tati, Henri Marquet und Fred Orain eine bodenständige Finanzierung für ihr nächstes Projekt zu bekommen. L'Ecole des Facteurs hatte sich als großer Erfolg herausgestellt und Jacques Tati wurde als neue Hoffnung für das französische Kino angesehen, das sich seit dem zweiten Weltkrieg in einer schweren Krise befand. Obwohl seine Bühnenkarriere durch den Krieg unterbrochen wurde, hatte dies seinem Ruf nur wenig geschadet, und nach seinem ersten selbst inszenierten Kurzfilm war die Erwartung sehr hoch.

Tatsächlich hatte Jacques Tati L'Ecole des Facteurs als eine Art Test geplant, um Erfahrungen zu sammeln und auszuprobieren, ob die Dreharbeiten vor Ort in Saint-Severe möglich waren. Die Dorfbewohner müssen sich tatsächlich wie auf einer Kirmes gefühlt haben, als Tati mit einem noch größeren Filmteam im Mai 1947 in das kleine Örtchen zurückkehrte, um eine längere, ausführlichere Version seines Kurzfilms zu drehen und eine Idee zu verwirklichen, die er schon einige Jahre zuvor zusammen mit Henri Marquet während ihres Aufenthalts in Saint-Severe erdacht hatte.

Ein Briefträger namens Francois

Natürlich wollte Jacques Tati nicht nur als Regisseur, sondern auch als Schauspieler an seinem neuen Film arbeiten und schlüpfte deshalb wieder in eine Rolle, die er in L'Ecole des Facteurs ausführlich erprobt hatte: die des rasenden Briefträgers, der nun den stolzen Namen Francois erhielt. Ursprünglich war er nur ein kleiner Nebencharakter aus Soigne ton Gauche, dem es Tati so angetan hatte, daß er die Rolle für einen ersten Kurzfilm selbst übernahm und plante, den rasenden Briefträger wieder in seinem neuen Film auftreten zu lassen und ihn sogar zum Markenzeichen der Erzählung zu machen, ohne ihn komplett in den Vordergrund zu stellen.

Francois, der Briefträger wirkt auf den ersten Blick fast wie eine Hommage an Charlie Chaplins kleinen Tramp, hat aber nur oberflächliche Ähnlichkeiten mit ihm und anderen bekannten Slapstick-Figuren. Tatis Vorbilder sind deutlich erkennbar, aber trotzdem hat er aus der Figur etwas völlig individuelles gemacht. Er ist der einzige wirklich aktive Charakter des Films, der für die sonst kaum vorhandene Handlung antreibt, obwohl er erst in der Mitte der Geschichte zum Protagonisten wird.

Tati, der Beobachter

Eigentlich hat Jour de Fête gar keinen richtigen Plot, eine Eigenschaft die der Film mit praktisch allen späteren Filmen von Tati teilt. Auf eine gemächliche, ruhige Art wird eine lose Rahmenhandlung erzählt, die von vielen kleinen miteinander verbundenen Geschichten durchzogen ist, die die Ankunft der Schausteller, die Vorbereitungen auf die Kirmes und ihre Auswirkungen erzählen. Tati schaut mit seiner Kamera wie durch die Augen eines vorbeikommenden Passanten zu, der gelegentlich auch durch einen Charakter im Film repräsentiert wird: ein altes, buckliges Mütterchen, das in einigen Einstellungen durch die Szenerie läuft und das Geschehen auf eine altkluge, humorvolle Weise kommentiert.

Tatis Humor ist deutlich subtiler als man es von seinen Slapstick-Vorbildern gewöhnt ist. Der Zuschauer bekommt seine Gags nicht unter die Nase gehalten, sondern muß sie oft entdecken und beobachten, um sie richtig zu verstehen - Jour de Fête ist ein Film, bei dem aufmerksames Hingucken unbedingt erforderlich ist. Eine richtige Handlung entwickelt sich erst in der zweiten Hälfte des Films, als der Briefträger Francois von der amerikanischen Konkurrenz angespornt wird und seinen Job schneller und effizienter erledigen will. Dieser Teil von Jour de Fête ist im wesentlichen eine aufwendigere Neuinszenierung von L'Ecole des Facteurs und das, was man schon ein richtiges Action-Finale nennen kann, inszeniert mit vielen filmischen Tricks und Finessen.

