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4.11.2012 #551de

von Guido Bibra

Titel Jour de Fête
Studio Cady Films (1947-1949)
Hersteller BFI (2012) EAN 5-034673-010488
DVD-Typ 9 (7,95 GB) Bitrate ø 5,50 max. 9,9
Laufzeit 76:43 & 78:38 Minuten Kapitel 10
Regionalcode 2 (England) Case Amaray I
Fernsehnorm PAL
Bildformat 1.33:1 16:9 neon
Tonspuren Dolby Digital 2.0 Mono 320 kbit/s Französisch
Untertitel Englisch
Freigabe BBFC U
Extras • Alternative 1964 version
• Original Trailer
Soigne ton gauche (1936), L'ecole des facteurs (1947) and Cours du Soir (1967)
• Full illustrated booklet with film notes and credits

Der Film

Einmal im Jahr geht es im verschlafenen französischen Dörfchen Saint-Severe hoch her, wenn die Kirmes in den Ort kommt und für viel Aufregung sorgt. Während sich die Dorfbewohner auf der Feier vergnügen, sieht Briefträger Francois bei einem Schausteller einen Film über die modernen Methoden der amerikanischen Post und nimmt sich vor, in Zukunft mit Hilfe seines Fahrrads die Briefe genauso schnell wie seine motorisierten Kollegen aus den Staaten auszutragen...

 


Es gibt nur wenige Schauspieler und Regisseure, die die Filmwelt so nachhaltig beeinflussen und verändern konnten, wie Jacques Tati, der sich im Olymp der Komiker einen festen Platz direkt neben Charles Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd verdient hatte. Dabei war Tati längst nicht so eifrig wie manche andere Filmemacher - er drehte insgesamt nur fünf abendfüllende Produktionen und eine handvoll Kurzfilme, die aber ausgereicht haben um ihn unsterblich zu machen.

Ein Komiker wird geboren

Begonnen hatte alles im Frankreich der dreißiger Jahre. Jacques Tatischeff wurde am 9. Oktober 1909 als Sohn von Eltern russisch-holländisch-itallenischer Abstammung geboren und genoß eine Kindheit im relativen Wohlstand mit guter Schulbildung. Seinen ersten Job hatte er in der Firma seines Vaters, der Kunsrestaurator und Bilderrahmen-Hersteller war, aber als Jugendlicher interessierte sich Tati auch sehr viel für Sport. Tennis, Rugby und Boxen waren einige seiner Leidenschaft, denen er ausführlich nachging und dabei mehr durch Zufall sein komödiantisches Talent entdeckte. Freunde, die ihn bei seinen urkomischen Sport-Pantomimen beobachteten, machten ihm den Vorschlag, seine Darbietungen auf die Bühne zu verlagern.

1933 trat Tati erstmals in einer professionellen Bühnenproduktion auf und war von da an auf vielen Varieté-Bühnen, Kabaretts und Theatern in und rund um Paris zuhause und auch oft auf Tournee in ganz Frankreich und Italien. Parallel zu seinen großen Erfolgen auf der Bühne begann ihn langsam auch das noch relativ neue Medium Film zu interessieren - schon 1934 trat er mit seinen gymnastischen Talenten im Kurzfilm On Demande un Brute auf, ein Jahr später folgte Gai Dimanche und schließlich 1936 die kurze Boxer-Parodie Soigne ton Gauche, die er zusammen mit seinem Freund René Clement inszeniert hatte.

Krieg und Frieden

Der zweite Weltkrieg machte Jacques Tati einen Strich durch seine Karriere, als er gerade in Italien auf einer Tournee war - er wurde in die Armee eingezogen, aber es gelang ihm, den Krieg trotzdem unbeschadet zu überstehen. Mit dem Beginn der deutschen Besetzung Frankreichs floh er zusammen mit einem Bekannten, dem Drehbuchautor Henri Marquet, in die unbesetzte Zone, um dem möglichen Arbeitsdienst in Deutschland zu entgehen. Dort versteckten sie sich auf einer Farm in der Nähe des kleinen Dorfs Sainte-Severe-sur-Indre, das sie in dieser Zeit sehr gut kennenlerntern und deren Bewohner ihnen schnell ans Herz wuchsen.

