Der Film
Freedonia ist bankrott und die Regierung des kleinen Staats bettelt um die finanzielle Unterstützung von Mrs. Teasdale (Margaret Dumont). Die reiche Witwe stellt aber eine Bedingung: sie will Freedonia nur sponsoren, wenn der Präsident seinen Platz einem Kandidaten ihrer Wahl überläßt. Dieser kommt in Gestalt von Rufus T. Firefly (Groucho Marx) daher, der unsinnige Vorschriften erläßt, das Staatsbudget auf den Kopf stellt und letztendlich auch noch einen Krieg mit dem Nachbarland Sylvania anzettelt...
1932 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die Marx Brothers – ihr neuer Film Horse Feathers hatte sich zu einem riesigen Erfolg entwickelt, und bald kündigte Paramount an, so schnell wie möglich die Produktion eines Nachfolgers in Gang zu bringen. Ganz so einfach ging es dann allerdings doch nicht, denn eine studiointerne Reorganisation machte die Marx Brothers mißtrauisch – weil ihr ursprünglicher Vertrag plötzlich heiß diskutiert wurde, fürchteten sie um ihre Gagen geprellt zu werden. Für kurze Zeit drohten die vier Brüder damit, unter der Flagge Marx Bros, Inc. ihre weiteren Filme im Alleingang zu produzieren und trafen schon Ende 1932 schon kräftige Vorbereitungen in dieser Richtung.
Die ersten Anfänge ihres neuen Films bildeten sich im Winter 1932/33, als Groucho und Chico einen Vertrag für eine Radioshow bei NBC unterschrieben. Harpo und Zeppo waren nicht dabei, weil ihr Mitwirken im Radio nur wenig Sinn gehabt hätte, aber die andere Hälfte der Marx Brothers war wie geschaffen, um das letzte noch uneroberte Medium in Angriff zu nehmen. Geschrieben wurde die Show von Nat Perrin und Arthur Sheekman, zwei jungen Autoren, die den Marx Brothers aber schon wohlbekannt waren – sie hatten den Drehbücher ihrer letzten zwei Filme den letzten Schliff gegeben. Für eine Wochengage von damals astronomischen 6500 Dollar standen Groucho und Chico an zwei Tagen in der Woche als Rechtsanwalt Wolf T. Flywheel und sein Assistent Emmanuel Ravelli vor dem Mikrofon.
Gesendet wurde Flywheel, Shyster & Flyweel als Teil des Five Star Theather Programms ab Ende November 1932 aus New York, was für die zwei Marx Brothers und ihre Autoren einen damals noch ziemlich beschwerlichen Weg quer durch Amerika bedeutete, der es angesichts der hohen Gage allerdings wert war. Es gelang Groucho und Chico aber ab Anfang 1933 ungefähr die Hälfte der insgesamt 26 Episoden in Los Angeles zu produzieren, wo extra ein Tonstudio angemietet werden mußte, da NBC noch keine Radiostudios an der Westküste besaß. Die Show wurde immer live gesendet und über die große Radiokette von NBC in vielen Bundesstaaten ausgestrahlt.
Obwohl die meisten Radioshows zumindest in Auszügen damals schon aufgezeichnet wurden, wurde dies mit Flywheel, Shyster & Flywheel aus unbekannten Gründen leider nicht gemacht, so daß heute nur noch die Scripts übriggeblieben sind. Die in sich abgeschlossenen Geschichten der einzelnen Episoden drehten sich hauptsächlich um deftigere Themen wie Diebstahl, Einbruch oder Ehebruch und waren teilweise aus Versatzstücken von früherem Marx Brothers-Material entnommen worden - zum Beispiel stammt der Name Emmanuel Ravelli aus ihrem zweiten Film Animal Crackers und auch bei ihren anderen drei Filmen wurde einiges ausgeliehen.
Als im Mai 1933 die letzte Episode von Flywheel, Shyster & Flywheel gesendet wurde und die Show wegen schlechten Einschaltquoten nach einer Pause abgesetzt wurde, kehrten die Marx Brothers nach Los Angeles zurück um weiter an ihrem neuen Film zu arbeiten, dessen Vorbereitungen schon im vollen Gang waren. Als Drehbuchautoren hatten die Marx Brothers schon vor Monaten ihre alten Freunde Harry Ruby und Bert Kalmar ausgesucht. Im Mai erschütterte die vier Brüder aber auch ein trauriges Ereignis – ihr geliebter Vater Sam "Frenchie" Marx starb in Los Angeles.
