Der Film
Wenn die NASA Astronauten in den Weltraum schickt, gibt es meist nur zwei Möglichkeiten: entweder sie kommen heil auf die Erde zurück oder nicht, dazwischen gibt es kaum Spielraum. Eine große Ausnahme war der Flug von Apollo 13 , der trotz einer enormen Katastrophe die Astronauten wieder heil nach Hause brachte.
Ein Jahr nach der ersten Mondlandung war das Interesse der Öffentlichkeit an Raumflügen auf dem Nullpunkt - hatte Apollo 12 mit der zweiten Landung auf dem Erdtrabanten noch etwas Aufmerksamkeit erweckt, war bei Apollo 13 kaum noch etwas davon zu spüren. Alles sah nach einer Routinemission aus, aber als auf dem halben Weg zum Mond die Worte "Houston, we have a Problem" über den Äther rauschten, war dies der Beginn einer der größten Katastrophen, aber auch der größten erfolgreichsten Rettungsaktion in der Geschichte der NASA.
Die Astronauten Jim Lovell, Fred Haise und Jack Swigert ahnten nichts
böses, als sie gerade eine Fernsehübertragung beendet hatten und ein paar
Routineoperationen durchführten. Als Jack Swigert einen Schalter umlegte,
um die Sauerstofftanks durchzumischen, passierte es: nach einem großen
Knall geriet das Raumschiff außer Kontrolle und die Bordelektronik fiel
aus. Zuerst glaubte das Bodenteam in Houston unter der Leitung von Gene
Kranz an einen Meßfehler, denn so viele Fehler gleichzeitig konnte man
sich gar nicht vorstellen. Langsam, aber sicher wurde allen klar, daß
die Mondlandung nicht mehr möglich war und die Rettung der Astronauten
nur mit ganz viel Glück gelingen könnte..
Lange Zeit wurde der Flug von Apollo 13 zusammen mit Apollo 1 als das
schwärzeste Kapitel der frühen amerikanischen Raumfahrt angesehen. Erst
in den letzten zwanzig Jahren wurde in der Öffentlichkeit so richtig bekannt,
daß die Apollo 13-Mission mitnitchten eine völlige Katastrophe war, sondern
der NASA eine Menge an wichtiger Erfahrung eingebracht hat. Das wichtigste
Ziel wurde trotz allem erreicht: die Astronauten lebendig wieder auf die
Erde zurückzubekommen, was angesichts der Umstände schon eine unglaubliche
Leistung von den Leuten im Kontrollzentrum und den Astronauten selbst
war.
Die wahre Geschichte
Als Anfang der neunziger Jahre der ehemalige Apollo 13 -Kommandant
Jim Lovell ankündigte, seiner Erlebnisse in einem Buch aufzuarbeiten,
rissen sich die Filmstudios um die Rechte. 1994 erschien dann The
Lost Moon - The Perilous Voyage of Apollo 13, die bisher beste Dokumentation
der Ereignisse des verhängnisvollen Apollo-Flugs, geschrieben von Jim
Lovell und Journalist Jeffrey Kluger. Die Filmrechte waren schon längst
vergeben, als das Buch in den Handel kam - das Rennen hatten Produzent
Brian Grazer und Regisseur Ron Howard mit ihrer 1986 gegründeten Produktionsfirma
Imagine Entertainment gemacht.
Die Filmemacher hatten die Veröffentlichung von Jim Lovells Buch mit Spannung
erwartet und waren überglücklich die Filmrechte für ihr Traumprojekt bekommen
zu haben. Aber es gelang dem Regisseur-Produzenten-Team schon während
den alllerersten Vorbereitungen noch viel mehr zu bekommen: mit der Versicherung
keine actiongeladenes Fantasie-Produkt machen zu wollen und sich eng an
die Fakten zu halten, sagten nicht nur Jim Lovell, sondern auch die NASA
ihre Zusammenarbeit zu. Damit hatten Ron Howard und Brian Grazer die besten
Vorraussetzungen für eine origiinalgetreue Verfilmung der Geschichte von
Apollo 13 geschaffen.
Die Umsetzung
Das Drehbuch wurde von William Broyles und Al Reinert eng nach der Buchvorlage
adaptiert. Es mußten zwar eine Menge Kürzungen und einige inhaltliche
Änderungen gemacht werden, um die Geschichte in einem Format von etwa
zwei Stunden unterbringen zu können. Alle Änderungen wurden jedoch in
Einverständnis und in Zusammenarbeit mit Jim Lovell gemacht, der gerne
bereit war den Autoren genügend erzählerischen Freiraum zu geben, aber
dennoch darauf achtete, daß die Authenzität seiner Vorlage intakt blieb.
