Der Film
Wallace und Gromit sind Anti-Pesto, die besten Schädlingsbekämpfer rund um die West Wallaby Street. Sie beschützen Englands feinstens Vorgarten-Gemüse vor der immer weiter um sich greifende Kaninchenplage, die den anstehenden Riesengemüse-Wettbewerb bedroht. Wallace und Gromit werden schließlich auf den Landsitz von Lady Tottington gerufen und können so gerade noch eine Horde von Kaninchen vor der Flinte des schießwütigen Victor Quatermain retten und auf ihre ganz besondere, tierfreundliche Art einfangen. Das Gemüse-Festival scheint gerettet, aber dann treibt ein Monster sein Unwesen in den Gärten...
Die Geschichte von Wallace und Gromit begann in den
frühen achtziger Jahren, als Nick Park, ein Student der Trickfilm-Abteilung
der englischen National Film and Television School an seinem Abschlußfilm
A Grand Day Out arbeitete. Allerdings erwies sich der geplante
Kurzfilm für Park alleine als zu aufwendig, denn nach mehreren Jahren
Arbeit hatte er nur wenige Minuten fertiggestellen können. Als Nick Park
für eine Vorlesung David Sproxton und Peter Lord von der kleinen Stopmotion-Animationsfirma
Aardman in die Universität einlud, waren die beiden Filmemacher von seinem
Projekt so begeistert, daß sie ihm ein Jobangebot machten.
A Guy and his Dog
1985 verließ Nick Park dann die Filmschule um bei Aardman mitzuwirken,
aber nicht ohne sein unvollendetes Abschlußprojekt fallen zu lassen. Ein
Deal ermöglichte ihm, seinen Film bei Aardman fertigzustellen, ohne dabei
die Finanzierung der Filmschule zu verlieren - trotzdem sollte es noch
einige Jahre dauern, bis A Grand Day Out fertig werden konnte.
In der Zwischenzeit arbeitete Nick Park nicht nur an seinem eigenen Film,
sondern auch an vielen anderen Aardman-Projekten, unter anderem dem Musikvideo
zu Peter Gabriels Sledge Hammer, mehreren Werbespots und dem Kurzfilm
Creature Comforts, der während der Postproduktion von A Grand
Day Out entstand.
Nick Park konnte schließlich 1989 A Grand Day Out mit der Hilfe
seiner Aardman-Kollegen fertigstellen. Nach mehr als sechs Jahren Arbeit
wurde das Abenteuer von Wallace, dem tüchtigen Erfinder und seinem klugen
Hund Gromit der Öffentlichkeit vorgestellt und das erste Mal im Fernsehen
ausgestrahlt - nicht bei der BBC, sondern beim Privatsender Channel 4,
für den Aardman schon zuvor einige Kurzfilme gedreht hatte und inzwischen
einer der größten Auftraggeber der noch sehr kleinen Firma war.
A Grand Day Out entwickelte sich schnell zu einem riesigen Überraschungserfolg
und Wallace und Gromit wurden nicht nur zu Publikumslieblingen, sondern
auch mit jeder Menge Preisen überhäuft, die sie und ihr Erschaffer Nick
Park redlich verdient hatten. Sogar für einen Oscar wurde der Film nominiert,
bekam ihn aber leider nicht - was jedoch nur halb so schlimm war, denn
der Trick-Kurzfilm-Oscar des Jahres 1991 ging an Creature Comforts,
den anderen Aardman-Kurzfilm von Nick Park. Spätestens zu diesem Zeitpunkt
waren Aardman und Wallace und Gromit plötzlich weltbekannt und wurden
von einem britischen zu einem internationalen Phänomen.
Neue Abenteuer
Es sollte aber nicht bei Wallace und Gromits lunarem Ausflug bleiben,
denn Nick Park hatte noch weitere Pläne mit seinem ungewöhnlichen Duo
aus Knetmasse, und die Nachfrage nach neuen Geschichten aus der West Wallaby
Street war groß. Diesmal war es aber nicht Channel 4, sondern die BBC,
die einen neuen Wallace & Gromit-Film in Auftrag gab, denn der
Sender, der zuvor gar kein Interesse an Trickfilmen zeigte, nutzte nun
die Gunst der Stunde und wurde zum neuen Unterstützer von Aardman.
