Allgemeines
Wer Titanic für James Camerons Meisterwerk hält,
der hat sicher The Abyss nie gesehen. Ende der achtziger Jahre
begann diese einzigartige Produktion, die man am besten als Close
Encounters of the Third Kind unter Wasser beschreiben kann. Um möglichst
realistische Bilder zu erzeugen, entschied sich James Cameron einen großen
Teil des Films unter Wasser in riesigen Tanks zu filmen - so etwas hatte
es zuvor außer im Dokumentarsektor noch nicht gegeben. Dank eines
intelligenten Drehbuchs, leistungsfähigen Schauspielern und revolutionären
Spezialeffekten wurde The Abyss zu einem der besten SF-Filme der
letzten zwanzig Jahre.
Wie es schon Steven Spielberg mit Close Encounters tat, produzierte
James Cameron vier Jahre nach der Kinopremiere eine Special-Edition die
teilweise neue Szenen enthielt, andere abänderte und generell den
Film noch weiter perfektionierte.
Die Special-Edition-DVD wurde von Van Ling produziert, der früher
schon öfter mit James Cameron und seiner Firma Lightstorm Entertainment
zusammengearbeitet hat. Die Vorlage war die vorher schon von Ling produzierte
SE-Laserdisc, aber die DVD bietet ein ganz besonderes Feature - es ist
sowohl die Originalversion als auch die neue Special-Edition per Seamless
Branching zusammen auf einer Disc abgelegt worden. Wegen der enormen Länge
des Films mußte das zahlreiche Bonusmaterial auf eine zweite DVD
ausgelagert werden.
Wie die amerikanische Vorlage ist auch die deutsche Abyss-DVD THX-zertifiziert.
Allerdings bieten diese DVDs leider ein sehr gutes Beispiel, daß
THX nicht unbedingt Qualität bedeuten muß: Ein nicht-anamorpher,
sieben Jahre alter Transfer mußte verwendet werden, der Originalton
ist auf der deutschen DVD nur in 2.0-Surround vorhanden und nicht einmal
alle Extras der US-Version haben es auf die deutsche Fassung geschafft.
Auch mit der Verpackung hatte sich Fox im November 2000 bei der deutschen
Veröffentlichung kräftig in den Sand gesetzt. Weil keine Doppel-Amaray-Hüllen
beschaffbar waren, wurde die Film-DVD in ein einfaches Case gesteckt und
die zweite DVD einfach in einer Papphülle dazugelegt - sowas hatte
man bisher noch nicht gesehen und verdient einen Preis als schlechtverpackteste
DVD des Jahres. Wenn man sich aber von den technischen Einschränkungen
und der Verpackung nicht abschrecken läßt, erwartet einen doch
eine recht gut aufgemachte Special-Edition des Films, mit der man einige
Zeit beschäftigt sein wird.
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Bild
Ein gutes halbes Jahr nach der Veröffentlichung dieser
DVD dürfte es mittlerweile jeder wissen: leider hat The Abyss
keinen anamorphen Transfer bekommen. Warum dies ausgerechnet bei einem
Film passiert ist, bei dem die visuellen Eigenschaften das wichtigste
sind, weiß man immer noch nicht genau. Es gehen Gerüchte um,
daß tatsächlich ein anamorpher Transfer erstellt wurde, den
James Cameron aber ablehnte weil er mit dem Farbtiming nicht zufrieden
war. Stattdessen wurde ein von Cameron favorisiertes D2-Master von 1993
als Basis für diese DVD benutzt, das schon für die Laserdisc
der Special-Edition eingesetzt wurde. Im Prinzip ist gegen diesen Transfer
nichts einzuwenden, aber gegen vernünftige anamorphe Versionen von
gleichaltrigen Filmen auf DVD verliert The Abyss trotzdem haushoch.
Die Filmvorlage selbst hat nur wenige kaum sichtbare Fussel oder Dropouts,
und die Körnigkeit des Filmmaterials ist auch nicht sichtbar. Das
größte Problem des Transfers ist die mangelhafte Schärfe,
die von fast schon exzessivem "Edge Enhancement" begleitet wird. Abgesehen
davon haäten sich die meisten Unterwasserszenen erstaunlich gut,
auch wenn durch die mangelnden Details das Bild oft zu undeutlich und
diffus ist - dafür sehen sie aber alle sehr realistisch aus. Die
Szenen auf der Benthic Explorer, dem Schiff auf der Oberfläche, haben
dagegen ein ganz seltsames, flaches, fast wie gemaltes Aussehen. In der
Farbwiedergabe gewinnt diese DVD jedoch auf der ganzen Linie. Die grau-blau-grüne
Farbpalette, die fast den gesamten Film dominiert, wird getreu wiedergegeben
und auch Hauttöne gehen nicht unter. Kompressionsartefakte waren
wegen der vielen einfarbigen Flächen zu befürchten, aber nur
ganz selten kann man einen leichten Ansatz von Blockbildung erkennen.
