Der Film
Casino Royale war Ian Flemings erster Roman mit dem Geheimagenten
James Bond. Fleming konnte sein 1953 erschienenes Buch schon ein Jahr
später für 1000 Dollar an den amerikanischen Sender CBS verkaufen, die
die Geschichte als einstündige Live-Produktion in der Serie Climax Mystery
Theater inszenierten. Diese erste Produktion hatte so gut wie gar nichts
mit den späteren Verfilmungen zu tun - die Hauptfigur, gespielt von Barry
Nelson, wurde als "Jimmy Bond" stark amerikanisiert, einzig vom historischen
Interesse war das Mitwirken von Peter Lorre als Bösewicht sein. Dieser
Erstversuch geriet auch bald in Vergessenheit, und dann traf Ian Fleming
auf Albert R. Broccoli und Harry Saltzman, die die Rechte für alle anderen
Bond-Romane erwarben und 1962 ihre enorm erfolgreiche Bond-Filmreihe starteten.
Der verlorene Roman
Casino Royale gehörte jedoch nicht zum Rechtepaket, das Broccoli und Saltzman
erworben hatten - Ian Fleming hatte nach der CBS-Inszenierung von 1954
die gesamten Filmrechte an die Produzenten Michael Garrison und Gregory
Ratoff für weitere 6000 Dollar verkauft, die erfolglos versuchten den
Stoff als Fernsehserie 20th Century Fox schmackhaft zu machen. Nach dem
Tod von Gregory Ratoff verkauften seine Witwe und Michael Garrison 1960
die Rechte von Casino Royale an den Produzenten Charles K. Feldman, der
vorerst noch nichts damit vorhatte - bis sich die James Bond-Produktionen
von Albrt Broccoli und Harry Saltzman als große Erfolge herausstellten.
Nachdem Thunderball als vierter Bond-Film gedreht worden war, wandte sich
Charles K. Feldman, der gerade mit What's New, Pussycat? einen großen
Erfolg gelandet hatte, an die beiden Produzenten und schlug eine Kooperation
für eine ernsthafte Verfilmung von Casino Royale vor. Die waren allerdings
nicht interessiert, weil sie gerade bei Thunderball, der eine Co-Produktion
mit Kevin McClory und eigentlich der Produkt eines jahrelangen Rechtsstreits
war, schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Feldman versuchte sogar Bond-Darsteller
Sean Connery zu engagieren, aber der wollte nur für eine Gage von einer
Million Dollar mitspielen - und das war dem Prodzenten doch etwas zu teuer.
Deshalb entschied sich Feldman dazu, statt einer ernsten Verfilmung eine
Parodie nicht nur der Bond-Filme, sondern des gesamten Spionagefilm-Genre
zu drehen.
Der Konkurrenz-Bond
Obwohl Charles K. Feldman die Rechte an Casino Royale besaß, war wegen
der Ähnlichkeit des Plots zu den Filmen von Albert Broccoli und Harry
Saltzman an eine werkgetreue Verfilmung überhaupt nicht zu denken, und
um einen Rechtsstreit mit der Konkurrenz zu vermeiden konnten allerhöchstens
Teile der titelgebenden Casino-Szene und die Namen der Charaktere, verwendet
werden - aber nicht viel mehr. Stattdessen wurden von den Drehbuchautoren
Wolf Mankowitz, John Law und Michael Sayers ein aberwitziger Plot erdacht,
der praktisch überhaupt nichts mit der Romanvorlage und erst recht nicht
mit den "offiziellen" Bond-Filmen zu tun hatte.
Für die Inszenierung wurden nicht nur ein Regisseur, sondern gleich fünf
engagiert, die jeweils einzelne Segmente der stark episodehaften Geschichte
inszenieren sollten. Feldman konnte einige der besten und angesehensten
Regisseure für das Projekt gewinnen: John Huston, der auch als Darsteller
im Anfang des Films dabei war, Robert Parrish, Ken Hughes, Joseph McGrath
und Val Guest teilten sich die Regiearbeiten des Films, wobei
Will the real James Bond please stand up?