Nick Park hatte natürlich jede Menge Ideen auf Lager und wählte als nächste
Geschichte eine temporeiche Krimikomödie aus, in der Wallace und Gromit
in einen Museumsraub verwickelt werden. Während Nick Park A Grand Day
Out fast alleine gedreht hatte, bekam er für The Wrong Trousers
die volle Unterstützung seiner Aardman-Kollegen, wodurch nun viel aufwendigere
Animationen möglich waren. Die Arbeit an The Wrong Trousers dauerte
nicht ganz so lange wie bei seinem Vorgänger - am zweiten Weihnachtstag
im Dezember 1993 wurde der Film erstmals bei der BBC ausgestrahlt und
löste eine noch größere Begeisterung aus. Sogar den wohlverdienten Oscar
bekam der Film neben vielen anderen Auszeichnungen, und noch bevor der
Applaus verhallt war gab die BBC einen weiteren Wallace & Gromit-Film
in Auftrag.
Mit einer noch größeren Crew und genausogroßen Ambitionen begann Nick
Park die Arbeit an A Close Shave, dem dritten Auftritt von Wallace
und Gromit, die ein wolliges Problem lösen müssen als Gromit verdächtigt
wird Schafe zu reißen und sich Wallace in die Wollladen-Besitzerin Wendolene
verguckt. Der Filmemacherund seine Crew hatten es schwer, die Brillianz von
The Wrong Trousers noch einmal zu übertreffen, aber mit Hilfe einer genauso
cleveren Geschichte gepaart mit halsbrecherischer Tricktechnik konnte
dies noch einmal gelingen.
Aardman auf dem Weg nach Hollywood
Nach der Premiere von A Close Shave im Dezember 1995 bei der
BBC war Wallace & Gromit der Weltruhm entgültig garantiert, aber
es sollte sehr lange dauern bis man wieder etwas neues von den beiden
Plastilin-Figuren zu sehen bekam. Der Erfolg der drei Kurzfilme führte zu vielen Angeboten,
die von Kooperation bis zur kompletten Übernahme reichten. Erst nach langem
Zögern wurde ein Vertrag zwischen Dreamworks und Aardman ausgehandelt,
der den Engländern viele Freiheiten ließ und gleichzeitig die Unterstützung
aus Hollywood sicherte.
Die Hauptdarsteller im ersten von insgesamt fünf geplanten abendfüllenden
Spielfilmen waren noch nicht Wallace und Gromit, sondern eine Schar von
Hühnern - Nick Park wollte erst eine ganz neue Idee entwickeln, bevor
er zu seinen Lieblingscharakteren zurückkehrte. Chicken Run,
Aardmans erste Produktion in Spielfilmlänge, drehte sich um den Ausbruch
aus einer Hühnerfarm und kam nach fast fünf Jahren harter Arbeit in die
Kinos. Obwohl mit völlig neuen Charakteren ausgestattet konnte der Film
mühelos an die Erfolge von Wallace und Gromit anknüpfen - der Charme der
Knetfiguren war ungebrochen.
Nachdem sich Chicken Run als Erfolg auf der ganzen Linie herausgestellt
hatte, waren sich alle bei Aardman sicher, daß die Zeit reif wäre um Wallace
und Gromit auf die große Leinwand zu bringen. Auch Dreamworks gab schon
kurz nach der Premiere von Chicken Run grünes Licht, wodurch schon Ende
2000 die Vorbereitungen für den ersten Wallace & Gromit-Kinofilm
beginnen konnten. Parallel dazu begann die Preproduction eines anderen
Aardman-Projekts namens Tortoise vs. Hare, die aber nach wenigen
Monaten vorerst zurückgestellt wurde, weil es Probleme mit dem Script
gab und sich Aardman voll und ganz auf den neuen Wallace & Gromit-Film
konzentrieren wollte.
Ein kleiner Vorgeschmack
Bevor jedoch die erste Klappe fiel, mußte sich Nick Park erst einmal von
seinen Lieblingen trennen lernen, die er jahrelang Filmbild für Filmbild
in aufwendiger Handarbeit selbst zum Leben erweckt hatten. Dies war nun
die Aufgabe von anderen Animatoren, aber um zu garantieren, daß Nick Parks
ganz besonderer Stil weiterhin erhalten blieb, wurden nicht nur einige
Tests durchgeführt, sondern gleich eine neue Reihe von kleinen Kurzfilmen
produziert.