Der Titel ihres neuen Films machte genauso wie das Drehbuch mehrfache Verwandlungen durch: von Firecrackers über Cracked Ice und Grasshoppers (eine Entscheidung von Paramount mit der Begründung, daß Tiere im Kino sehr populär wären) bis zum finalen Duck Soup – alles völlige Nonsens-Titel, die mit dem Plot des Films überhaupt nichts zu tun hatten. Am Drehbuch arbeiteten nun außer Harry Ruby und Bert Kalmar auch Nat Perrin und Arthur Shenkman mit, die nicht weniger als fünfzehn Routinen aus der Flywheel-Radio in Duck Soup einbauten und damit einige der besten Gags des Films lieferten.
Als Regisseure waren Norman McLeod, der die vorherigen zwei Marx-Filme gedreht hatte und sogar Ernst Lubitsch im Gespräch. Nachdem sich die Marx Brothers aber doch noch mit Paramount einigen konnten, fand sich schließlich mit Leo McCarey ein Experte, der für sie prädesteniert war: er hatte schon für Hal Roach mit Stan Laurel und Oliver Hardy gearbeitet und wußte mit den Brüdern noch besser umzugehen als sein zweimaliger Vorgänger McLeod.
Mit einem einigermaßen fertigen Drehbuch begannen die aufwendigen Dreharbeiten im Sommer 1933, die oft unangenehm von einer ganz realen politischen Entwicklung unterbrochen wurden: manchmal brachte jemand ein Radio mit ins Studio, aus dem sie die kreischenden Reden von Adolf Hitler hörten. Angesichts des höchst politischen Inhalts ihres Drehbuchs kamen den Marx Brothers schnell Zweifel, ob ihr Film in so schwierigen Zeiten Erfolg haben könnte - aber sie fuhren wie geplant mit den Dreharbeiten fort.
Die Geschichte von Duck Soup war eine zynische politische Satire, die auch durch den sorgfältig integrierten marx'schen Humor nicht entschärft oder abgemildert wurde. Die Marx Brothers machen ihre Standpunkte klar deutlich und lassen keinen Zweifel daran, daß sie tief überzeugte Pazifisten sind. Duck Soup faßt sehr treffend zusammen, wie schnell aus einer Demokratie eine Diktatur und ein Krieg entstehen können.
Groucho spielt den amoklaufenden Präsidenten Rufus T. Firefly in seiner üblichen Weise, aber mit einer Intensität, die in früheren Filmen nur ansatzweise zu sehen war. Firefly beleidigt, beschimpft und schikaniert seine Untertanen und Widersacher am laufenden Band, löst im Handumdrehen einen Krieg aus und gibt sich dabei als völliger Unschuldsengel ohne Gewissen - und genauso wie sein falscher Schnurrbart ist seine Person eine einzige große Lüge. Es ist Grouchos brilliantester und frechster Charakter, gegen den die meisten seiner anderen Rollen vergleichsweise harmlos wirken.
Chico und Harpo tun als Möchtegern-Spione Chicolini und Pinky das, was sie am besten können: Verwirrung stiften, was das Zeug hält. Als Spione taugen sie nicht viel, aber ihre Beschäftigungen geben ihnen jede Menge Gelegenheit den marx'schen Humor anzuwenden. Wortspiele, Harpos Pantomine oder detailliert durchchoreographierter Slapstick, der Charlie Chaplin blaß aussehen lassen würde, gehören zum enormen Repertoire von Chico und Harpo, das sie in Duck Soup ausführlich zur Schau stellen.
Harpo hat immer noch Tendenzen Frauen nachzujagen, sein Bein anderen Leuten in die Hand zu hängen (die Bedeutung dieser Geste hatte Psychologen viel Diskussionsstoff geliefert) und Dinge entweder kaputtzumachen, aufzuessen oder einzustecken, während Chicos linkischer italienischer Akzent noch dicker geworden zu sein scheint - und damit auch seine Masche, sich mit Unverständnis aus der Affaire zu ziehen.
Zeppo hingegen hinterläßt als loyaler Sekretär von Rufus T. Firefly keinen bleibenden Eindruck, weil seine Rolle so gradlinig ist, daß sie auch von einem anderen Schauspieler hätte übernommen werden können. Wahrscheinlich war es letztendlich dieser Film, der Zeppo dazu gebracht hat seine aktive Schauspielerkarriere an den Nagel zu hängen und nach diesem Film nur noch hinter den Kulissen tätig zu sein.