Dies ist wahrscheinlich nur der relativ hohe Bitrate und dem Umstand,
daß nur die Hälfte des DVD-Bilds genutzt wird, zu verdanken.
Ein ganz anderes Problem zeigt sich bei der Wiedergabe der DVD auf progressiven
Displays wie Computerbildschirmen oder Projektoren, denn einige Teile
des Films sind interlaced auf der DVD abgespeichert worden. Wie und weshalb
das passiert ist kann man nicht nachvollziehen, denn hinter der Abwechslung
zwischen progressiv und interlaced steckt kein erkennbares System. Auch
die Vermutung, daß nur die zusätzlichen Szenen der Special-Edition
progressiv seien hat sich als falsch erwiesen. Unter dem Gesichtspunkt,
daß bei der deutschen Independence Day-DVD
fast das gleiche passiert ist, muß man davon ausgehen daß
dies ein Fehler vom Masteringstudio WAMO ist. Normalerweise verzichte
ich in meinen DVD-Kritiken auf Bildbeispiele, aber hier mache ich mal
eine Ausnahme um die Probleme des Transfers zu verdeutlichen:
1 - Schon beim Fox-Logo bemerkt
man die zu starke Kantenschärfe.
2 - Auf der Benthic Explorer: mehr
Kantenschärfe, besonders an der Baseballmütze.
3 - Am Moonpool: schlechte Detailzeichnung
und sichtbares Interlacing.
4 - Trotz der geringen Schärfe
sehen die Unterwasserszenen natürlicher aus.
5 - Effekt-Shot vom Schluß:
viel zu unscharf.
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Ton
Nach der fast schon unterdurchschnittlichen Bildqualität
folgt die zweite Ernüchterung bei den Tonspuren: zwar ist die deutsche
Synchronfassung als Dolby-5.1-Upmix vorhanden, aber der eigentlich wichtigere
Originalton liegt nur als Matrixsurround-Fassung in 2.0 vor. Auf der amerikanischen
DVD befand sich neben dieser 2.0-Fassung auch ein 4.1-Mix, der auf den
70mm-6-Track-Fassungen basierte. Die englische Version verliert damit
auf dieser DVD den Subwoofer und die diskrete Aufteilung der Kanäle,
aber die Abmischung ist für eine 2.0-Spur sehr gut gelungen. Dramatisch
hört der Unterschied zwischen dem Downmix der deutschen 5.1-Fassung
und der englischen 2.0-Version nicht an, rein subjektiv hat die englische
Fassung sogar eine etwas breitere Soundstage. Dafür werden in der
deutschen Fassung die Surroundkanäle aggressiver benutzt, aber die
Dialoge stechen zu sehr aus dem Klangbild heraus und klingen nicht so
natürlich wie in der Originalfassung. In Stereo oder ProLogic braucht
man sich also keine Gedanken über die Qualität der englischen
Tonspur machen, aber für Sound-Enthusiasten mit 5.1-Anlage, die meist
auch Originalfassung bevorzugen sind die Tonspuren dieser DVD nicht akzeptabel.
Laut Fox sei kein Platz für zwei 5.1-Tonspuren auf der Disc gewesen,
was allerdings kaum nachvollziehbar ist. Zwar ist die erste DVD mit den
zwei Filmversionen und den Tonspuren wirklich randvoll, aber wenn man
noch etwas mehr an der Bitrate des Bilds herumgeschraubt hätte wäre
vielleicht etwas mehr Platz für die Tonspuren übriggeblieben.
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Menü & Specials
Die Menüs beider DVDs bestehen aus einer aufwendig gerenderten
3D-Repräsentation der Deepcore, in der die Menüpunkte
kunstvoll eingearbeitet sind. Die Menüs sind das einzige anamorphe
Material auf den DVDs, denn der Film und sämtliches Bonusfeatures
sind in 4:3 abgelegt.
Die Extras beginnen bereits auf der Film-DVD. Statt einem Audiokommentar
mit James Cameron befindet sich nur ein Textkommentar des DVD-Produzenten
Van Ling in Form einer Untertitelspur auf der Disc. Dieser Kommentar liegt
im englischen Original und in einer deutschen Übersetzung vor und
bietet mindestens soviel Informationen wie eine gesprochene Kommentarspur.
Allerdings beschränkt sich die Untertitelspur meist auf technische
Informationen und ist leider nicht so persönlich und ungezwungen
wie ein normaler Audiokommentar.