Insgesamt zehn knapp dreiminütige Filme wurden 2002 unter dem Titel Cracking
Contraptions produziert - kleine, originelle Mini-Geschichten über
die verrückten Erfindungen von Wallace und Gromit und was alles mit ihnen
schiefgehen kann. Es war das erste Mal seit sieben Jahren, daß wieder
neue Abenteuer des Plastilin-Duos zu sehen waren, und obwohl die Kurzfilme
noch überhaupt nichts mit dem kommenden Kinofilm zu tun hatten, waren
sie der lebendige Beweis daß sich bei Aardman niemand auf die faule Haut
gelegt hatte und ein richtiges Comeback der berühmtesten Knetfiguren der
Filmgeschichte nur noch eine Frage der Zeit war.
Wallace und Gromit in der Traumfabrik
Obwohl von Dreamworks finanziert und co-produziert, wurde der neue Wallace
& Gromit-Kinofilm genauso wie sein Vorgänger Chicken Run
in den Aardman-Studios in Bristol gedreht. Jeffrey Katzenberg, der Chef
der Dreamworks-Trickfilmabteilung, machte zwar keine drakonischen Vorschriften,
beteiligte sich aber aktiv an der kreativen Seite der Filmproduktion und
brachte einige Ideen mit ein. Damit waren die englischen Filmemacher jedoch nicht immer ganz zufrieden und mußten ständig gegen die amerikanisierung ihrer Ideen kämpfen - die Kooperation zwischen Aardman und Dreamworks war nicht ganz reibungslos, obwohl sich bei der Entstehung von Chicken Run eigentlich gezeigt hatte, daß die beiden Studios künstlerisch
auf einer ähnlichen Wellenlänge lagen.
Nick Park hatte als Schöpfer von Wallace und Gromit alle Fäden in der
Hand, aber natürlich konnte er die enorme Arbeit des Regisseurs nicht
ganz alleine übernehmen. Als Co-Regisseur suchte er sich deshalb jemanden
aus, der von den beiden Helden aus Knete mindestens soviel Ahnung hatte
wie er selbst: Steve Box, der bei The Wrong Trousers und A
Close Shave einer der Haupt-Animatoren war und nicht nur technisch
ein Kenner von Wallace und Gromit war. Er und Nick Park inszenierten nicht
nur den Film gemeinsam, sondern entwickelten auch die Geschichte und das
Drehbuch zusammen.
Alles nur erfunden
Die drei vorherigen Wallace & Gromit-Kurzfilme waren im Prinzip
alle Genre-Parodien - A Grand Day Out war eine Anlehnung an Jules
Vernes Le Voyage dans la Lune, The Wrong Trousers war
ein handfester Krimi a la Rififi und Topkapi und A
Close Shave erinnerte an alte Gruselthriller. Eine wirklich originelle
neue Geschichte zu erfinden war nicht leicht, aber Nick Park und Steve
Box schauten sich einfach nach anderen Genres um und landeten schließlich
bei den klassischen Horrofilm und insbesondere bei den Werwölfen, die
jedoch zu etwas viel knuddeligerem umfunktioniert wurden.
Aus einem Werwolf wurde ein Wer-Kaninchen, das statt Menschen Gemüse bedroht
- eine passende Umwandlung für das kleine Universum von Wallace und Gromit
und nicht nur eine simple Verharmlosung. Wallace und Gromit wurden von
ihrem Job als Fensterputzer in A Close Shave zu professionellen Kammerjägern
mit Spezialgebiet Nagetieren befördert, was eine Fundgrube für eines von
Nick Parks größen Markenzeichen bedeutete: verrückte Erfindungen, die
nun noch aufwendiger und detailreicher gestaltet werden konnten.
Trotz der besseren technischen Möglichkeiten wurde aber die Story des
Films nicht außer acht gelassen. Nick Park und Steve Box holten sich für
die wichtige Arbeit am Drehbuch Unterstützung von Bob Baker, der an den
vorherigen zwei Kurzfilmen mitgearbeitet hatte, und Mark Burton, einem
Dreamworks-Kollegen, der schon zuvor bei Chicken Run mitgeschrieben
hatte. Die vier Autoren bastelten noch an der Geschichte herum, als die
Dreharbeiten schon längst begonnen hatten - normalerweise ein schlechtes
Zeichen, aber in diesem Fall lediglich der gelungene Versuch gutes noch
viel besser zu machen.