Nach dem Ende des Kriegs konzentrierte sich Tati ausschließlich auf seine Filmkarriere und trat zuerst in kleinen Rollen in Sylvie et le Fantôme und Le Diable au Corps des Regisseurs Claude Autant-Lara auf, aber eigentlich hatten es ihm die Kunst der Slapstick-Komödie viel mehr angetan. Fred Orain, der bereits 1936 Soigne ton Gauche, Tatis ersten großen Filmauftritt, produziert hatte, war von seinen Künsten so begeistert, daß er ihm unbedingt eine Zukunft auf der großen Leinwand ermöglichen wollte. Zusammen mit Tati gründete er die Produktionsfirma Cady Films, die in den nächsten Jahren zur Heimat der beiden Filmemacher wurde.

Dorfgeschichten

Als Jacques Tati und Henri Marquet das Ende des Kriegs in Sainte-Severe-sur-Indre abwarteten, sammelten sie eine Menge Ideen für zukünftige Filmprojekte. Insbesondere das ländliche, von der modernen Zivilisation fast unberührte Dorfleben hatte es den zukünftigen Filmemachern angetan, und sie beschlossen den kleinen Ort irgendwann einmal in einem Film zu verewigen. Eine weitere Inspiration brachte Tatis vorheriger Kurzfilm Soigne ton Gauche, der mit dem Eindruck eines rasenden fahrradfahrenden Briefträgers beginnt - ein Charakter, den Tati damals noch nicht selbst gespielt hatte, aber sich nun zu eigen machte um ihm einen eigenen Kurzfilm zu widmen.

Tati und Marquet verbanden ihre beiden Ideen und kehrten 1946 nach Sainte-Severe mit einem Kamerateam zurück, um dort ihren ersten Kurzfilm nach dem zweiten Weltkrieg zu drehen. L'Ecole des Facteurs hieß der kleine Film, der auf liebevolle und witzige Art den Kampf kleinen Dorfbriefträger gegen die Modernisierung parodiert - genau das richtige Material für den akrobatischen Jacques Tati, der seine Fähigkeiten ausführlich zum Einsatz bringen konnte. Der Film wurde mit relativ hohem Aufwand und einigen filmtechnischen Tricks gedreht, aber auch die malerische Kulisse von Saint-Severe wurde nicht vernachlässigt. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde aber deutlich, daß L'Ecole des Facteurs nur der Vorläufer für etwas noch größeres sein würde.

Die Kirmes kommt

Mit einem gelungenen Kurzfilm in der Tasche gelang es Jacques Tati, Henri Marquet und Fred Orain eine bodenständige Finanzierung für ihr nächstes Projekt zu bekommen. L'Ecole des Facteurs hatte sich als großer Erfolg herausgestellt und Jacques Tati wurde als neue Hoffnung für das französische Kino angesehen, das sich seit dem zweiten Weltkrieg in einer schweren Krise befand. Obwohl seine Bühnenkarriere durch den Krieg unterbrochen wurde, hatte dies seinem Ruf nur wenig geschadet, und nach seinem ersten selbst inszenierten Kurzfilm war die Erwartung sehr hoch.

Tatsächlich hatte Jacques Tati L'Ecole des Facteurs als eine Art Test geplant, um Erfahrungen zu sammeln und auszuprobieren, ob die Dreharbeiten vor Ort in Saint-Severe möglich waren. Die Dorfbewohner müssen sich tatsächlich wie auf einer Kirmes gefühlt haben, als Tati mit einem noch größeren Filmteam im Mai 1947 in das kleine Örtchen zurückkehrte, um eine längere, ausführlichere Version seines Kurzfilms zu drehen und eine Idee zu verwirklichen, die er schon einige Jahre zuvor zusammen mit Henri Marquet während ihres Aufenthalts in Saint-Severe erdacht hatte.

Ein Briefträger namens Francois

Natürlich wollte Jacques Tati nicht nur als Regisseur, sondern auch als Schauspieler an seinem neuen Film arbeiten und schlüpfte deshalb wieder in eine Rolle, die er in L'Ecole des Facteurs ausführlich erprobt hatte: die des rasenden Briefträgers, der nun den stolzen Namen Francois erhielt. Ursprünglich war er nur ein kleiner Nebencharakter aus Soigne ton Gauche, dem es Tati so angetan hatte, daß er die Rolle für einen ersten Kurzfilm selbst übernahm und plante, den rasenden Briefträger wieder in seinem neuen Film auftreten zu lassen und ihn sogar zum Markenzeichen der Erzählung zu machen, ohne ihn komplett in den Vordergrund zu stellen.

