Der Film
Elizabeth (Melina Mercouri) ist eine Diebin, aber sie gibt sich nicht mit Kleinkram zufrieden - allerfeinste Juwelen sind für sie das mindeste. Besonders hat es ihr der berühmte Dolch des Sultans im Topkapi-Museum in Istanbul angetan. Zusammen mit ihrem Freund, dem Gentleman-Gauner Walter (Maximilian Schell) und einer auserlesenen Bande plant sie, den Dolch aus dem schwerbewachten Museum zu stehlen. Tatkräftig unterstützt werden sie dabei vom Tüftler Cedric (Robert Morley), Muskelmann Hans (Jess Hahn) und dem stummen Akrobaten Giulio (Gilles Segal). Um ein paar wichtige Ausrüstungsgegenstände wie Rauchgasbomben und anderes uber die Grenze zu schaffen, heuern sie den naiven Möchtegern-Fremdenführer Arthur Simpson (Peter Ustinov) an, der froh ist sich etwas dazuverdienen zu können. Aber Simpson gerät an der Grenze in die Fänge des türkischen Geheimdiensts, der ihm keine andere Wahl lässt als für ihn zu arbeiten und auszukundschaften, was seine Auftraggeber wirklich im Schilde führen...
Anfang der fünfziger Jahre von der Kommunisten-Hetze aus den USA vertrieben, hatte der französisch-amerikanische Regisseur Jules Dassin sein Glück in Europa versucht. Seinen ersten Film nach fünf Jahren Abstinenz vom Regiestuhl hatte Dassin in Frankreich gedreht und mit Rififi 1955 einen unerwarteten Erfolg geschaffen , der die Filmlandschaft nicht nur in Europa stark beeinflusst hatte. Rififi war vielleicht der erste Film Noir, der sich hauptsächlich auf die Ausführung des Verbrechens konzentrierte - ein Genre, das heute oft als Heist bezeichnet wird und der Inbegriff eines spektakulären, aufwendig vorbereiteten Einbruchs in eine Bank oder in ein Museum ist. Jules Dassins meisterhafte Inszenierung von Rififi wurde oft und gerne kopiert, aber das Original nie wirklich erreicht - mit einer Ausnahme.
Es war Jules Dassin selbst, der fast zehn Jahre nach Rififi einen Film inszenierte, der kein Remake oder Abklatsch des Originals war, sondern eine clevere Weiterentwicklung des Stoffs. Während Rififi ein dunkles, pessimistisches Gangsterdrama war, wurde sein Nachfolger Topkapi bunt, humorvoll und spritzig, ohne dabei an Spannung einzubüßen. Als Vorlage diente der 1962 veröffentlichte Roman The Light of Day von Eric Ambler, den Jules Dassin und Drehbuchautor Monja Danischewsky aber stark umgeschrieben hatten. Der etwas düstere Ton des Romans, der aus der Perspektive von Arthur Simpson erzählt wird und in dem die Diebesbande sehr brutal und rücksichtslos ist, wurde in eine witzige und ironische Atmosphäre umgewandelt. Die größte Änderung war jedoch der Museums-Raubzug, der im Buch fast nur am Rande erwähnt wird, aber für Jules Dassin eine Chance war, auf seinen Klassiker Rififi zurückzugreifen.
Im Mittelpunkt stand Dassins Freundin und spätere Ehefrau Melina Mercouri, die den Film wie ein freundlicher Tornardo beherrschte. Die griechische Schauspielerin entsprach als Mittvierzigerin natürlich überhaupt nicht den schon damals typischen Hollywood-Schönheitsidealen, war aber spätestens seit Never on Sunday trotz des relativ späten Beginns ihrer Karriere ein internationaler Star, der zusammen mit ihrem Freund und späteren Ehemann Jules Dassin eine ganze Reihe von Filmen gedreht hatte, von denen Topkapi einer der bekanntesten Erfolge war. Melina Mercouri spielt die Rolle der Juwelen-Nymphomanin Elizabeth Lipp mit einer unheimlichen Intensität, die deutlich macht, daß diese Frau ein schönes, aber gefährliches Raubtier ist, mit dem man nicht spaßen sollte.
