Kiss me, Stupid
Cover

23.07.2004 #277

Titel Kiss me, Stupid
Studio Mirisch Corporation / United Artists (1964)
Hersteller MGM Home Entertainment (2003)
DVD-Typ 9 (5,83 GB) Bitrate ø 6,5 max. 8,0
Laufzeit 126 Minuten Kapitel 20
Regionalcode 1 (USA/Kanada) Case Deja I
Fernsehnorm NTSC Mastering WAMO
Bildformat 2.30:1 16:9 yes
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 192 kbit/s Englisch, Französisch
Untertitel Englisch, Französisch, Spanisch
Freigabe Freigabe
Extras • Trailer
• Alternate Scene

Allgemeines

Orville Spooner (Ray Walston) und Barney Milsap (Cliff Osmond) möchten gerne Songschreiber sein, sind aber eigentlich Klavierlehrer und Automechaniker im verschlafenen Städtchen Climax. Als der Sänger Dino (Dean Martin) mit seinem Auto dort liegenbleibt, sehen sie ihre große Chance, ihre Songs endlich verkaufen zu können, kommen. Um Dino festzuhalten wird aus einer kleinen Reparatur eine große gemacht und der Sänger im Spooner-Haushalt untergebracht. Das paßt dem manisch-eifersüchtigen Orville aber gar nicht, denn er ist mit Zelda (Felicia Farr), der schönsten Frau der Stadt verheiratet und sieht schnell rot. Barney, ganz der Geschäftsmann, hat aber einen Plan: Orville soll einen Streit mit Zelda vor den Zaun brechen, um sie temporär aus dem Haus zu kriegen und sie gegen eine Bordsteinschwalbe namens Polly the Pistol (Kim Novak) zu ersetzen...

Obwohl Kiss Me, Stupid heutzutage harmlos wirkt, war die Geschichte für 1964 geradezu skandalös. Billy Wilder zieht so gut wie alle Register von Unanständigkeiten, die man sich vorstellen konnte - wie das am Produktionsbüro von United Artists vorbeigehen konnte, bleibt bis heute ein Rätsel. Als der Film fertig war, schlüpfte er so gerade unter dem Radar der Zensur hindurch, wurde aber von der katholischen Kirche verteufelt und United Artists brachte ihn nur als relativ kleine Release unter dem Lopert-Decknamen heraus.

Dean Martin gibt in Kiss me, Stupid eine seiner besten Vorstellungen seiner Karriere - und dabei spielt er im Prinzip nur das, was er 1964 selbst war. Er singt, er trinkt und er braucht jede Nacht Action Action, um am nächsten Morgen keine Kopfschmerzen zu bekommen. Es gehört schon einiges an Mut dazu, sich selbst so schonungslos zu parodieren - ob das absichtlich passierte, ist allerdings nie richtig klar geworden.

Ray Walston als manisch-eifersüchtiger Klavierlehrer Orville J. Spooner war nicht Billy Wilders erste Besetzung, denn ursprünglich war es Peter Sellers' Rolle, der aber durch einen plötzlichen Herzinfarkt ausfiel. Walston, der Last-Minute-Ersatz, wurde anfänglich von den Kritikern in Grund und Boden gestampft, ist aber bei näherer Betrachtung die bessere Wahl - die Intensität, mit der Ray Walston spielt, hätte Peter Sellers nur mit Klamauk erreichen können, der in diesem Film nicht gepaßt hätte. Cliff Osmond hat dagegen in diesem Film seine erste größere Kinorolle und ist noch in einigen späteren Filmen von Billy Wilder zu sehen. Er spielt Orvilles Freund und Komponisten-Partner Barney und tut das, was Orville am liebsten auch tun würde, wenn er nicht verheiratet wäre: den Frauen nachjagen. Als Experte in solchen Dingen ist es auch sein Job Orvilles Ersatzfrau zu engagieren.

Die Besetzung der weiblichen Hauptrolle ist schon fast eine Legende: Kim Novak, die in Hitchcocks Vertigo und in der Doris-Day-ähnlichen Komödie Boy's Night out recht brave und harmlose Rollen spielte, läßt als Bordsteinschwalbe Polly die schmutzigsten Männerphantasien durchkommen - soweit das die Zensur der 60er Jahre zuließ. Um die Moralaposten der amerikanischen Filmindustrie auf den Plan zu rufen, mußten nicht einmal die Hüllen fallen, denn hier ist es einfach nur Kim Novaks Charakter der ein Stein des Anstoßes war: eine Prostituierte, deren Lebensstil nicht verdammt wird, hatte es bisher in einem Hollywood-Film noch nicht gegeben. Die andere weibliche Hauptrolle, Orvilles Frau Zelda, wird von Felicia Farr bestritten, deren Mitwirken an Kiss Me, Stupid nicht von ungefähr kommt: die Schauspielerin ist seit 1962 mit Jack Lemmon verheiratet gewesen, einem alten Bekannten von Billy Wilder. Ihre Rolle ist hier nicht besonders groß, aber nicht weniger wichtig oder brisant als die ihrer Kollegin Kim Novak.