Francois, der Briefträger wirkt auf den ersten Blick fast wie eine Hommage an Charlie Chaplins kleinen Tramp, hat aber nur oberflächliche Ähnlichkeiten mit ihm und anderen bekannten Slapstick-Figuren. Tatis Vorbilder sind deutlich erkennbar, aber trotzdem hat er aus der Figur etwas völlig individuelles gemacht. Er ist der einzige wirklich aktive Charakter des Films, der für die sonst kaum vorhandene Handlung antreibt, obwohl er erst in der Mitte der Geschichte zum Protagonisten wird. Für die Nebenbesetzung hatte Tati schon in L'Ecole des Facteurs hauptsächlich die Einheimischen von Sainte-Severe angeworben, aber jetzt konnte er sich für die wichtigsten Rollen auch ein paar professionelle Schauspieler wie Guy Decomble and Paul Frankeur leisten, aber gleichzeitig konnte er auch wieder viele der Dorfbewohner überzeugen, in seinem Film mitzuspielen.

Tati, der Beobachter

Eigentlich hat Jour de Fête gar keinen richtigen Plot, eine Eigenschaft die der Film mit praktisch allen späteren Filmen von Tati teilt. Auf eine gemächliche, ruhige Art wird eine lose Rahmenhandlung erzählt, die von vielen kleinen miteinander verbundenen Geschichten durchzogen ist, die die Ankunft der Schausteller, die Vorbereitungen auf die Kirmes und ihre Auswirkungen erzählen. Tati schaut mit seiner Kamera wie durch die Augen eines vorbeikommenden Passanten zu, der gelegentlich auch durch einen Charakter im Film repräsentiert wird: ein altes, buckliges Mütterchen, das in einigen Einstellungen durch die Szenerie läuft und das Geschehen auf eine altkluge, humorvolle Weise kommentiert.

Tatis Humor ist deutlich subtiler als man es von seinen Slapstick-Vorbildern gewöhnt ist. Der Zuschauer bekommt seine Gags nicht unter die Nase gehalten, sondern muß sie oft entdecken und beobachten, um sie richtig zu verstehen - Jour de Fête ist ein Film, bei dem aufmerksames Hingucken unbedingt erforderlich ist. Eine richtige Handlung entwickelt sich erst in der zweiten Hälfte des Films, als der Briefträger Francois von der amerikanischen Konkurrenz angespornt wird und seinen Job schneller und effizienter erledigen will. Dieser Teil von Jour de Fête ist im wesentlichen eine aufwendigere Neuinszenierung von L'Ecole des Facteurs und das, was man schon ein richtiges Action-Finale nennen kann, inszeniert mit vielen filmischen Tricks und Finessen.

Das Farbexperiment

Bevor die Dreharbeite zu Jour de Fête begonnen hatten, bekam Jacques Tati ein verlockendes Angebot: die Firma Thomson machte ihm den Vorschlag den ersten französischen Farbfilm der Filmgeschichte mit ihrem experimentellen Thomsoncolor-Farbverfahren zu drehen. In Amerika und England war Farbfilm 1947 schon seit über zehn Jahren erprobt, aber durch den zweiten Weltkrieg bekam Frankreich davon nur wenig mit und in der Nachkriegszeit war Technicolor-Farbfilm für einheimische Filmemacher kaum bezahlbar und auch nur schwer erreichbar, da sich das einzige Labor, in dem sich Farbfilm-Material entwickeln ließ, in England befand.

Für Jacques Tati war es deshalb eine fazinierende Möglichkeit, ein erschwingliches Farbsystem ausprobieren zu können, aber so ganz traute er der neuen Technik nicht und konnte seinen Produzenten Fred Orain überzeugen, daß die zusätzlichen Kosten für eine parallele Aufnahme in Schwarzweiß keine Geldverschwendung sein würden. So standen bei den Dreharbeiten immer zwei Kameras nebeneinander - die eine mit herkömmlichem Schwarzweißfilm und die andere mit dem experimentellen Thomsoncolor-Film geladen. Tati nahm kleine Unterschiede zwischen den beiden Versionen in Kauf, bevorzugte aber keine und stellte sicher, daß alles auf beidem Filmmaterial gedreht wurde.