Das Drehbuch hat eine enorm hohe Erzähldichte und macht aus der im Grunde
genommen sehr einfachen Grundidee eine erstaunlich komplexe Geschichte,
die viele Wendungen und Überraschungen enthält. Das große Problem die
vorher nur knapp halbstündigen Geschichten auf Spielfilmlänge auszudehnen
wurde mit einem gut strukturierten Drehbuch erledigt, das die Geschichte
in einzelne Abschnitte unterteilt, die auch wie eigenständige Kurzfilme
funktionieren könnten. The Curse of the Were-Rabbit,
so der finale Titel der Produktion, macht aber trotzdem den Eindruck als
würde er aus einem Guß bestehen.
Stimmen machen Leute
Bei der Besetzung der Stimmen zeigten sich die ersten Dissonanzen zwischen
Dreamworks und Aardman, denn Jeffrey Katzenberg wollte Wallace von einem
bekannten englischen oder amerikanischen Schauspieler sprechen lassen.
Nick Park ließ dies aber nicht zu und bestand auf Peter Sallis, der schon
seit A Grand Day Out dem Charakter seine Stimme geliehen hatte. Dreamworks
willigte ein und erkannte, wie tief der Schauspieler-Veteran Peter Sallis
mit der Rolle von Wallace verknüpft war. Alleine schon die Bereitwilligkeit
des Studios auf solche Dinge einzugehen zeigte, wie wichtig Dreamworks
die künstlerische Unabhängigkeit von Aardman war - bei Disney wäre dies
etwas anders ausgegangen.
Gleichzeitig sorgte Dreamworks aber auch dafür, daß für die Nebenrollen
einige Stars angeheuert werden konnten, wobei aber auch nicht zu sehr
übertrieben wurde. Die größten Namen in der Besetzungsliste sind Helena
Bonham Carter und Ralph Fiennes, die beide nicht unbedingt riesige Hollywood-Stars
sind, aber dafür vernünftige, bodenständige englische Schauspieler. Im
Gegensatz zu Chicken Run wurden beim Wallace & Gromit
aber nur Engländer ins Tonstudio gelassen, um dem Film auch in den Dialogen
eine urbritische Atmosphäre zu verschaffen.
Herrchen, Hund und Adel
Während sich in den drei früheren Wallace & Gromit-Geschichten
die Anzahl der vorkommenden Figuren an einer Hand abzählen ließen, konnte
die stark gewachsene Crew des Kinofilms auch viel mehr Charaktere animieren.
Trotzdem bedeutete dies keine Konkurrenz für Walllace und Gromit, denn
sie bleiben die ungebrochenen Helden des Films - mehr Gesellschaft bekommen
sie aber trotzdem. Über dreißig kleine und große Charaktere wurden in
den Film eingebaut, ohne daß man den Eindruck bekommt, als ob die Geschichte
mit Figuren überfrachtet worden wäre.
Lady Tottington ist einer der beiden größeren neuen Charaktere. Die liebevolle
Parodie auf den englischen Adel wird von Helena Bonham-Carter gesprochen,
die selbst ein bißchen blaues Blut besitzt und hörbaren Spaß an ihrer
Rolle hat, ohne dabei zu stark zu übertreiben. Während Lady Tottington
den sympathischen englischen Adel darstellt, ist Victor Quatermain genau
das Gegenteil. Der schießwütige Jagtfanatiker ist eine fast schon böse
Parodie auf die englischen Royals und wird sehr genüßlich von Ralph Fiennes
gesprochen, der der Figur einen passenden deftigen und schleimigen Unterton
gibt.
Obwohl Wallace und Gromit untrennbar zusammengehören, ist Gromit der eigentliche
stille Held des Films. Genauso wie in The Wrong Trousers liegt
es auch hier an Gromit sein Herrchen aus der Patsche zu helfen, wodurch
Wallace mehr oder weniger zu einer passiven Figur wird. Trotzdem hat der
käseliebende Erfinder aber nichts an Ausdrucksstärke verloren, denn sowohl
die Animation der Knetfigur als auch Peter Sallis Stimme sind so perfekt
wie nie zuvor. Gromit ist dagegen ganz auf seine Mimik angewiesen und
schafft es nur mit Ohren, Augen und Augenbrauen beinahe mehr auszudrücken
als sein Herrchen Wallace - eine Eigenschaft, die sich in den früheren
Filmen bewährt hatte und in Curse of the Were-Rabbit in vollem
Umfang zum Einsatz kommt.