Viele Dialoge wurden zudem von den Original-Funkmitschnitten der Apollo
13-Mission übernommen.
Das Ergebnis war ein Drehbuch, daß es hervorragend schaffte, die Quintessenz
der Apollo 13 -Mission zusammenzufassen ohne den Eindruck zu
erwecken Ereignisse einfach weggelassen zu haben. Überdurchschnittlich
viele Dialoge und eine Handlung, die sich auf das Wesentliche beschränkt
sind für einen modernn Kinofilm schon sehr erstaunlich, erwiesen sich
hier aber als die genau richtige Kombination.
Die richtigen Gesichter
Jim Lovell meinte gegenüber Ron Howard und Brian Grazer schon ganz zu
Anfang, daß er früher eine frappierende Ähnlichkeit zu Kevin Costner hatte
- was nicht ganz von der Hand zu weisen war. Kevin Costner hatte jedoch
nicht allzuviel Interesse an Apollo 13, aber es fand sich schnell
eine Alternative: Tom Hanks outete sich als "Closet Astronaut", der schon
seit seiner Kindheit Raumfahrt-besessen war und begeistert von der Idee
war, Jim Lovell zu spielen. Hanks war aber nicht einfach nur eine Verlegenheitslösung,
sondern eine perfekte Alternative, denn 1994 hatte er als Forrest Gump
einen riesige Kinohit gelandet und sich zuvor in Philadelphia auch als
ernsthafter Schauspieler etabliert.
Die Rollen von Jack Swigert und Fred Haise gingen an Kevin Bacon und Bill
Paxton. Die beiden Schauspieler waren zwar keinen so großen Superstars
wie Tom Hanks, aber erwiesen sich umso mehr geeignet für ihre Charaktere
und wurden von Ron Howard und Brian Grazer persönlich ausgesucht. Ursprünglich
war sogar vorgesehen alle drei Hauptrollen mit völlig unbekannten Schauspielern
zu besetzen, was aber für die Publicity des Films gar nicht gut gewesen
wäre.
Weitere Nebenrollen wurden ebenso sogfältig ausgesucht. Ed Harris, der
schon 1981 in Philip Kaufmans The Right Stuff über die Mercury-Missionen
den Astronauten John Glenn gespielt hatte, wurde hier zum Flugleiter befördert
und bekam die Rolle von Gene Kranz. Gary Sinise, der zuvor zusammen mit
Tom Hanks in Forrest Gump zu sehen war, spielt Ken Mattingly, den durch
Masern am Boden gehaltenen Teamkollegen von Jim Lovell und Fred Haise.
Kathleen Quinlan, eine gute Bekannte von Ron Howard aus früheren Schauspielertagen,
spielte Marilyn Lovell.
Die Ähnlichkeiten der Schauspieler mit den realen Personen waren den Filmemachern
nur in zweiter Linie wichtig, die Personen sollten nicht hundertprozenti
imitiert werden, sonder nur annähernd dargestellt werden. Der richtige
Tonfall, bestimmte Angewohnheiten und andere Details reichten für die
Schuaspieler schon aus um ihre Charaktere nicht zu einem Spiegelbild,
sondern einer ganz eigenen Interpretation der realen Person zu machen.
Echte Schwerelosigkeit Bevor die Dreharbeiten begannen, stellten die Filmemacher
ihre Hauptdarsteller aber auf eine harte Probe: um sie wenigstens einmal
dem Gefühl der Schwerelosigkeit auszusetzen, sollte ein Flug mit der KC-135
(eine umgebaute Boeing 707) der NASA gemacht werden, einem Flugzeug daß
mit einem Parabol-Flug eine kurze Schwerelosigkeit von etwa 25 Sekunden
ermöglicht. Ron Howard zwang seine Schauspieler zwar nicht zu diesem Flug,
aber trotzdem zeigten alle den guten Willen und machten diese einmalige
Gelegenheit mit.
Bei einem einmaligen Flug mit der KC-135 blieb es dann doch nicht, weil
Steven Spielberg, ein guter Bekannter von den beiden Filmemachern sie
auf die Idee brachte die Szenen mit Schwerelosigkeit gleich im Parabol-Flugzeug
zu filmen, statt sie mühevoll im Studio zu simulieren. Die größte Frage
war nicht, ob es möglich wäre einen Teil des Sets im Flugzeug nachzubauen,
sondern ob die NASA überhaupt mitspielen würde, denn zu dieser Zeit gab
es noch keine privaten Anbieter solcher Parabol-Flüge.
Erstaunlicherweise sagte die NASA zu und reservierte die KC-135 über einen
Zeitraum von einem halben Jahr für die Produktion von Apollo 13.