Tati gab sich große Mühe die Möglichkeiten des Farbfilms zu nutzen und entwarf eine einfache, aber deutlich sichtbare Farbkomposition, die großen Wert darauf legte den Unterschied zwischen dem normale Dorfleben und dem bunte Kirmesfest deutlich zu machen. Aber genauso wie sein skeptischer Briefträger sollte auch Tati mit seinen Bedenken gegenüber der modernen Technik Recht behalten: noch während den Dreharbeiten stellte sich heraus, daß die Entwicklung des Farbnegativs zwar klappte, aber keine Kopien davon gezogen werden konnten. Tati war enttäuscht, aber auch glücklich daß sein Film dank dem parallel gedrehten Schwarzweiß-Material nicht verloren war.

Klangwelten

Obwohl Jacques Tatis Filme manchmal den großen Stummfilm-Komödien der zwanziger Jahre verglichen werden, hat der Filmemacher schon von Anfang an viel mit Musik, Geräuschen und Stimmen experimentiert und seine Filme immer mit einem ausgeklügelten, komplexen Ton ausgestattet. Jour de Fête ist als Tatis erster Langfilm in dieser Beziehung noch nicht ganz so weit entwickelt, aber dennoch sehr kreativ. Die Musik klingt eher ländlich-traditionell und sehr französisch, wird aber auch von einigen fast schon jazzig klingenden Melodien ergänzt, die die aktiveren Szenen begleiten.

Ansonsten besteht der Ton des Films aber hauptsächlich aus einer faszinierenden Klangkulisse, in der sich die oft kaum verständlichen Stimmen und Geräusche dicht miteinander vermischen und eine einzige Einheit bilden. Dialoge sind zwar relativ oft zu horen, aber nur klar und deutlich zu verstehen, wenn sie auch für die Handlung wirklich wichtig sind - der Rest gehört mit zu einer sehr natürlichen Geräuschkulisse, die perfekt zur beobachtenden Natur des Films paßt und überhaupt nicht aufdringlich wirkt.

Was lange währt...

Als Jacques Tati im November 1947 die Dreharbeiten von Jour de Fête beendet hatte, war die Zukunft des Films ungewiß - das unnütze Farbnegativ war nicht das einzige Problem, denn der Film hatte auch noch keinen Vertrieb gefunden. Erst nach mehreren privaten Vorstellungen und einer Preview in einem Pariser Vorort konnte Jacques Tati einen Filmverleih finden, der Jour de Fête schließlich in die französischen Kinos brachte. Nach der Uraufführung in Paris im Mai 1949 und einer durchweg positiven Resonanz der Kritiker wurde der Film dann im Sommer des Jahres bei den Filmfestspielen in Venedig für den Goldenen Löwen nominiert - eine hohe Ehre, allerdings verlor Tati gegen seinen Landsmann Henri-Georges Clouzot.

Trotz aller Probleme war Jour de Fête aber ein Erfolg auf der ganzen Linie und war Ende 1949 nicht nur in ganz Frankreich bekannt, sondern auch auf den Kinoleinwänden in vielen anderen europäischen Ländern zu sehen - auch in Deutschland, wo der Film im Dezember 1949 unter dem etwas unsinnigen Titel Das Schützenfest anlief. So einen Film hatte das Publikum zuvor noch nie gesehen, und Tatis eigenwilliger Stil wurde zurecht als völlige Neuentdeckung gefeiert. Bevor Tati seinen nächsten Film in Angriff genommen hatte, war sein Ruf als brillianter Filmemacher um die ganze Welt gewandert.