Das Farbexperiment

Bevor die Dreharbeite zu Jour de Fête begonnen hatten, bekam Jacques Tati ein verlockendes Angebot: die Firma Thomson machte ihm den Vorschlag den ersten französischen Farbfilm der Filmgeschichte mit ihrem experimentellen Thomsoncolor-Farbverfahren zu drehen. In Amerika und England war Farbfilm 1947 schon seit über zehn Jahren erprobt, aber durch den zweiten Weltkrieg bekam Frankreich davon nur wenig mit und in der Nachkriegszeit war Technicolor-Farbfilm für einheimische Filmemacher kaum bezahlbar und auch nur schwer erreichbar, da sich das einzige Labor, in dem sich Farbfilm-Material entwickeln ließ, in England befand.

Für Jacques Tati war es deshalb eine fazinierende Möglichkeit, ein erschwingliches Farbsystem ausprobieren zu können, aber so ganz traute er der neuen Technik nicht und konnte seinen Produzenten Fred Orain überzeugen, daß die zusätzlichen Kosten für eine parallele Aufnahme in Schwarzweiß keine Geldverschwendung sein würden. So standen bei den Dreharbeiten immer zwei Kameras nebeneinander - die eine mit herkömmlichem Schwarzweißfilm und die andere mit dem experimentellen Thomsoncolor-Film geladen. Tati nahm kleine Unterschiede zwischen den beiden Versionen in Kauf, bevorzugte aber keine und stellte sicher, daß alles auf beidem Filmmaterial gedreht wurde.

Tati gab sich große Mühe die Möglichkeiten des Farbfilms zu nutzen und entwarf eine einfache, aber deutlich sichtbare Farbkomposition, die großen Wert darauf legte den Unterschied zwischen dem normale Dorfleben und dem bunte Kirmesfest deutlich zu machen. Aber genauso wie sein skeptischer Briefträger sollte auch Tati mit seinen Bedenken gegenüber der modernen Technik Recht behalten: noch während den Dreharbeiten stellte sich heraus, daß die Entwicklung des Farbnegativs zwar klappte, aber keine Kopien davon gezogen werden konnten. Tati war enttäuscht, aber auch glücklich daß sein Film dank dem parallel gedrehten Schwarzweiß-Material nicht verloren war.

Klangwelten

Obwohl Jacques Tatis Filme manchmal den großen Stummfilm-Komödien der zwanziger Jahre verglichen werden, hat der Filmemacher schon von Anfang an viel mit Musik, Geräuschen und Stimmen experimentiert und seine Filme immer mit einem ausgeklügelten, komplexen Ton ausgestattet. Jour de Fête ist als Tatis erster Langfilm in dieser Beziehung noch nicht ganz so weit entwickelt, aber dennoch sehr kreativ. Die Musik klingt eher ländlich-traditionell und sehr französisch, wird aber auch von einigen fast schon jazzig klingenden Melodien ergänzt, die die aktiveren Szenen begleiten.

Ansonsten besteht der Ton des Films aber hauptsächlich aus einer faszinierenden Klangkulisse, in der sich die oft kaum verständlichen Stimmen und Geräusche dicht miteinander vermischen und eine einzige Einheit bilden. Dialoge sind zwar relativ oft zu horen, aber nur klar und deutlich zu verstehen, wenn sie auch für die Handlung wirklich wichtig sind - der Rest gehört mit zu einer sehr natürlichen Geräuschkulisse, die perfekt zur beobachtenden Natur des Films paßt und überhaupt nicht aufdringlich wirkt.

Was lange währt...

Als Jacques Tati im November 1947 die Dreharbeiten von Jour de Fête beendet hatte, war die Zukunft des Films ungewiß - das unnütze Farbnegativ war nicht das einzige Problem, denn der Film hatte auch noch keinen Vertrieb gefunden. Erst nach mehreren privaten Vorstellungen und einer Preview in einem Pariser Vorort konnte Jacques Tati einen Filmverleih finden, der Jour de Fête schließlich in die französischen Kinos brachte. Nach der Uraufführung in Paris im Mai 1949 und einer durchweg positiven Resonanz der Kritiker wurde der Film dann im Sommer des Jahres bei den Filmfestspielen in Venedig für den Goldenen Löwen nominiert - eine hohe Ehre, allerdings verlor Tati gegen seinen Landsmann Henri-Georges Clouzot.

