Die Serie
Die Hexen des kleinen Königreichs Lancre auf der magischen Discworld werden unfreiwillig in Staatsangelegenheiten verwickelt, als König Verence von seinem Herzog Felmet um die Ecke gebracht wird und der Statthalter, das kleine Baby des Königs, in ihren Händen landet. Der seltsamste Hexenzirkel der Discworld, bestehend aus Patriarchin Nanny Ogg, Altmeisterin Granny Weatherwachs und Nachwuchs Magrat Garlick, will die Zukunft des Königreichs retten und bedient sich dabei ganz eigenen Methoden...
Lange Zeit galten Terry Pratchett's Discworld-Romane als unverfilmbar und alle Anstrengungen, es trotzdem zu versuchen, landeten in der Development Hell. 2006 gelang es aber einer Gruppe von Filmemachern um den Regisseur und Autor Vadim Jean in enger Zusammenarbeit mit dem Autor, für den britischen Privatsender Sky One erfolgreich eine Verfilmung von Hogfather zu drehen, die der Anfang einer Discworld-Reihe des Senders wurde. 2008 folgte eine nicht ganz originalgetreue, aber dennoch gelungene Version der Discworld-Frühwerken The Colour of Magic und The Light Fantastic, mit einem weiteren Sprung in Pratchetts Werken wurde 2010 das relativ neue Buch Going Postal verfilmt. In den neunziger Jahren gab es aber schon einmal einen völlig anderen Ansatz, Terry Pratchetts Discworld-Universum zum Leben zu erwecken.
Als Terry Pratchett Anfang der neunziger Jahre immer größere Erfolge mit seinen Discworld-Romanen hatte, mußte sich der Autor auch mit diversen Angeboten von Film- und Fernsehproduzenten auseinandersetzen. Da seine Geschichten nur wenig Hollywood-tauglich waren, blieb hauptsächlich die heimische Medien-Branche übrig, wo Pratchett einen ungewöhnlichen Verbündeten fand: das britische Animations-Studio Cosgrove Hall, das in den siebziger Jahren gegründet worden war und mit Kultserien wie Danger Mouse und Count Duckula die englischen Fernsehbildschirme eroberte. 1992 hatte Cosgrove Hall eine kurze Stopmotion-Version von Pratchetts Truckers produziert, mit dem der Autor sehr zufrieden war - allerdings blieben die anderen zwei Bücher Diggers und Wings der Bromeliad-Trilogie danach unverfilmt.
Die Zusammenarbeit zwischen Cosgrove Hall und Terry Pratchett wurde aber einige Jahre später fortgeführt, als das Trickfilm-Studio und der Fernsehsender Channel Four Interesse an den Discworld-Romanen des Autors zeigten. Als Test wurde 1996 zuerst ein zehnminütiger Pilotfilm auf der Basis von Reaper Man produziert, der aber nicht fortgeführt wurde, denn Nicht alle der Fantasy-Parodien von der flachen Welt waren aufgrund der phantasievollen Ideen für eine Trickfilm-Umsetzung geeignet. Zwei Bücher erwiesen sich aber doch als ideal für das Projekt: eins davon war Wyrd Sisters, Pratchetts sechster Discworld-Roman und die zweite Geschichte, die sich um die Hexen der Scheibenwelt und das kleine Königreich Lancre drehte.
Das Vorbild von Wyrd Sisters waren Shakespeares historische Dramen. Terry Pratchett hatte sich hauptsächlich an Macbeth und Hamlet orientiert und den Plot als genüßliche Genre-Parodie begonnen, bei der die Hexen nicht die Bösewichte, sondern die gutmütigen Protagonisten sind. Die zweite Hälfte der Geschichte beschäftigt sich unter anderem mit der Entwicklung der Schauspielzunft auf der Discworld, so daß es sich weniger um eine ausladende Fantasy-Parodie handelt, als um eine kleine, aber feine Satire, die mit nur wenigen phantastischen Elementen auskommt und manchmal fast wie ein Kammerspiel wirkt.
Cosgrove Hall hatte sich deswegen für Wyrd Sisters entschieden, denn die parallel produzierte Trickfilm-Version von Soul Music war etwas aufwendiger angelegt worden. Wyrd Sisters wurde deswegen zwar nicht vernachlässigt, war aber durch die Vorlage bedingt einfacher zu realisieren. Die Verwandlung des Buchs in ein Script für eine vierteilige Serie mit fast zweieinhalb Stunden Laufzeit hatte Terry Pratchett selbst dankend abgelehnt und die Aufgabe Cosgrove Hall überlassen, die ihm jedoch volles Einspruchsrecht gewährten und gerne seinen Rat annahmen. Das Drehbuch schrieb Jimmy Hibbert, ein langjähriger Mitarbeiter des Animationsstudios, der seine Karriere zuerst als Sprecher begonnen hatte, aber seit Ende der achtziger Jahre auch zahllose Drehbücher für Cosgrove Hall geschrieben hatte.
Der größte Teil des 300-seitigen Buchs wurde fast komplett übernommen, nur einige Subplots mußten reduziert werden, um die Geschichte in knapp zweieinhalb Stunden unterbringen zu können. Der Plot blieb aber intakt und auch Terry Pratchetts ausführliche Dialoge blieben im Kern erhalten, obwohl sie natürlich ebenfalls etwas gekürzt werden mußten. Es wurde aber erstaunlich wenig weggelassen und vor allen Dingen wurde die etwas düstere und mysteriöse Atmosphäre nicht zugunsten einem kindergerechneten Spaß über Bord geworfen - genauso wie die Buchvorlage ist die Drehbuchumsetzung durchaus humorvoll, aber für eine Trickfilm-Serie ungewöhnlich dramatisch. Die Regie übernahm die langjährige Cosgrove-Hall-Mitarbeiterin Jean Flynn, die zuvor als Storyboard-Zeichnerin und Animations-Regisseurin vieler Trickfilmserien tätig war.