Auch bei der Auswahl der Schauspieler ließ sich Charles K. Feldman nicht
lumpen und bemühte sich erfolgreich eine Traumbesetzung zusammenzustellen
- schließlich galt es nicht nur einen James Bond, sondern gleich eine
ganze Handvoll zu besetzen. Allen voran ging David Niven, der einer der
ersten Kandidaten von Albert Broccoli und Harry Saltzman für die Rolle
des Geheimagenten gewesen war und auch Ian Fleming als Vorbild für seine
Romane gedient hatte . Der britische Schauspieler hatte viel Humor und
ließ sich mit großem Vergnügen auf die einzige Chance seiner Karriere
ein, James Bond doch noch zu spielen, wenn auch auf eine etwas unkonventionelle
Weise.
Peter Sellers war dagegen eine relativ ungewöhnliche Wahl für die Rolle
des James Bond, aber schließlich sollte es sich um eine Parodie handeln
und Sellers hatte schon zweimal zuvor den trotteligen Inspektor Closeau
in The Pink Panther gespielt. Charles K. Feldmann war Sellers wohlbekannt,
da er schon in dem kurz vor Casino Royale entstandenen What's New, Pussycat?
eine Hauptrolle hatte. Tatsächlich sollte Sellers auch nicht James Bond,
sondern den von Vesper Lynd rekrutierten Baccarat-Experten Evelyn Tremble
spielen, wovon der Schauspieler sehr enttäuscht war. Er hatte sich eigentlich
darauf gefreut, in einem halbwegs ernstgemeinten Film mitzuspielen und
versuchte mehrfach seine Rolle umzuschreiben um die Albernheit seines
Charakters zu reduzieren.
Stars und Sternchen
Für die anderen Rollen konnte Charles K. Feldman viele weitere Stars gewinnen,
darunter mit Ursula Andress sogar ein ehemaliges Bond-Girl, sowie Orson
Welles, Daliah Lavi, Deborah Kerr, William Holden und Woody Allen - eine
Besetzung, die heute jeden Hollywood-Produzenten vor Neid erblassen lassen
würde. Außerdem wurde die Kunst der Cameos, einst von Michael Todd für
Around the World in 80 Days erfunden, ausführlich gepfegt: John Huston
besetzte sich selbst in seinem Segment, aber in kleinen Mini-Auftritten
waren auch Jean-Paul Belmondo und George Raft zu sehen, die aber trotzdem
im Abspann genannt wurden. Peter O'Toole absolvierte dagegen einen ungenannten
Kleinstauftritt als Anspielung auf What's New, Pussycat.
Auch die größeren Nebenrollen wurden mit erstaunlichem Gespür besetzt:
Joanna Pettet und Ursula Andress zogen das Klischee der Bond-Girls gnadenlos
und mit viel Humor durch den Kakao, während Woody Allen sein Talent als
Standup-Komiker in einigen Szenen ausführlich beweisen konnte und damit
einen Vorgeschmack auf seine späteren Filme gab. Terence Cooper, der es
beinahe einmal selbst zum "echten" James Bond geschafft hätte, wurde als
kerniger Agenten-Kandidat in einer kleinen Rolle besetzt, und der britische
Komiker Ronnie Corbett ist als seltsamer Diener der ostdeutschen Agentenschule
zu sehen. Auch Standard-Rollen wie Q und Miss Moneypenny wurden mit Geoffrey
Bayldon und Barbara Bouchet passend besetzt, ohne dabei ihre Vorbilder
zu deutlich zu imitieren.
Das große Chaos
Trotz aller Gerüchte war die Produktion von Casino Royale generalstabsmäßig
durchgeplant und genauso aufwendig wie bei den "richtigen" Bond-Filmen.