Trotz aller Probleme war Jour de Fête aber ein Erfolg auf der ganzen Linie und war Ende 1949 nicht nur in ganz Frankreich bekannt, sondern auch auf den Kinoleinwänden in vielen anderen europäischen Ländern zu sehen - auch in Deutschland, wo der Film im Dezember 1949 unter dem etwas unsinnigen Titel Das Schützenfest anlief. So einen Film hatte das Publikum zuvor noch nie gesehen, und Tatis eigenwilliger Stil wurde zurecht als völlige Neuentdeckung gefeiert. Bevor Tati seinen nächsten Film in Angriff genommen hatte, war sein Ruf als brillianter Filmemacher um die ganze Welt gewandert.

Die drei Leben von Jour de Fête

Tatsächlich war für Jacques Tati der Entstehungsprozeß des Films nach 1949 noch längst nicht beendet. Weil sich immer noch keine Möglichkeit gefunden hatte die Farbversion des Films zu retten, kehrte Tati 1964 noch einmal nach Saint-Severe zurück, um einige zusätzliche Szenen für Jour de Fête zu drehen, in denen ein Maler durchs Dorf wandert und von einigen markanten Einstellungen farbige Zeichnungen anfertigt. Zusätzlich färbte Tati in mühsahmer Handarbeit einzelne Teile des Films ein, um wenigstens ein bißchen von seiner ursprünglich gewünschen Farbkomposition zu erhalten. Außerdem wurden Musik, Geräusche und Dialoge noch einmal ganz neu, aber originalgetreu mit Magnetton-Technik aufgenommen, um die ursprüngliche Lichttonspur zu ersetzen.

Diese 1964 erstellte Fassung von Jour de Fête war über dreißig Jahre lang die einzige Version die es zu sehen gab. Es war die entgültige Version von Jacques Tati, der 1982 verstarb und nicht ahnen konnte, daß es eines Tages noch eine dritte Version des Films geben würde - 1988 gelang es dem französischen Filmlabor Eurocitel das Thomsoncolor-Verfahren zu knacken und erstmals bot sich eine reale Chance, endlich Farbkopien von Jour de Fête zu erstellen. Tatis Tochter Sophie, die während der Dreharbeiten des Films geboren wurde, sorgte für ein ordentliches Budget, um die Vision ihres Vaters endlich Wirklichkeit werden zu lassen. 1995 war es dann soweit - die Farbversion von Jour de Fête war fertig und wurde zuerst in Frankreich und später auf der ganzen Welt in Programmkinos und im Fernsehen gezeigt.

Es war aber nicht nur einfach eine eingefärbte Fassung, sondern ein ganz anderer Film, weil zwar beide Kameras direkt nebeneinander standen, aber Tati auf dem Farbnegativ manchmal völlig andere Takes drehte und die Blickwinkel unterschiedlich waren. Auch sind in der Farbversion ein paar kurze Sequenzen vorhanden, die gar nicht in der Schwarzweiß-Fassung vorhanden sind. Der Film wurde komplett neu nach Jacques Tatis Produktionsunterlagen zusammengeschnitten und nur ganz wenige Szenen mußten mit Hilfe von Computerunterstützung von der Schwarzweiß-Version coloriert werden, weil das Farbnegativ unbrauchbar war. Es war kein Technicolor-Farbwunder, aber die gedämpften, absichtlich etwas blaß gebliebenen Farben paßten hervorragend zur nostalgischen Atmosphäre des Films und hauchten Jour de Fête ein ganz neues Leben ein.

Tatis erstes Meisterwerk

Fast sechzig Jahre nach seiner Entstehung hat Jour de Fête kaum etwas von seiner Faszination verloren. Jacques Tatis einmaliger Blick in den Mikrokosmos eines kleinen französischen Dorfs und der Kampf eines Briefträgers gegen die modernen Methoden seiner amerikanischen Konkurrenz ist heute gleichermaßen ein Zeitdokument und ein Klassiker, der erstaunlich wenig gealtert ist - besonders nachdem die lang verschollene Farbfassung fünfzig Jahre nach der Premiere rekonstruiert werden konnte.

Die DVD

Jacques Tatis Jour de Fête war lange Zeit als DVD nur schwierig zu bekommen. Die 1999 in Frankreich veröffentlichte DVD enthielt sowohl die 1964er-Version als auch die Farbfassung, sowie eine Dokumentation über die Farbrestauration - aber leider ist diese DVD schon seit langem out-of-print. Andere DVDs, wie z.B. die finnische Ausgabe, enthalten auch die Schwarzweiß- und Farbfassungen, sind aber genauso schwer zu bekommen. Die britische DVD enthält nur die restaurierte Farbfassung, und seit Jahren ist zwar eine Criterion-DVD im Gespräch, wurde aber bis heute noch nicht offiziell angekündigt.