Fast sechshundert Mal wurden kurze Takes in Schwerelosigkeit gedreht,
die später nahtlos mit den im Studio entstandenen Aufnahmen kombiniert
wurden. Die Crew der KC-135 war von der Ausdauer der Filmemacher und Schauspieler
begeistert - sie wurden anfänglich von den Profis für ein paar Hollywood-Warmduscher
gehalten, aber nachdem sie länger als viele andere in dem auch als "Vomit
Comet" bekannten Flugzeug aushielten, bekamen sie von den NASA-Leuten
doch gebührenden Respekt.
Kulissen und Effekte
Die zwei Hauptkulissen, das Raumschiff und das Houstoner Kontrollzentrum,
wurden so detailgenau nachgebaut, daß sogar die täglich bei den Dreharbeiten
anwesenden technischen Berater der NASA absolut verblüfft waren und fast
keinen Unterschied mehr zum Original feststellen konnten. Die Berater,
darunter viele Mitarbeiter aus dem Kontrollzentrum und einige Apollo-Astronauten,
wurden hauptsächlich eingeladen um auf die technische Genauigkeit des
Films zu achten – wenn die Schauspieler Knöpfe drücken und Schalter umlegen
mußten, sollten es exakt die richtigen sein.
Natürlich kam Apollo 13 auch nicht ohne Special-Effects aus,
denn die Illusion sollte ja so perfekt wie möglich sein. Für den Start
der Saturn V-Rakete und einige andere Einstellungen im Weltraum sollte
zuerst Material aus den NASA-Archiven verwendet werden, was sich aber
letztendlich als qualitativ zu schlecht für die große Kinoleinwand erwies.
Stattdessen wurden die Startsequenz und viele andere Szenen komplett neu
gedreht - oft noch mit traditioneller Modelltechnik, aber für viele Sequenzen
wurden auch mit Computertechnik erstellt. Genauso wie die aufwendigen
Kulissen wirkten diese Szenen so echt, daß sich sogar gestandene Astronauten
von ihnen täuschen ließen.
Eine besondere Geschichte
Trotz der aufwendigen Effekte liegt bei Apollo 13 der Schwerpunkt
deutlich auf dem Plot und den Schauspielern. Im Grunde genommen ist Apollo
13 fast ein Theaterstück, dessen Handlung größtenteils durch Dialoge
angetrieben wird. Der Film nimmt sich ausführlich Zeit um die Vorgeschichte
zu erzählen, aber sobald die drei Astronauten unterwegs sind, spielt sich
die Handlung fast nur noch auf dem Raumschiff, in Houston und in der Lovellschen
Wohnung ab. Ron Howard versteht es, die drei eng ineinader verzahnten
Handlungsstränge zusammenzubringen und schaltet die Gänge perfekt, so
daß kaum Langeweile für den Zuschauer aufkommt auch wenn man weiß wie
die Story letztendlich ausgeht.
Für den europäischen Geschmack ist allerdings der Druck auf die Tränendrüse
stellenweise etwas extrem, dafür verzichtet der Film aber auch auf übermäßigen
Patriotismus und Heldenverehrung. Die drei Astronauten werden in Apollo
13 nicht als typische amerikanische Helden dargestellt, sondern
nur als ganz normale Menschen, die sich in einer lebensbedrohlichen Situation
zu helfen wissen mußten. Auch die Leute im Kontrollzentrum sind hier keine
Übermenschen, sondern schwer arbeitende Wissenschaftler, die mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Astronauten retten wollten.
Eine Weltraumoper?
Die musikalische Untermalung konnte eigentlich nur einer der drei großen
"Weltraum"-Komponisten Jerry Goldsmith, John Williams und James Horner
liefern. Die Filmemacher entschieden sich für letzteren - Horner hatte
in den achtziger Jahren die grandiosen Soundtracks von Star Trek II und
III komponiert, setzte aber für Apollo 13 weniger auf Bombastisches,
sondern auf sanfte Sphärenklänge mit einem deutlich patriotisch-militärischen
Unterton. Apollo 13 ist allerdings weitaus weniger musiklastig
als andere Filme des Genres, und vielleicht hätte der Film auch ganz ohne
Musik sehr gut funktioniert.
Geschmackssache ist die Verwendung von Annie Lennox als Sängerin, die
die Melodie gelegentlich auf tragisch-dramatische Weise mitsäuselt, was
sich zum Glück hauptsächlich auf den Abspann beschränkt. Mit den einfachen
und zu oft wiederholten Melodiethemen, die vor allem durch den übermäßigen
Trompeteneinsatz negativ auffallen, ist James Horners Apollo 13 -Score
nicht die besondere Filmmusik, die der Film eigentlich verdient hätte.