Maximilian Schell, 1963 selbst auch schon ein europäischer Filmstar, war der ideale Gegenpart für Melina Mercouri - ruhig, ganz der Gentleman und ein bißchen linkisch. Schell spielt in Topkapi ein bißchen sich selbst und läßt seinen Charme hauptsächlich durch seinen österreichischen Akzent spielen, der hier natürlich keine Schwarzenegger-Dimensionen hat, aber zusammen mit Melina Mercouris griechischen Einflüssen dem Film einen deutlichen multikulturellen Flair gibt. Maximilian Schell als Walter Harper ist hier ein Paradebeispiel für den aalglatten, sympathischen Gentleman-Gangster, der genauso wie der ganze Film auch oft kopiert wurde, aber in dieser Form in Topkapi wahrscheinlich das erste Mal auftaucht.
Der heimliche Star des Films ist jedoch Peter Ustinov, der aus der eigentlich undankbaren Rolle des sympathischen Verlierers Arthur Simpson einen interessanten Charakter gemacht hat. Der kleine Gauner Simpson wird nur durch Zufall in die Ereignisse verwickelt und stellt sich im Laufe des Films als gar nicht so naiv und dumm aus, wie er zuerst erscheint und entwickelt im Gegensatz zur Romanvorlage schließlich doch noch Loyalität zu seinen Kollegen. Peter Ustinov spielte diese Verwandlung mit einer treffsicheren Finesse und machte sich den Charakter so zu eigen, daß er weit über eine simple komische Nebenrolle hinaus ging. Sein brillianter Auftritt als Schlemil Arthur Simpson wurde sogar mit einem Oscar als bester Nebendarsteller belohnt und konnte seinen Ruf als brillianter Komiker entgültig zementieren.
Auch Robert Morley als der exzentrische Tüftler Cedric waar nicht nur ein einfacher Clown, sondern ein weiteres Element der klassischen Zusammensetzung der Diebesbande. Morley hat sich als klassisch ausgebildeter englischer Schauspieler einen Namen mit teils ernsten und teils sehr komischen Nebenrollen gemacht, letztere hatte er sich für Topkapi ausgesucht und wirkte ähnlich wie Peter Ustinov nicht albern, aber sehr clever und amüsant. Ganz als Komödie ausgelegt war dagegen die Rolle des großartigen Akim Tamiroff als Gerven, dem ständig betrunkene Koch. Jess Hahn als Muskelprotz Hans war dagegen der einzige Stereotyp der Bande und lediglich als brutaler, unberechenbarer Faktor dabei, der zugunsten des humorvollen Tons im Laufe des Films weitgehend außer Gefecht wurde. Gilles Ségal als "menschliche Fliege" Giulio glänzte dagegen durch seine Mimik und seine akrobatischen Fähigkeiten, die er während des Museum-Raubzugs beeindruckend zur Schau stellen konnte.
Die Ausführung des Diebstahls ist eine der berühmtesten und am meisten kopierten Szenen der Filmgeschichte, aber im Gegensatz zu vielen Nachahmern hatte sich Jules Dassin nicht von technischen Details verleiten lassen und die Charaktere in den Vordergrund gestellt. Die ausführliche Vorbereitung war allerdings genauso spannend und unterhaltsam inszeniert worden wie der Einbruch selbst, der eigentlich nur das Tüpfelchen auf dem i für den sowieso durchgängig spannenden Film ist. Ein gutes Viertel von Topkapi hat außerdem etwas von einer Reisedokumentation, denn man bekommt eine ganze Menge wundervoller Aufnahmen von Istanbul und anderen Örtlichkeiten zu sehen, darunter auch eine etwas unnötige lange Sequenz mit ein paar hundert eingeölten türkischen Wrestlern in einem riesigen Stadium.
Die beschwingte Atmosphäre des Films wurde schon ganz zu Anfang durch eine etwas seltsame, fast schon psychedelische Collage festgelegt, in der sich Melina Mercouris Charakter vorstellt und dabei durch direktes Ansprechen des Publikum die "vierte Wand" durchbricht - schon allleine dadurch konnte die verspielte Art des Films sofort deutlich gemacht werden. Eine weitere Zutat für die besondere Mischung von Topkapi war die Musik von Manos Hadjidakis, einem Landsmann von Melina Mercouri, der schon zuvor mit ihr und Jules Dassin zusammengearbeitet hatte. Seine muntere, fröhliche Filmmusik war neben der Einbruchszene eins der berühmtesten Markenzeichen des Films und trägt deutlich zur humorvollen Stimmung des Films bei.