Die vielen anderen Nebencharaktere sind die Bewohner des kleinen Stadtviertels,
in dem Wallace und Gromit wohnen und wurden mit genausoviel Liebe zum
Detail erschaffen wie die Hauptrollen, auch wenn sie oft nur kurz präsent
sind. Die Leute sind keine platten Parodien, sondern eigentlich sehr genaue
Beobachtungen der durchschnittlichen britischen Bevölkerung, die in ihren
Knetmasse-Versionen nur wenig übertrieben wirken. Einzelne Charaktere,
die etwas mehr aus der Masse hervortreten, wie zum Beispiel der Pfarrer
und der Polizei-Constable, sind dann wiederum Zitate an alte Horrorfilme,
in denen ganz ähnliche Figuren vorkamen.
Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Kaninchen, die den Film genauso
dicht bevölkern wie die Schafe in A Close Shave und mindestens
genauso knuddelig gestaltet wurden. Manchmal stehlen die kleinen Nager
sogar Gromit die Show, der seine liebe Mühe mit der Kaninchenplage hat,
aber ihnen dann doch nichts zuleide tun kann. Die Kaninchen sind so etwas
wie das inoffizielle Markenzeichen des Films und werden sicher eines Tages
in der einen oder anderen Form nochmal einen eigenen Auftritt im Aardman-Universum
bekommen.
Die verrückte Welt der West Wallaby Street
Wallace und Gromits Heimat ist in ihrem neuen Kino-Auftritt so detailreich
wie nie zuvor zu sehen - über dreißig handgefertigte Miniatur-Sets wurden
in monatelanger Handarbeit für den Film gebaut. Von Wallace und Gromits
trautem Heim über die typisch englischen Vorstadtstraßen bis zu Lady Tottingtons
luxuriösem Gewächshaus bekommt man erstaunlich viel von der kleinen Aardman-Welt
zu sehen. Die Produktionsdesigner waren darauf bedacht, die unzähligen
Details so authentisch wie nur möglich zu gestalten, ohne dabei den unvergleichlichen
Aardman-Stil außer acht zu lassen.
Besonders verspielt gestaltet wurden natürlich die diversen Requisiten,
die von einem einfachen Auto bis zu Wallaces verrückten Erfindungen reichten.
Alles wurde mit einer faszinierenden Liebe zum Detail gestaltet, die wohl
in der Trickfilmwelt einmalig ist und nur schwer mit digitalen Mitteln
machbar gewesen wäre. Geradezu unglaublich ist die Vielfalt der Vegetation
und der zahllosen verschiedenen Gemüsesorten, die in mühsahmer Handarbeit
für den Wettbewerb und Lady Tottingtons gigantisches Treibhaus erstellt
wurden. Die Requisiten und Sets machen einen erstaunlich lebendigen und
dreidimensionalen Eindruck, gerade weil sie nicht hundertprozentig glatt
und perfekt aussehen.
Ganz ohne digitale Unterstützung kam aber auch Curse of the Were-Rabbit
nicht aus, denn es gibt einige Dinge, die man mit einfacher Stopmotion-Animation
einfach nicht bewerkstelligen lassen kann. Szenen wie die fliegenden Häschen
in Wallaces Karnickel-Staubsauger wurden von der englischen CGI-Animationsfirma
MPC erstellt, die ganze Knetfiguren von Aardman samt Haut und Haaren in
den Computer eingescannten und keine glatten 3D-Modelle erstellten, sondern
alle kleinen Imperfektionen der Vorlagen aus Plastilin getreu reproduzierten.
Dadurch sind die mit Computer-Unterstützung entstandenen Szenen optisch
kaum von den traditionell animierten Sequenzen unterscheidbar.
Melodien für Melonen
Musikalisch bedeutete Curse of the Were-Rabbit für Aardman eine
Rückkehr zu den Ursprüngen, denn statt einem Komponisten der von Dreamworks
ausgewählt wurde konnten sich Nick Park und Steve Box diesmal durchsetzen
und Julian Nott engagieren, der die Musik für alle vorherigen Wallace
& Gromit-Filme komponiert hatte. Es wurde also nicht nur Notts berühmtes
Hauptthema verwendet, sondern auch eine vollständige Score von ihm geschrieben,
die genauso gut gelang wie John Powells und Harry Greggson-Williams Musik
zu Chicken Run.