Visuell hat Wyrd Sisters nur wenig mit den eingeschränkten Möglichkeiten einer Fernsehproduktion zu kämpfen, denn die Animation ist den Umständen entsprechend bemerkenswert gut gelungen. Besonders die Hintergründe sind eine gelungene Repräsentation von Terry Pratchetts phantasievoller Welt und sind zwar verspielt, aber nicht wirklich cartoonartig. Gleiches kann man auch von den Charakteren behaupten, die sehr vorlagengetreu gestaltet wurden und außer einer sehr dynamischen Animation auch eine ausgeprägte Mimik zu bieten haben, die man sonst nur bei Trickfilmproduktionen erheblich größeren Kalibers finden kann. Auf digitale Unterstützung wurde bis auf eine Ausnahme verzichtet: der Vorspann, in dem eine dreidimensional gerenderte Discworld inklusive gigantischer Schildkröte und Elefanten zu sehen ist - für die damalige Zeit und die beschränkten Mittel eine durchaus gelungene Repräsentation vom Ort des Geschehens.
Richtig den Funken überspringen läßt aber noch nicht die Animation alleine. sondern die hervorragende Stimmenbesetzung. Für die hatte sich Cosgrove Hall nicht nur auf die Stammsprecher des Studios verlassen, sondern eine Reihe von erstklassigen Schauspielern engagiert. Jane Horrocks, June Whitfield und Annette Crosbie geben eine wundervolle Vorstellung als unkonventionelles Hexen-Trio und geben Nanny Ogg, Granny Weatherwax und Magrat Garlick genau die richtige Mischung aus Humor und Dramatik. Gerade diese Rollen hätten falsch angelegt schnell nervig oder dümmlich werden können, aber sogar Jane Horrocks gelingt es, die naive Magrat hervorragend herüberzubringen.
David Holt meistert Felmets langsam fortschreitenden Wahnsinn ausgezeichnet und Eleanor Bron bringt feine Nuancen von Boshaftigkeit in den Charakter der Herzogin, der eigentlichen Antagonistin der Geschichte. Für die Doppelrolle des Narren und Tomjon konnte der Comedian Les Dennis gewonnen werden, der genau den richtigen Witz in die beiden Charaktere bringt, ohne zu albern zu wirken. Die Kröning der Besetzung ist allerdings Tod, für den Cosgrove Hall niemand anderen als Christopher Lee engagieren konnte. Sein Auftritt ist mehr oder weniger ein Überbleibsel von Soul Music, wo er eine weitaus größere Rolle spielt, aber auch hier gibt er mit seiner sonoren Stimme dem ungewöhnlichen Charakter etwas ganz besonderes.
Musikalisch hat Wyrd Sisters mehr zu bieten als andere Trickfilmserien, denn es kommen nicht nur kurze Jingles zum Einsatz, sondern oft auch eine aufwendig produzierte Hintergrundscore. Dafür verantwortlich waren der ehemalige Herman's Hermits-Gitarrist Keith Hopwood und der Komponist und Produzent Phil Bush, die einen folkartigen Stil mit Hilfe von orchestralen Arrangements, Synthesizer-Sounds und Akustik-Gitarren geschaffen hatten, um die mittelalterliche Atmosphäre der Discworld zu unterstreichen. Besonders die Titelmusik, die nicht nur für Wyrd Sisters, sondern auch für Soul Music komponiert wurde, hat einen ganz besonderen Sound zu bieten, der auch in der Hintergrundmusik in verschiedenen Varianten zum Einsatz kam und zu einem der deutlichsten Markenzeichen der beiden Serien wurde.
Wyrd Sisters ist nicht nur durch die Kooperation mit Terry Pratchett zu einer erstaunlich gut gelungen Trickfilm-Adaption geworden, sondern auch durch die kompetente Umsetzung von Cosgrove Hall. Auch wenn es sich um Zeichentrick handelt, ist Wyrd Sisters weit entfernt von typischer Cartoonkost und weniger für jüngere Zuschauer als für Erwachsene gedacht.
Wer mit dem Discworld-Universum nicht vertraut ist, wird möglicherweise von der Geschichte etwas verwirrt sein, aber Fans von Terry Pratchetts Büchern sind natürlich im Vorteil und können eine der ersten Discworld-Verfilmungen genießen.
Die DVD
Wyrd Sisters wurde zusammen mit Soul Music nach einer VHS-Veröffentlichung Ende der neunziger Jahre von Universal 2000 in England auch als DVD herausgebracht, auf der die vier Serien-Episoden zu einem 140 Minuten langen Film zusammengeschnitten und mit einigen willkommenen Extras ergänzt wurden. Leider war die Bildqualität sehr enttäuschend, aber es handelt sich bis auf eine auf dem gleichen Bildmaster basierende US-DVD um die bisher einzige DVD-Veröffentlichung der Serie.
Die hier rezensierte Ausgabe von Wyrd Sisters stammt aus einem britischen Doppelpack mit Soul Music, in dem aber nur die beiden einzelnen DVDs in einem Pappschuber untergebracht wurden. Leider ist die DVD derzeit out-of-print und nur gebraucht erhältlich. Seit 2009 gibt es in Deutschland von eine DVD von Wyrd Sisters des Distributors KSM, die allerdings keine der Extras von der britischen Ausgabe enthält.
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