Die drei Leben von Jour de Fête

Tatsächlich war für Jacques Tati der Entstehungsprozeß des Films nach 1949 noch längst nicht beendet. Weil sich immer noch keine Möglichkeit gefunden hatte die Farbversion des Films zu retten, kehrte Tati 1964 noch einmal nach Saint-Severe zurück, um einige zusätzliche Szenen für Jour de Fête zu drehen, in denen ein Maler durchs Dorf wandert und von einigen markanten Einstellungen farbige Zeichnungen anfertigt. Zusätzlich färbte Tati in mühsahmer Handarbeit einzelne Teile des Films ein, um wenigstens ein bißchen von seiner ursprünglich gewünschen Farbkomposition zu erhalten. Außerdem wurden Musik, Geräusche und Dialoge noch einmal ganz neu, aber originalgetreu mit Magnetton-Technik aufgenommen, um die ursprüngliche Lichttonspur zu ersetzen.

Diese 1964 erstellte Fassung von Jour de Fête war über dreißig Jahre lang die einzige Version die es zu sehen gab. Es war die entgültige Version von Jacques Tati, der 1982 verstarb und nicht ahnen konnte, daß es eines Tages noch eine dritte Version des Films geben würde - 1988 gelang es dem französischen Filmlabor Eurocitel das Thomsoncolor-Verfahren zu knacken und erstmals bot sich eine reale Chance, endlich Farbkopien von Jour de Fête zu erstellen. Tatis Tochter Sophie, die während der Dreharbeiten des Films geboren wurde, sorgte für ein ordentliches Budget, um die Vision ihres Vaters endlich Wirklichkeit werden zu lassen. 1995 war es dann soweit - die Farbversion von Jour de Fête war fertig und wurde zuerst in Frankreich und später auf der ganzen Welt in Programmkinos und im Fernsehen gezeigt.

Es war aber nicht nur einfach eine eingefärbte Fassung, sondern ein ganz anderer Film, weil zwar beide Kameras direkt nebeneinander standen, aber Tati auf dem Farbnegativ fast immer völlig verschiedene Takes gedreht hatte und die Blickwinkel unterschiedlich waren. Auch sind in der Farbversion ein paar kurze Sequenzen vorhanden, die gar nicht in der Schwarzweiß-Fassung vorhanden sind. Der Film wurde komplett neu nach Jacques Tatis Produktionsunterlagen zusammengeschnitten und nur ganz wenige Szenen mußten mit Hilfe von Computerunterstützung von der Schwarzweiß-Version coloriert werden, weil das Farbnegativ nicht brauchbar war. Es war kein Technicolor-Farbwunder, aber die gedämpften, absichtlich etwas blaß gebliebenen Farben paßten hervorragend zur nostalgischen Atmosphäre des Films und hauchten Jour de Fête ein ganz neues Leben ein.

Tatis erstes Meisterwerk

Fast sechzig Jahre nach seiner Entstehung hat Jour de Fête kaum etwas von seiner Faszination verloren. Jacques Tatis einmaliger Blick in den Mikrokosmos eines kleinen französischen Dorfs und der Kampf eines Briefträgers gegen die modernen Methoden seiner amerikanischen Konkurrenz ist heute gleichermaßen ein Zeitdokument und ein Klassiker, der erstaunlich wenig gealtert ist - besonders nachdem die lang verschollene Farbfassung fast fünfzig Jahre nach der Premiere rekonstruiert werden konnte.


Die DVD

Jacques Tatis Jour de Fête war lange Zeit als DVD nur schwierig zu bekommen. Die 1999 in Frankreich veröffentlichte DVD enthielt sowohl die 1964er-Version als auch die Farbfassung, sowie eine Dokumentation über die Farbrestauration - aber leider ist diese DVD schon seit langem out-of-print. Andere DVDs, wie z.B. die finnische Ausgabe, enthalten auch die Schwarzweiß- und Farbfassungen, sind aber genauso schwer zu bekommen. Die britische DVD enthielt nur die restaurierte Farbfassung, und seit Jahren ist zwar eine Criterion-DVD im Gespräch, wurde aber bis heute noch nicht offiziell angekündigt.

2004 waren zuerst in der Schweiz und dann auch in Deutschland von Universum Film eine Reihe von Tati-DVDs erschienen, aber besonders Jour de Fête hatte sich als Enttäuschung herausgestellt, da nur die Farbfassung von einem älteren Videomaster aus den neunziger Jahren dabei war. Diese Notlösung hat das British Film Institute 2012 aber mit einer hervorragenden Neuauflage abgelöst, die als Blu-Ray und DVD erschienen ist und nicht nur einen neuen, besseren Transfer der Farbversion enthält, sondern auch die handcolorierte Fassung von 1964 und Tatis drei wichtigste Kurzfilme als Extras.