Obwohl Julian Notts Musik von Hans Zimmer produziert wurde, ist von dem
Baukasten-artigen Stil von Zimmers Media Ventures-Produktionsfirma überhaupt
nichts zu hören. Die Themen sind originell und nicht nur die neu arrangierte
Wallace & Gromit-Melodie hat deutlichen Ohrwurm-Charakter. Statt
dem Film eine amerikanische Actionfilm-Musik aufzudrücken hat Dreamworks
genau das richtige getan, Aardman die Entscheidungsfreiheit gelassen und
nur bei der Produktion mitgeholfen. Aufgenommen wurde die Musik in den
Abbey Road und Air Studios in London, zwei der besten und berühmtesten
Tonstudios in England, wo die meisten großen Filmscores eingespielt werden.
Comeback und Katastrophe
The Curse of the Were-Rabbit bedeutet nicht nur die Rückkehr
von Wallace und Gromit, sondern auch ihr Debüt auf der großen Leinwand
in Spielfilmlänge - etwas, was Nick Parks größter Wunsch seit der Erfindung
des Plastilin-Duos gewesen war. Nach über zwanzig Jahren wurde dieser
Traum endlich wahr und wurde zu einem großen Erfolg, denn bei der Filmpremiere
in den USA und dem englischen Kinostart konnte Curse of the Were-Rabbit
hervorragende Einspielergebnisse erzielen, und auch die Kritiker waren
von der Originalität des Films höchst begeistert.
Trotzdem war Nick Park, Steve Box und ihren Kollegen bei Aardman nicht
zum Feiern zumute, denn einen Tag nach der amerikanischen Kinopremiere
des Films wurde das Aardman-Lagerhaus in Bristol, in dem sich fast alle
Sets und Figuren aus der dreißigjährigen Geschichte des Studios befanden,
durch ein Feuer vollständig zerstört. Nur die Sets des neuen Films und
einige Einzelstücke, die in den eigentlichen Studiogebäuden aufbewahrt
wurden, entkamen dem Feuer, das von Nick Park als im Vergleich zur Erdbeben-Katastrophe
in Asien geradzu unwichtiges Ereignis beschrieben wurde. Niemand wurde
verletzt, und Aardman ließ sich von dem doch tragischen Verlust nicht
aufhalten - schon bald wurde erklärt, daß es auf jeden Fall weitere Stopmotion-Trickfilme
geben wird und die wichtigsten verlorenen Ausstellungsstücke wieder neu
aufgebaut werden würden.
Bereits mit vielen Annie-Awards und einem BAFTA für den besten britischen
Film des Jahres ausgezeichnet wurde Curse of the Were-Rabbit
auch für einen Oscar als bester Trickfilm nominiert, den Nick Park und
Steve Box bei den Oscar-Verleihungen im März 2006 dann auch stolz
entgegennehmen konnten. Trotzdem war Curse of the Were-Rabbit der Anfang vom Ende der Zusammenarbeit von Dreamworks und Aardman, denn trotz der durchgehend positiven Kritiken spielte der Film in den USA nur halb soviel wie Chicken Run ein und wurde deshalb von Jeffrey Katzenberg als finanzieller Reinfall abgestempelt. Ein Jahr später gingen die beiden Studios entgültig getrennte Wege, nachdem auch Flushed Away, das CGI-Experiment im Aardman-Stil, keine riesigen Erfolge verbuchen konnte.
The Curse of the Were-Rabbit war aber trotz der Probleme zwischen Aardman und Dreamworks der genau der Film, auf den die
Fans mehr als zehn Jahre gewartet hatten. Die Umwandlung vom halbstündigen
Kurzfilm in die Spielfilmlänge klappte hervorragend und Aardman wartete
mit einer Geschichte auf, die die kühnsten Erwartungen noch haushoch übertreffen
konnte - A Grand Day Out, The Wrong Trousers und A
Close Shave hatten nach zehn Jahren endlich einen würdigen Nachfolger
gefunden. Es blieb auch nicht das letzte Abenteuer von Wallace und Gromit, denn drei Jahre später gab sich Nick Parks Plastilin-Duo in A Matter of Loaf and Death wieder in einem halbstündigen Abenteuer auf den Fernsehbildschirmen die Ehre, das bestimmt nicht das letzte war.