John Williams, Jerry Goldsmith oder sogar Alan Silvestri hätten sicher
vielleicht eine viel abwechslungsreichere und nicht so furchtbar amerikanisch
klingende Filmmusik komponieren und Apollo 13 zu einer Weltraumoper
der klassischen Art machen können
Apollo 13 und danach
Apollo 13 ist eine hervorragend gelungene Mischung aus Spielfilm
und Dokumentation, für die eigentlich nur das Prädikat Dokudrama in Frage
kommt. Die Filmemacher und Schauspieler haben sich grosse Mühe gegeben
den Film so authentisch wie möglich zu machen, was ohne die Unterstuetzung
der NASA und den Astronauten kaum möglich gewesen wäre. Ron Howard, Brian
Grazer und auch Tom Hanks haben sich mit Apollo 13 einen riesigen
Traum erfüllt - bis in den Weltraum hatten sie es zwar nicht geschafft,
aber die Dreharbeiten des Films müssen dem schon sehr nahe gekommen sein.
Obwohl Apollo 13 sicher kein durchschnittliches Popcorn-Kino
ist und einen relativ hohen Anspruch hat, wurde der Film zu einem ganz
beachtlichen Erfolg und schaffte es, das Interesse an der Raumfahrt-Vergangenheit
der NASA wieder von neuem zu erwecken. The Right Stuff gelang dies in
den achtziger Jahren nicht so recht, aber Apollo 13 konnte das
Kinopublikum voll und ganz überzeugen. Der Film wurde für insgesamt neun
Academy Awards nominiert, gewann aber nur in zwei technischen Kategorien
- dafür gewann Apollo 13 aber auch viele andere Preise und wurde
von den Kritikern mit Lob überschüttet.
Nachdem Ron Howard, Brian Grazer und Tom Hanks Kinogeschichte geschrieben
hatten, gingen sie 1998 mit der für den US-Kabelsender HBO produzierte
Miniserie From the Earth to the Moon auch die Mattscheibe erobern, in
der in zwölf einstündigen Episoden die gesamte Geschichte des Apollo-Programms
erzählt wurde. Viele aus dem Apollo 13 -Filmteam arbeiteten auch
an der Serie mit, und auch einige der Nebendarsteller, hauptsächlich aus
dem Kommandozentrum, waren auch dort wieder zu sehen.
Apollo 13 goes IMAX
Im Herbst 2002 erlebte Apollo 13 sieben Jahre nach dem ersten
Kinostart noch ein kleines Revival, als eine speziell restaurierte Version
auf den riesigen Leinwänden der IMAX-Kinos zu sehen war. Weil das 70mm-Format
der IMAX-Kinos nur eine Laufzeit von knapp zwei Stunden hat, entschloß
sich Regisseur Ron Howard eine um 24 Minuten gestraffte Version zu erstellen.
Der IMAX-Cut von Apollo 13 ist nicht einfach nur eine willkürlich
geschnittene Version, sondern ein gut durchdachter "Director's Cut", der
die Handlung strafft und einige etwas kitschigere Momente wegläßt. Außerdem
wurde das Bildformat für die höhere IMAX-Leinwand nicht seitlich beschnitten,
sondern vertikal geöffnet, weil es das Super35-Filmformat ohne Bildverlust
möglich machte. Dadurch ist die IMAX-Version sowohl inhaltlich als auch
optisch eine völlig anderer Film als die ursprüngliche Kinofassung und
soll sie nicht ersetzen, sondern nur eine Alternative sein.
Genauso wie From the Earth to the Moon und The Right Stuff gehört Apollo
13 zum Pflichtprogramm für Weltraum-Begeisterte und auch einfach
nur für Filmfans, die eine unterhaltsame und packende Inszenierung zu
schätzen wissen.
Die DVD
Im September 1999 wurde Apollo 13 erstmals in Deutschland als DVD
veröffentlicht - bei dieser frühen DVD war besonders die Bildqualität
enttäuschend, und zusammen mit der Tatsache daß die deutsche
Tonspur nur in Dolby Surround vorlag und bis auf die Kommentarspuren die
Extras der amerikanischen DVD einsparte lohnt sich diese Erstauflage, die
teilweise auch heute noch im Handel erhältlich ist, absolut nicht und
hatte schon damals die Bezeichnung Collector's Edition wirklich
nicht verdient.
Diese DVD wurde inzwischen von einem im April 2005 in Deutschland erschienenen
2-Disc-Set abgelöst, das der ebenfalls zum gleichen Zeitpunkt neu veröffentlichten
amerikanischen Anniversary Edition entspricht -allerdings wurde die IMAX-Version
bei der neuen deutschen DVD weggelassen.
Weitere Reviews: Apollo 13 Anniversary Edition
RC1
|
|