Die hier rezensierte Disc ist die DVD aus der Oktober 2012 erschienenen Dual-Format-Edition vom BFI. Beide Filmfassungen von Jour de Fête sind enthalten - die teilcolorierte Version von 1964 in einer internationalen Version mit englischsprachigem Voiceover und die restaurierte Farbfassung von 1995 in der kompletten Version inklusive dem kurzen erklärenden Intro. Tatis Urfassung von 1949 ist nicht dabei, möglicherweise ist diese Version verschollen oder wird von den Tati-Erben zurückgehalten.

Die neuen HD-Transfer wurden zwar nicht komplett digital restauriert, sehen aber besonders bei der Farbversion sensationell besser aus als alle vorherigen Ausgaben. Als Extras enthält nur die DVD, aber nicht die Blu-Ray Tatis drei Kurzfilme Soigne ton Gauche, L'Ecole des Facteurs und Cours du Soir. Ein 12-seitiges Booklet mit zwei Essays und ausführlichen Informationen über den Film ist auch dabei. Diese Veröffentlichung hätte das BFI nicht besser machen können - auch im DVD-Format ist dies die beste Version von Jour de Fête, die es bisher gab.

Cover

Bild

Für die Neuveröffentlichung von Jour de Fête hatte das BFI komplett neue HD-Transfer von der 1995 rekonstruierten Farbfassung und der 1964 überarbeiteten Schwarzweiß-Version gemacht, die allerdings nicht komplett restauriert wurden und immer noch viele Imperfektionen von den Filmvorlagen aufweisen. Trotzdem sind diese neuen Abtastungen eine riesige Verbesserung gegenüber den früheren Videomastern und auch das DVD-Authoring ist trotz einer sehr niedrigen Bitrate gut gelungen.

Der neue Transfer der Farbfassung basiert auf einem Interpositiv der Farbrekonstruktion von 1995, den das BFI aus Frankreich bekommen hat. Das Bild ist überraschend stabil, das Wabern und Flattern der vorherigen Transfer wurde völlig beseitigt. Da jedoch kein weiteres digitales Cleanup gemacht wurde, sind noch diverse kleinere Kratzer, Fussel und die eine oder andere isolierte großflächige Beschädigung zu sehen, die aber genau die gleichen sind, die auch schon in den früheren Versionen zu sehen waren und nun nur durch die modernere Transfertechnik mehr auffallen. Während eine komplette Säuberung sicher wünschenswert gewesen wäre, ist der Zustand der Filmvorlage den Umständen entsprechend aber immer noch überraschend gut. Die Schärfe wirkt auf den ersten Blick ein bißchen schlechter als beim alten Videomaster, das aber massiv elektronisch nachgeschärft worden war, worauf bei dem neuen Transfer völlig verzichtet wurde. Trotzdem ist die Detailtreue viel besser und variiert zwar je nach Szene, ist aber immer noch mehr als akzeptabel für einen Film dieses Alters und zeigt viele Einzelheiten, die bei den vorherigen Abtastungen gar nicht zu sehen waren. Die Filmkörnigkeit wurde auch nicht herausgefiltert, sondern ist mehr oder weniger deutlich zu sehen, fällt aber auch nicht unangenehm auf.

Erst mit dem neuen Transfer richtig zur Geltung kommen die restaurierten Farben, die zuvor von einem viel zu hellen Bild praktisch verschluckt wurden. Statt überstrahlten weißen Bildteilen bekommt man nun die viel korrekteren pastellartigen Töne des Thomsoncolor-Verfahrens zu sehen, die Tatis Farbpalette mit dem Kontrast zwischen grün-bräunlicher Natur und der bunten Kirmes richtig gut wiedergeben - besonders die Hauttöne wirken nun viel natürlicher. Helligkeit und Kontrast sind viel ausgewogener und sogar in den dunklen Szenen ist nun viel mehr erkennbar. Das für manche Filme dieses Alters typische Helligkeitsflackern hält sich auch in Grenzen und bedingt durch das System sind die Farben zwar nicht immer ganz stabil, aber massive Schwankungen sind kaum sichtbar. Auf der Blu-Ray soll in einigen Szenen ein durch das lentikuläre Thomsoncolor-Verfahren verursachtes vertikales Streifenmuster zu sehen sein, aber auf der DVD ist davon vermutlich wegen der niedrigeren Auflösung nichts zu bemerken.