Die DVD
Wallace & Gromit in Curse of the Were-Rabbit wurde nach der Kinopremiere
im Oktober 2005 nicht sofort zum Weihnachtsgeschäft als DVD rausgehauen,
sondern erst vier Monate später im Februar veröffentlicht. Dreamworks
und Aardman haben eine ganz hervorragende DVD zusammengestellt, die nicht
nur ausgezeichnete Bild- und Tonqualität bietet, sondern auch viele interessante
Extras enthält. In den USA und in Deutschland wurde eine praktisch gleich
ausgestattete DVD veröffentlicht, während es in England ein 2-Disc-Set
gibt, bei dem aber lediglich die ältere Dokumentation The Amazing
World of Wallace & Gromit und die zehn Cracking Contraptions-Kurzfilme hinzugefügt wurden. Ich habe mir aus naheliegenden Gründen (PAL-Speedup) die amerikanische DVD angeschaut - sollten
sich Universal und Dreamworks in Deutschland keinen Ausrutscher geleistet
haben, dürfte diese Kritik größtenteils auch auf die deutsche DVD zutreffen.
|
|
Bonusmaterial
Curse of the Were-Rabbit bekam von Dreamworks eine ordentliche DVD-Veröffentlichung spendiert, die alles wichtige in bester Qualität auf nur einer DVD unterbringt. Für Dreamworks sind die Zeiten der aufwendigen 2-Disc-Ausgaben vorbei, aber schon die Single-DVDs des Studios sind heutzutage besser ausgestattet als so manche Super-Special-Editions der Konkurrenz. Diese DVD ist das beste Beispiel und bietet in einem gelungenen Menüdesign eine fantastische Auswahl von Bonusmaterial, ohne dabei großartig als Collector's Edition beworben zu werden.
Der Audiokommentar von Nick Park und Steve Box wird außer
in den DVD-Menüs unter dem unspektakulären Menüpunkt Cracking Commentary
nirgendwo erwähnt, ist aber eins der besten Extras dieser DVD. Die beiden
Filmemacher hatten vor einigen Jahren schon sehr unterhaltsame Kommentarspuren
für die drei Wallace & Gromit-Kurzfilme aufgenommen und sind
auch hier hervorragende Erzähler, die kaum Pausen machen und immer neue
Geschichten auf Lager haben. Dabei wird nicht nur die technische Seite
der Produktion erwähnt, sondern auch viel Wert auf die Entstehung der
Geschichte und die zahllosen Mitarbeiter gelegt. Es ist ein sehr lockerer,
humorvoller und ungezwungener Kommentar, dem es einfach Spaß macht zuzuhören.
Neun Deleted Scenes (13:11) sind auf dieser DVD inklusive
optionalem Audiokommentar von Nick Park und Steve Box untergebracht. Die
Szenen sind in nicht-anamorphem Widescreen-Format und nicht ganz optimaler
Bildqualität zu sehen, aber dadurch nicht weniger interessant. Der größte
Teil wird in Form von vertonten Storyboards präsentiert, aber es sind
auch einige komplett fertige Sequenzen dabei.
How Wallace & Gromit went to Hollywood (20:21) ist eine
kleine, aber gut gemachte Dokumentation über die Geschichte der Aardman-Studios.
Es ist kein typisches Werbe-Making-Of, sondern eine richtige kleine Doku,
die aus altem und aktuellem Material zusammengestellt wurde und trotz
der kurzen Laufzeit erstaunlich viel Informationen bietet. Von den frühen
Anfängen in den siebziger Jahren über die Erfolge mit Wallace und Gromit
bis zu den neuen Kinofilmen kommt fast alles zur Sprache, und sogar das
Feuer im Aardman-Lagerhaus wird gegen Ende erwähnt. In den netten und
freundlichen Interviews kommen unter anderem Nick Park, Peter Sallis,
Peter Lord, David Sproxton, Jeffrey Katzenberg und Steve Box zu Wort und
man bekommt eine ganze Menge Ausschnitte aus früheren Aardman-Werken und
ein paar Blicke hinter die Kulissen zu sehen.