Durch ein millionenschweres Budget waren extravagante Sets und kompliziert
durchchoreographierte Actionszenen möglich, aber durch einige unberechenbare
menschliche Faktoren gerieten die Dreharbeiten bald außer Kontrolle. Das
größte Problem war Peter Sellers, dessen launische Eigenheiten und notorisches
Zuspätkommen der Filmproduktion viel Geld kostete - unter anderem konnte
er seinen Kollegen Orson Welles so wenig leiden, daß er sich weigerte
mit ihm zusammen im Studio zu arbeiten, wodurch die Dreharbeiten der wichtigsten
Szene des Films, der Casino-Sequenz logistisch sehr kompliziert wurden.
In noch größere Schwierigkeiten geriet Casino Royale aber, als Peter Sellers
frustriert die Dreharbeiten verließ, obwohl noch nicht alle seiner Szenen
gedreht waren. Weil Sellers nicht mehr zur Rückkehr zu überreden war,
entstand ein großes Loch in der Handlung, das die Fertigstellung des Films
ernsthaft gefährdete. Um Casino Royale aber doch noch auf die Kinoleinwände
bringen zu können, mußte in der Postproduktion zu einigen Tricks gegriffen
werden. Es blieb nichts anderes übrig, als Peter Sellers' Charakter vorzeitig
aus der Handlung zu entfernen und die anderen Teile der Geschichte etwas
zu verlängern. Das führte dazu, daß der Plot des Films ziemlich durcheinandergewürfelt
wurde und einige sehr verrückte und psychedelische Sequenzen als Verlegenheitslösung
entstanden, die unfreiwillig zum Markenzeichen des Films wurden.
The Sound of Bond
Ein glückliche Hand hatte Charles K. Feldman aber bei der Auswahl des
Filmkomponisten, bei der er wieder auf Burt Bacharach zurückkam, der schon
die Musik für What's New, Pussycat geschrieben hatte. Eigentlich war Bacharach
kein richtiger Filmmusiker, sondern ein Songwriter und hatte noch gar
nicht so viele Filme vertont - seine Soundtrack bestanden zumeist aus
einzelnen Instrumentalstücken, die wie Songs arrangiert waren und oft
nur rudimentär an die Handlung des Films angepaßt waren. Seine Soundtrack
von Casino Royale war aber schon wesentlich organisierter und hatte überraschend
vielseitige, stark bläserlastige Stücke mit relativ komplexen Arrangements
zu bieten, die unschätzbar viel zur verspielten und ausgelassenen Atmosphäre
des Films beitragen.
Zwei richtige Songs hatte Burt Bacharachs Filmmusik auch noch zu bieten,
von denen einer ein riesiger Erfolg wurde: The Look of Love, ursprünglich
für eine Liebesszene zwischen Ursula Andress und Peter Sellers komponiert
und von Dusty Springfield gesungen, erwies sich als ungeahnter Hit, der
ein erstaunliches Eigenleben außerhalb des Films entwickelte und dank
zahlreichen Coverversionen einen enorm hohen Bekanntheitsgrad erreichte.
Der zweite Song des Films war die Vocal-Fassung der von Herb Alpert &
The Tijuana Brass gespielten Titelmelodie, die aber nur im Abspann zu
hören war und von dem nicht in den Credit genannten Viv Stanshall auf
eine Tom Jones-ähnliche Art gesungen wurde.
Vom Flickenteppich zum Klassiker
Obwohl die fertige Version von Casino Royale nicht das war, was sich Filmemacher
und Schauspieler ursprünglich vorgestellt hatten, wurde der Film trotzdem
wegen der fantastischen Besetzung, des innovativen Designs und nicht zuletzt
auch wegen Burt Bacharachs Musik ein großer Erfolg, obwohl im gleichen
Jahr nur zwei Monate später der "offizielle" Bond-Film You only live twice
in die Kinos kam. Die Zuschauer störte das wenig und auch United Artists
und die Bond-Produzenten waren nicht böse auf die Konkurrenz, die sie
als willkommene Werbung sahen und erkannten, daß keine Verwechslungsgefahr
mit ihren eigenen Filmen bestand.