Wie in vielen anderen Filmen von Billy Wilder spielt auch die Musik hier eine große Rolle: neben der eigentlichen Filmmusik von Andre Previn werden mehrere bisher unveröffentlichte Songs von George und Ira Gershwin verwendet. Es sind die Songs, die Orville und Barney im Film schreiben und auch selbst zum besten geben - und das anscheinend ohne von anderen Sängern synchronisiert worden zu sein. Man mag das für eine unwichtige Nebensache halten, aber es zeigt daß Billy Wilder kleine Details sehr wichtig waren.

Kiss Me, Stupid ist ein typischer Billy-Wilder-Film, der aber für 1964 sogar für den experimentierfreutigen Regisseur reichlich gewagt war. Ein Jahr zuvor hatte Wilder das Quasi-Musical Irma La Douce gedreht, deren Titelgebende Dame auch vom horizontalen Gewerbe ist - allerdings ist die Geschichte dieses Films immer noch um einiges harmloser und braver als in Kiss Me, Stupid. Dies ist einer der frechsten, zynischsten und hemmungslosesten Filme von Billy Wilder, der den bissigen Humor des Films zwar später wiederverwendete hat, aber nie wieder einen Film solcher Intensität gemacht hat.
Kiss me, Stupid ist einer von mehreren Billy-Wilder-Filmen, die MGM im Sommer 2003 in den USA erstmals als DVD veröffentlicht hat. Diese DVD zeichnet sich durch eine überraschend gute Bildqualität und eine solide Tonspur aus, und hat zwar bis auf eine Ausnahme keine nennenswerten Extras zu bieten, ist aber dennoch nicht zu verachten. Die ein Jahr später erschienene deutsche DVD ist technisch identisch mit der US-Version, besitzt aber leider überhaupt keine Extras.

Bild

Hier war schlimmes zu befürchten, denn MGM hatte es früher schon geschafft die Transfer von zwei schwarzweißen Billy-Wilder-Filmen in den Sand zu setzen: The Apartment und The Fortune Cookie sahen nicht besonders gut aus. Kiss Me, Stupid zeigt aber, daß bei MGM einiger technischen Fortschritt in der Transferabteilung stattgefunden haben muß. Statt einem Quick&Dirty-Transfer mit massigen Beschädigungen bekommt man hier ein überraschend sauberes und fast perfektes Bild geboten.

Die Filmvorlage war auch hier nicht im allerbesten Zustand, denn manchmal kann man noch Reste von großflächigen Beschädigungen erkennen, die jedoch geschickt mit einem Filter entfernt wurden und kaum noch auffallen. Auch die Körnigkeit wurde mit einem Rauschfilter bearbeitet. Durch die starken Filter ist die Bildschärfe etwas eingeschränkt, ist aber den ganzen Film über konstant. Offenbar wurde bei der Restauration die vernünftige Entscheidung getroffen, etwas von der Schärfe dem sauberen Bild zu opfern - etwas, was den oben erwähnten Filme vielleicht auch gut getan hätte. Billy Wilders einfache, aber effiziente Schwarzweiß-Kameraarbeit kommt hier richtig zur Geltung, denn trotz der nicht ganz optimalen Schärfe sind Kontrast und Helligkeit perfekt ausbalanciert worden. Und natürlich ist der Film hier im Originalformat von 2.30:1 zu sehen. Ein schöner Transfer, bei dem man sieht daß sich MGM diesmal richtig Mühe gegeben hat.

Ton

Der Ton dieser DVD erfüllt seinen Zweck, kann aber sein Alter weniger als der Transfer verbergen. Schlechte Dynamik und ein hörbar eingeschränkter Frequenzumfang machen sich hauptsächlich bei der Musik bemerkbar, die aber trotzdem unverzerrt und einigermaßen frisch klingt. Die Stimmen bereiten keinerlei Verständnisprobleme und hören sich nur ab und zu mal etwas dumpf an. Dafür macht der Ton einen ganz realistischen Eindruck, der nie eine Tonstudio-Atmosphäre aufkommen läßt.

Bonusmaterial

Die Extras dieser DVD bestehen nur aus dem etwas angestaubten Kinotrailer - aber das ist noch nicht alles: außerdem gibt es hier noch eine sogenannte Alternative Szene, der allerdings weitere Erklärungen fehlen. Es ist schwierig den Inhalt zu beschreiben ohne wesentliche Teile des Films zu verraten, deshalb sei an dieser Stelle nur gesagt, daß es sich bei der separaten Szene um eine erweiterung einer Szene im Film handelt, die einer Zensur gleichkommt. Die MPAA forderte Billy Wilder auf, diese Änderung zu machen, und erst kurz vor seinem Tod wurde die Urfassung wiederentdeckt und bestätigt, daß Wilder die unzensierte Fassung lieber mochte. So wurde die zensierte Fassung zur "alternativen Szene" degradiert und die ursprüngliche Version zur offiziellen Fassung.
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