Behind the Scenes (13:01) hat eigentlich den Titel The
Making of Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit und ist
mehr ein traditionelles kurzes Making-Of. Die Interviews mit Nick Park,
Steve Box, Peter Sallis, Helena Bonham-Carter, Ralph Fiennes und anderen
sind zwar inhaltlich nicht sehr gehaltvoll und die knappe Viertelstunde
besteht aus mindestens einem drittel Filmausschnitten, aber die Behind-the-Scenes-Aufnahmen
von den Dreharbeiten machen dieses kurze Featurette dann doch wieder sehenswert.
A Day in the Life of Aardman (8:23) begleitet den Assistant
Director Vinnie bei einer ausführlichen Tour durch die Aardman-Studios
in Bristol, oder besser gesagt den neuen Studios im Atzec West-Gewerbepark,
wo Aardman die Kinofilme produziert. Hier bekommt man einen faszinierenden
Eindruck davon, wie aufwendig die Entstehung von Curse of the Were-Rabbit
war und wie bei Aardman gearbeitet wird.
In How to Build a Bunny (3:30) demonstriert Model Maker
Harriet Thomas, wie eins von den hunderten Kaninchen des Films aus einem
Klumpen Knete entsteht - was ganz einfach aussieht, aber mit Sicherheit
viel schwerer ist als es hier gezeigt wird.
Stage Fright (11:07) ist Steve Box' erster eigener Aardman-Kurzfilm,
der hier in nicht-anamorphem 1.78:1 und offenbar von einer PAL-Quelle
konvertiert präsentiert wird. Die Bildqualität ist zwar nichts besonderes,
aber der Film ist ein kleines Kunstwerk und wird außerdem von einem sehr
interessanten Audiokommentar von Steve Box begleitet.
The Family Album ist eine kleine, aber feine Bildergalerie,
die aus den Abteilungen Signs (8 Bilder), Storyboards (11 Bilder) Wallace
& Gromit's Photo Album (10 Bilder) und Behind the Scenes (26 Bilder)
besteht und zwar nicht sehr zahlreich bestückt ist, aber dafür sehr gut
ausgewählt wurde.
Im Menü DWK befinden sich die Extras für die jüngeren
Zuschauer.
Unter Cracking Contraptions sind drei der insgesamt zehn
Mini-Kurzfilme untergebracht. The Snoozatron (2:38), The 525 Crackervac (2:14) und Shopper 13 (4:00) sind zwar eine sehr gute Auswahl, aber leider
hier nur in nicht-anamorphem 1.85:1 zu sehen und außerdem von den PAL-Mastern
nach NTSC normgewandelt worden, wodurch die Bildqualität im Vergleich
zu den Originalen auf der englischen Cracking Contraptions-DVD enttäuschend
ist. Dennoch ist es nett, daß zumindest drei der Kurzfilme hier als kleines
Extra mit draufgepackt wurden - auf der britischen 2-Disc-Ausgabe sind allerdings alle zehn Stück dabei.
Games & Activities enthält vier DVD-Menü-basierte Spiele.
Anti Pesto SWAT Team, Victor Quatermains Guide to Cool,
Style with Lady Tottington und Build your own Bunny
sind erstaunlich gut gemacht und auch als nicht mehr ganz junger Zuschauer
lohnt es sich hier einmal kurz hineinzuschauen.
Im DVD-ROM-Bereich befinden sich in einer schick gestalteten
Web-Oberfläche außerdem eine große Sammlung von PDF-Druckmaterial: Lesezeichen,
Kalender, Malvorlagen, Puzzle, Masken, Mobile, Postkarten, Rezepte, Briefpapier,
Aufkleber und noch einiges mehr sind sicher auch nicht nur für die jüngsten
DVD-Käufer interessant.
Trailer für Curse of the Were-Rabbit gibt es
auf dieser DVD leider nicht, aber beim Start der Disc bekommt man vor
dem Menü eine Vorschau auf die kommenden Dreamworks Animation-Filme Over
the Hedge und Flushed Away (4:55) zu sehen, und in den DVD-Menüs
sind auch noch die Trailer für Dreamer, Madagascar,
Shark Tale, Shrek 2, die Wallace & Gromit-Kurzfilme
und das Wallace & Gromit-Computerspiel untergebracht.
|
|