Die Marx Brothers hatten sich schon längst schleichend auf Groucho, Chico und Harpo reduziert, Zeppo wurde immer mehr zu einem eigenlich vierten Rad am Wagen - was Zeppo als erster immer zugegeben hatte, aber bis dahin immer noch von seinen Brüdern zum weitermachen überzeugt wurde. Schließlich hatten sie ihren Vertrag bei Paramount als The Four Marx Brothers unterschrieben.
Daß Duck Soup zum größten Teil von Bert Kalamar und Harry Ruby verfaßt wurde, merkt man hauptsächlich an den Musiknummern. Diese wurden von den beiden Songschreibern und Musicalautoren jedoch so fest in die Handlung integriert, daß sie nicht wie Fremdkörper wirken. Dialoge und Gesang gehen oft fließend ineinander über, wodurch ein deutlicher Operettenstil entsteht, der aber viel zusammenhängender wirkt als bei den frühen Filmen der Marx Brothers - hier wird die Handlung nicht von den Songs gestoppt, sondern von ihnen vorangetrieben. Die Musiknummern des Films bestehen allerdings nur aus den Songs, denn auf eins der wichtigsten Markenzeichen der Marx Brothers, den Klavier- und Harfennummern von Chico und Harpo, wurde in Duck Soup verzichtet, um den Fluß der Handung nicht zu beeinträchtigen.
Bessere Sketche von den Marx Brothers als in Duck Soup hat es nie gegeben – viele der Routinen sind schlicht umwerfend und originell, wenn auch teilweise nicht ganz neu. Der Spiegelgag ist feinstes Stummflm-Material und wurde bereits von Charlie Chaplin verwendet, aber von den Marx Brothers auf eine geniale Weise verfeinert, die auf der Ähnlichkeit von Groucho, Chico und Harpo beruht. Andere Szenen wie die Einbruchssequenz oder der Erdnußstand sind echte Klassiker geworden, auf die in späteren Filmen der Marx Brothers gerne wieder zurückgegriffen wurde.
Gerne wurde den Marx Brothers vorgeworfen, daß sie in Duck Soup Krieg verharmlosen würden, weil sie ihn lächerlich machen. Aber genau das ist die Botschaft des Films: Krieg in allen Formen ist purer Wahnsinn. In der Aufwendig gedrehten Schlacht am Ende des Films gibt Groucho eine unterschwellige Lektion in amerikanischer Geschichte, indem er zwischen den Schnitten fünfmal in einer neuen Uniform aus verschiedenen Zeiten auftaucht. Das ist weder Kriegsverherrlichung noch Verunglimpfung, sondern lediglich eine Erinnerung wie oft in den USA schon Krieg geführt wurde.
Das Publikum von 1933 war von den politsatirischen Anwandlungen der Marx Brothers nicht sehr begeistert. Als der Film im November des Jahres in die Kinos kam, waren die Einspielergebnisse zwar nicht so katastrophal schlecht, wie meist behauptet wird, aber gemessen an den vorherigen Erfolgen der Marx Brothers wurde Duck Soup doch als Flop eingestuft. Für Paramount war der Fall klar - die Brüder waren zu einem untragbaren Risiko geworden und ihr Vertrag wurde nicht mehr erneuert.
Weniger als ein Jahr nach dem Duck Soup-Desaster gelang es den Marx Brothers aber, einen Vertrag bei MGM einzufädeln, der ihrer Filmkarriere neuen Auftrieb gab. Ab 1935 waren sie wieder auf der Kinoleinwand zu sehen und drehten bis zum Ende der vierziger Jahre noch sechs weitere Filme, bis sie in den gemeinsamen, wohlverdienten Ruhestand traten und nur noch einzeln an diversen Projekten mitarbeiteten.
Duck Soup war seiner Zeit weit voraus und scheiterte hauptsächlich an der damaligen weltpolitschen und wirtschaftlichen Lage - die große Depression befand sich auf ihrem Höhepunkt und auch Diktaturen waren etwas, worüber man keine Witze machte. Nach dem zweiten Weltkrieg und der erneuten Popularität der Marx Brothers wurde Duck Soup aber schnell rehabilitiert und wird heute mit gutem Recht als das größte Meisterwerk der Marx Brothers bezeichnet.
Die DVD
Es ist sehr schade, daß Universal Duck Soup in der Marx Brothers Silver Screen Collection ohne weiteres Bonusmaterial veröffentlicht hat, denn gerade dies ist ein Film der eigentlich ausführliche Extras verdient hätte - und vielleicht auch noch eine sorgfältige Restauration. Aber auch ohne die sind Bild- und Tonqualität dieses Klassikers auf dieser DVD noch einigermaßen akzeptabel.
|
|