Die Schwarzweiß-Fassung ist genauer gesagt die teils handcolorierte Fassung von 1964, die auf dem Original von 1949 basiert, aber einige zusätzliche Szenen hat. Das BFI hat den neuen HD-Transfer von einem englischsprachigen Print aus dem eigenen Filmarchiv gemacht, der allerdings nicht mehr so gut erhalten war wie die Farbfassung. Verschmutzungen und Beschädigungen sind in einem viel größeren Ausmaß sichtbar und auch Aktwechselmarkierungen fallen regelmäßig auf. Der Bildstand ist sehr instabil, denn das Bild hüpft fast ständig hin- und her und ist nur selten ruhig. Die Schärfe ist teilweise ein wenig besser als bei der Farbversion und auch die Filmkörnigkeit ist deutlich sichtbar, wobei die in den sechziger Jahren gedrehten Szenen natürlich entsprechend detailreicher aussehen. Insgesamt kann diese Fassung von Jour de Fête aber optisch nicht an die wundervolle Farbrekonstruktion herankommen, denn der Zustand des verwendeten Filmprints hätte dringend eine digitale Restauration erfordert.

Ton

Ähnlich wie auf der vorherigen DVD ist auch der Ton auf der BFI-Neuauflage ganz ausgezeichnet. Dies liegt daran, daß Jacques Tati 1964 seinen Film noch einmal ganz neu vertont hatte und die neue Tonfassung auch bei der Restauration der Farbfassung zum Einsatz kam. Daher ist die Tonqualität bei beiden Filmfassungen auf dieser DVD ganz ausgezeichnet.

Die französische Tonspur hat einen überraschend frischen und lebendigen Klang, den man bei einem Film aus dieser Zeit gar nicht erwartet. Besonders Dynamik und Frequenzumfang lassen kaum Wünsche übrig, denn die Musik kann mit einem soliden Baß und anständigen Höhen aufwarten, ohne dabei von Verzerrungen oder anderen altersbedingten Problemen geplagt zu werden. Die Geräuschkulisse, zu der man bei Jour de Fête auch die Stimmen zählen muß, hört sich auch nicht viel schlechter an und klingt vielleicht ein wenig dünner, wurde aber wie aus einem Guß mit der Musik zusammengefügt. Knistern, Knacksen oder Rauschen sind überhaupt nicht zu hören - die Tonspur hört sich insgesamt sehr sauber und überhaupt nicht gealtert an, als ob als Quelle eine Magnetband und keine Lichttonspur zur verfügung gestanden hätte. Beide Tonspuren sind in 2.0 Mono mit einer besonders hohen Bitrate von 320 kbit/s codiert worden.

Die optionalen englischen Untertitel auf der Farbfassung sind mehr oder weniger unnütz, da längst nicht alle der teilweise absichtlich unverständlichen Dialoge übersetzt werden und es bei Jour de Fête sowieso nicht viel auf die Texte ankommt. Die 1964er-Version hat auch eine Untertitelspur, die aber leer ist. Die drei Kurzfilme sind ebenfalls mit optionalen englischen Untertiteln ausgestattet worden.

Bonusmaterial

Die neue BFI-DVD von Jour de Fête hat zwar auch keinerlei Dokumentationen über die Entstehung des Films zu bieten, aber immerhin sind Tatis drei wichtigste Kurzfilme dabei.

Soigne ton Gauche von 1936 (11:55), L'Ecole des Facteurs von 1947 (14:27) und Cours du Soir von 1967 (26:34) sind auf dieser DVD in bester Bild-und Tonqualität zu sehen, besser als in den vorherigen Inkarnationen auf diversen anderen Discs.

Der Jour de Fête Trailer (0:59) stammt von der Veröffentlichung der restaurierten Farbfassung und ist eine ganz passende, aber viel zu knappe Repräsentation des Films.

Das Booklet hat nur zwölf Seiten, enthält aber ein paar gut ausgesuchte Fotos, zwei Essays von Philip Kemp und detaillierte Informationen über den Film und die Discs.

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