Als 2004 in der Schweiz vom kleinen Label Impuls-Medien vier Filme von Jacques Tati als DVD angekündigt wurden, war die Erwartung groß - leider bestanden die Extras nur aus Tatis Kurzfilmen und insbesonders Jour de Fête war eine Enttäuschung, da nur die Farbfassung von einem älteren Bildmaster aus den neunziger Jahren veröffentlicht wurde. Noch im gleichen Jahr erschienen diese DVDs in identischer Form als Boxset von Universum Film in Deutschland, wobei die Erstauflage von Jour de Fête noch deutlich asynchrone Tonspuren hatte - ein Fehler, der in den 2005 einzeln veröffentlichten DVDs zum Glück korrigiert wurde.

Für Filmliebhaber ist diese DVD von Jour de Fête leider nur eine Zwischenlösung, denn eigentlich hat Jacques Tatis Meisterwerk viel besseres verdient. Bis jedoch Criterion oder ein anderes Studio eine bessere Version auf den Markt bringt - mit einem neuen digitalen Transfer und vielleicht allen drei Filmversionen - muß man sich mit der vorhandenen DVD zufrieden geben, die immerhin noch einigermaßen anschaubar ist.

Bild

Auf dieser DVD befindet sich ausschließlich die 1995 fertiggestellte Restauration der Farbfassung von Jour de Fête. Leider wurde kein neuer Transfer des Filmmaterials durchgeführt und das gleiche Videomaster verwendet, das schon seit über zehn Jahren auf Videokassetten und TV-Ausstrahlungen zu sehen ist. Während die Filmrestauration den Umständen entsprechend hervorragend gelungen ist, läßt die technische Qualität der Abtastung etwas zu wünschen übrig.

Die Restauration der Farbfassung kann man schon als ein kleines Wunder ansehen, denn daß es nach über vierzig Jahren doch noch gelungen ist das experimentelle Farbverfahren Thomson-Color zu knacken, ist äußerst bemerkenswert. Knallige Technicolor-Farben darf man hier allerdings nicht erwarten, denn das Farbverfahren steckte noch deutlich in den Kinderschuhen. Immerhin hat es aber ausgereicht, um Tatis Farbkompositionen einzufangen und den Kontrast zwischen der grau-bräunlich-grünen Dorfkulisse und dem Einzug der farbenfrohen Kirmes deutlich zu machen. Natürlich lassen die Farben an Brillianz vermissen und wirken etwas ausgewaschen, und eine handvoll Szenen mußten wegen Unbrauchbarkeit des Farbnegativs auch mit Computerunterstützung aus der Schwarzweißversion gewonnen werden - aber das Ergebnis ist trotzdem erstaunlich gut gelungen.

Ein weiterer Effekt der Restauration ist die erstaunlich niedrige Anzahl von Dropouts auf der Filmvorlage. Zwar ist das Bild weit davon entfernt wirklich sauber zu sein, aber Laufstreifen und Kratzer machen sich nur sporadisch bemerkbar und auch Fussel oder andere Verschmutzungen fallen nur selten deutlich auf. Der Bildstand ist einigermaßen stabil, aber der Transfer leistet sich ein ständig leicht waberndes Bild - daß dies eigentlich keine Schuld der Restauration ist, wird in der 1995 erstellen Einleitung deutlich, die von den gleichen Problemen wie der restliche Film geplagt wird. Allerdings muß man dazu sagen, daß dieses "Telecine Wobble" nur bei genauer Betrachtung störend auffällt - vermeidbar wäre es aber trotzdem gewesen.

Ein weiteres altersbedingtes Problem der Abtastung ist die enttäuschende Schärfe. Diese DVD sieht leider nicht wie ein richtiger Filmtransfer, sondern wie ein Videoband aus, und dementsprechend matschig und verschwommen ist die Detailzeichnung, obwohl auch noch kräftig elektronisch nachgeschärft wurde. Mehr Einzelheiten hat das nicht hervorgezaubert, aber dafür ein kräftiges Zeilenflimmern, das sich in vielen Szenen sehr störend bemerkbar macht. Die Filmkörnigkeit ist in einigen Szenen noch leicht bemerkbar, wurde aber von der Unschärfe des Transfers weitgehend verschluckt. Helligkeit und Kontrast sind auch nicht optimal ausbalanciert, denn helle Bildteile neigen oft zu deutlichen Überstrahlungen und die dunklen Szenen machen fast den Eindruck bei Tageslicht zu spielen.