Topkapi mag für das heutige Publikum vielleicht etwas angestaubt und altmodisch wirken, aber trotzdem hat der Film nichts von seiner Faszination verloren und bleibt durch die fantastische Inszenierung und die wundervollen Schauspieler einer der gelungensten und einflußreichsten Filme eines Genres, das von Topkapi praktisch selbst erfunden worden war.
Die DVD
MGM hat die digitale Umsetzung einer der größten Klassiker aus dem United-Artists-Archiv leider ziemlich stiefmütterlich behandelt - schon die vor über drei Jahren in den USA erschienene DVD besaß nur einen recycelten Laserdisc-Transfer und außer einem Trailer keine weiteren Extras. Die deutsche Veröffentlichung ließ noch bis zum Oktober 2004 auf sich warten, hatte aber gegenüber der US-DVD keine Überraschungen zu bieten: es wurde der gleiche Transfer verwendet und im Rahmen des MGM-Lowprice-Programms sogar der Trailer eingespart.
Die hier rezensierte deutsche DVD ist leider inzwischen in Deutschland out-of-print und nur noch gebraucht zu bekommen, aber die komplett identische britische Ausgabe ist in England für Preise deutlich unter fünf Pfund immer noch erhältlich und auch die US-Disc ist noch zu haben. Bild und Ton sind zwar längst nicht optimal, aber immerhin viel besser als eine Videokassette, und keine DVD-Sammlung ist ohne diesen Film wirklich komplett. Eine Neuauflage ist jedoch leider bis heute nicht in Sicht.
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Bild
Topkapi ist eine dieser DVDs, bei denen sich MGM einen neuen Transfer gespart und eine ältere Abtastung aus der Schublade geholt hat - hier ist das wohl hauptsächlich wegen der damaligen Firmenpolitik passiert, Filme im 1.66:1-Format nicht anamorph abzutasten. Der Transfer der R1 und R2-Versionen ist identisch und höchstwahrscheinlich der gleiche, der schon vor einigen Jahren bei einer OmU-Ausstrahlung bei arte zum Einsatz kam. Für eine TV-Ausstrahlung reichte die Qualität noch aus, aber auf dem digitalen Medium DVD offenbaren sich die Einschränkungen dieses alten Transfers deutlich.
Die Filmvorlage macht die meiste Zeit über einen recht sauberen und intakten Eindruck, aber um die Aktwechsel herum treten immer wieder gehäuft Kratzer und Fussel auf, die unangenehm ins Auge fallen - Rollenwechsel-Markierungen sind allerdings hier nicht zu sehen. Die starke Körnigkeit des Filmmaterials ist zwar leicht sichtbar, aber die Schärfe ist sogar für einen nicht-anamorphen Transfer auf einem enttäuschend niedrigen Niveau und verursacht ein deutlich elektronisches Aussehen. Auch der Bildstand ist nicht ganz stabil, denn obwohl das Bild sich kein Flattern oder Wabern leistet, ist bei vielen Schnitten ein deutliches Rucken bemerkbar.
Sehr problematisch sind auch die Farben, die zwar Ansätze der typischen Metrocolor-Farbpalette wiedergeben, diese dann aber doch oft etwas verwaschen und stark gealtert aussehen. Während dunkle Sequenzen in ein korrekt aussehendes tiefes Blau getaucht sind und einen ordentlichen Schwarzwert haben, wirken die meisten hellen Szenen etwas blaß und gelb-bräunlich mit auffallend unnatürlichen Hauttönen. So mag der Film zwar die letzten zwanzig Jahre ausgesehen haben, aber das macht die Farben leider auch nicht besser.
Obwohl die Bildqualität dieser DVD besser als jede TV-Ausstrahlung oder Videokassette ist, zeigt der Transfer, daß Topkapi dringend eine Restauration, aber mindestens eine ordentliche digitale neue Abtastung dringend nötig hat.
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