Vierzig Jahre später kann Charles K. Feldmans Casino Royale seine Schwächen
natürlich nicht verbergen und fällt bei genauerer Analyse völlig auseinander,
macht aber trotzdem einen riesigen Spaß und ist ein interessantes Stück
Filmgeschichte - Persiflagen kann man nicht viel besser machen und Casino Royale ist die einzige wirkliche James-Bond-Parodie, die sich nicht hinter
einem anderen Namen versteckt mußte. Ende der neunziger Jahre wurde der
Stil von Casino Royale in Mike Myers' Agentenfilm-Parodie Austin Powers
wieder neu zum Leben erweckt, und schließlich gelangte der Film durch
einen langjährigen Rechtsstreit in die Hände des offiziellen Bond-Studios
MGM, die Casino Royale erstmals als DVD veröffentlichten.
Einige Jahre später wurde MGM vom Sony-Konzern aufgekauft, zu dem auch
Columbia Pictures gehört - das Studio, was ursprünglich Casino Royale
produziert hatte! Nach dem Aufkauf von MGM und damit auch den Rechten
an den offiziellen Bond-Filmen entstand als 21. James Bond-Film eine neue
Adaption von Casino Royale mit Daniel Craig in der Hauptrolle, die natürlich
keine Parodie wie der Vorgänger von 1967 ist. Trotz der großen Werbekampagne
des neuen Bond-Films bleibt Charles K. Feldmans Casino Royale ein unvergessener
Klassiker mit einem ganz besonderen Status innerhalb der James Bond-Filmfamilie.
Die DVD
Casino Royale gab es lange Zeit lediglich auf einer
Laserdisc im richtigen Kinoformat zu sehen. Sämtliche Videofassungen
waren in Pan&Scan, das die Bildkomposition völlig zerstörte
und den Film schlechter aussehen ließ, als er ist. Diese eurpäische
DVD wurde schon im Sommer 2001 veröffentlicht und bietet zwar das
Originalformat, aber leider nur in einem recycelten, nicht-anamorphen
Transfer. Dieser sieht zwar noch einigermaßen akzeptabel aus, wurde
aber durch den neuen Transfer und die bessere Tonspur der fast anderthalb
Jahre später erschienenen amerikanischen
DVD weit übertroffen.
Auch bei der allerletzten in Deutschland veröffentlichten Bond-DVD
hat es sich MGM/Fox nicht nehmen lassen, noch ein paar Fehler ins Cover
einzubauen - diesmal aber nur bei den Credits, die technischen Details
stimmen. Aber obwohl es sich um eine nicht-anamorphe DVD handelt und das
auch auf dem rückseitigen Cover vermerkt ist, befindet sich auf der
Innenseite die Anmerkung "Die Widescreen-Version dieser MGM-DVD wurde
kodiert, um die Vorzüge von hochauflösenden Widescreen-Fernsehern
zu nutzen ..." Gleiches gilt auch für das verunglückte Design
auf der DVD: Erst wurde der armen Ursula Andress der Kopf abgeschnitten
und dann noch ein Loch in den Bauch gestanzt - wie es offenbar wirklich
hätte aussehen sollen, sieht man durch das transparente Amaray-Case
im Bild darunter.
Angesichts der besseren US-DVD ist diese
europäische Fassung von Casino Royale kaum noch akzeptabel
- man sollte einen Kauf nur in Betracht ziehen, wenn man unbedingt auf
deutschen Ton oder Untertitel angewiesen ist. Eine Neuauflage ist auch
über ein halbes Jahrzehnt in Europa immer noch nicht in Sicht.
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