Die gut zehn Jahre alte Abtastung von Jour de Fête auf dieser DVD schafft es leider nicht die bemerkenswerte Restauration der Farbfassung vernünftig zu repräsentieren - auch die konstant hohe Bitrate der Kompression - eigentlich ein Produkt eines einfach und bequem durchgeführten Masterings - kann daran nicht mehr viel ändern, verunstaltet das problematische Bildmaster aber nicht noch zusätzlich. Als TV-Sendemaster taugt diese Bildqualität vielleicht noch, aber auf einem digitalen Medium ist dieser Transfer eine große Enttäuschung und man fragt sich, wie der Film in einer Abtastung mit moderner Technik ausgesehen hätte - was in Zukunft sicher noch kommen wird. Bis dahin kann man mit der Qualität dieser DVD zufrieden sein - aber nur weil es noch keine bessere Fassung gibt.

Ton

Im Gegensatz zur Bildqualität macht der Ton von Jour de Fête auf dieser DVD einen ganz hervorragenden Eindruck für einen Film von 1947. Dies liegt daran, daß Jacques Tati 1964 seinen Film noch einmal ganz neu vertont hatte und die neue Tonfassung auch bei der Restauration der Farbfassung zum Einsatz kam. Dadurch ist auch auf dieser DVD eine bemerkenswert gute Qualität möglich - was man allerdings nur von die Originalfassung behaupten kann. Auf einen Mehrkanal-Remix wurde natürlich verzichtet und der Ton in den ursprünglichen Mono-Abmischungen überlassen.

Die französische Tonspur hat einen überraschend frischen und lebendigen Klang, den man bei einem Film aus dieser Zeit gar nicht erwartet. Besonders Dynamik und Frequenzumfang lassen kaum Wünsche übrig, denn die Musik kann mit einem soliden Baß und anständigen Höhen aufwarten, ohne dabei von Verzerrungen oder anderen altersbedingten Problemen geplagt zu werden. Die Geräuschkulisse, zu der man bei Jour de Fête auch die Stimmen zählen muß, hört sich auch nicht viel schlechter an und klingt vielleicht ein wenig dünner, wurde aber wie aus einem Guß mit der Musik zusammengefügt. Knistern, Knacksen oder Rauschen sind überhaupt nicht zu hören - die Tonspur hört sich insgesamt sehr sauber und überhaupt nicht gealtert an.

Obwohl die deutsche Synchronfassung anscheinend auf der Neufassung aus den sechziger Jahren basiert und vermutlich neu für die restaurierte Farbfassung erstellt wurde, ist die technische Qualität gegenüber der französischen Originalfassung enttäuschend. Wie man an dem leichten Rauschen und deutlichen Knistern schon im 1995 erstellten Prolog hören kann, wurde die deutsche Fassung dieser DVD von einer Lichttonspur digitalisiert wurde und deshalb viel dumpfer und weniger brilliant als die französische Version klingt. Auch die synchronisierten Stimmen, die nebenbei auch Tatis ausgeklügelte Klangkulisse zerstören, können trotz ihrer sterilen Studioatmosphäre nicht mit der Originalfassung konkurrieren.

Mitgeliefert werden nur deutsche Untertitel, die aber eine relativ akkurate Übersetzung der französischen Tonspur sind, aber auch nicht alle von den teilweise absichtlich unverständlichen Dialogen übersetzen. Letztendlich bleibt anzumerken, daß die Asynchronitäten der Tonspuren von der Erstauflage dieser DVD in der hier getesteten Pressung von 2005 beseitigt wurden und nun sowohl die französische als auch die deutsche Fassung völlig synchron zum Bild laufen.

Bonusmaterial

Bonusmaterial wie Dokumentationen oder Kommentarspuren kann man auf dieser DVD lange suchen, aber zumindest wurde an eine essentielle Beigabe gedacht: Jacques Tatis Kurzfilm L'Ecole des Facteurs, der Vorgänger von Jour de Fête, ist hier als einziges Extra zu sehen, und das auch in der gleichen soliden Bildqualität wie auf der Criterion-DVD von Les Vacances de M. Hulot. Weitere Extras gibt es leider nicht, obwohl mindestens eine Dokumentation über die Restauration der Farbfassung existiert, die auf der französischen DVD veröffentlicht wurde und auch ideal für die deutsche Disc gewesen wäre.


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