Die Extras auf der zweiten DVD sind in den verschiedenen Bereichen der
gerenderten Deepcore untergebracht. Das wichtigste Extra ist die
59minütige Dokumentation Under Pressure - the Making of The Abyss,
in der so ziemlich alle offenen Fragen über die Produktion des Films
beantwortet werden. Wenn man diese Doku gesehen hat, fragt man sich ernsthaft
wie James Cameron es geschafft hat diesen Film unter solchen extremen
Bedingungen zu drehen und daß ihm nicht die Schauspieler weggelaufen
sind. Tatsächlich ist Mary Elizabeth Mastrantonio in der Doku als
einzige Darstellerin nicht in neuen Interviews zu sehen, weil sie gegen
Ende der Dreharbeiten vor Camerons fast unmenschlichen Arbeitsbedingungen
geflohen war und nun verständlicherweise nichts mehr mit dem Film
zu tun haben wollte. Neben dieser langen Doku ist auch ein zehnminütiges
Featurette vorhanden, das zwar einen nicht zu übersehenden kommerziellen
Charakter hat, aber trotzdem etwas Filmmaterial verwendet was im Making
Of nicht verwendet wurde.
Die Imaging Station ist wie ein kleiner, unaufgeräumter Schneideraum
gestaltet und enthält auch das entsprechende Material. Zuerst sind
zehn Videoclips von verschiedener Länge dort untergebracht. Pseudopod
Multiangle zeigt die verschiedenen Produktionsstadien der beeindruckenden
Wasserwurm-Szene mit Hilfe von vier verschiedenen Blickwinkeln, die man
entweder während des laufenden Videos umschalten oder nacheinander
schauen kann. Deepcore Build Timelapse ist eine siebenminütige
Zeitrafferaufnahme vom Bau des großen Deepcore-Modells. Die Videomatics
Montage besteht aus anderthalb Minuten Unterwasser-Videoaufnahmen,
die als Storyboard-Vorlagen für den Film dienten. Bei diesem Videoclip
kann man eine Untertitelspur aktivieren, die Balken über das Vollbild
legt und es so ins gedachte 2,35:1-Kinoformat bringt. Montana Bridge
Flooding zeigt eine Videoaufnahme der vierzig Sekunden langen Sequenz
von der Flutung der Montana-Schiffsbrücke inklusive einiger danach
sehr nasser Schauspieler. Engine Room Flooding kommt dagegen ohne
nasse Stars aus, weil der Maschinenraum aus einem Modell besteht. Surface
Unit Shoot stammt von den Dreharbeiten der Oberflächen-Szenen.
Crane Crash Shoot ist weniger als eine halbe Minute lang und zeigt
den für den Film mit einer Hochgeschwindigkeits-Kamera aufgenommenen
Kran-Zusammenbruch in Echtzeit. In der Motion Control Timelapse Montage
ist eine achtstündige Sequenz von Unterwasser-Modellen zu sehen,
die auf eine Minute zusammengerafft wurde. Miniature Rear Projection
Demo ist ein dreißigsekündiger Clip, der die Möglichkeiten
der Hintergrundprojektion in ein Miniaturmodell testet. Als letztes bietet
die Film-Abteilung der Imaging Station einen zwanzigminütigen Zusammenschnitt
von Special-Effects-Sequenzen, die für die Academy Awards von
1990 zusammengestellt wurden - diese Ausschnitte sind mit Musik unterlegt,
im Originalformat und haben ärgerlicherweise eine etwas bessere Bildqualität
als der Film selbst. Alle Clips werden von erklärenden Texttafeln
eingeleitet.
Die Bildergallerie ist in 22 Bereiche unterteilt und enthält
hunderte von Bildern - wieviele genau habe ich nie gezählt, aber
es sind mehr als man einfach überblicken könnte. Fast alle Bilder
nutzen das gesamte 4:3-Bild aus und sind überraschend groß
und deutlich abgelegt worden. Genauso gut sehen die Storyboards
aus, von denen tatsächlich alle 773 Stück, die James Cameron
persönlich für diesen Film gezeichnet hat, auf dieser DVD vorhanden
sind. Eine derart extensive Sammlung von Bildmaterial ist beinahe einzigartig
und wohl nur dem Umstand zu verdanken, daß dies alles schon für
die frühere Laserdisc zusammengestellt wurde. Bei Bildern macht diese
Sammlung aber nicht halt, denn das gesamte Drehbuch und auch das
Treatment zum Film ist auf Texttafeln abgelegt. Ob es sinnvoll
ist, ein etwa 6000 Zeilen langes Drehbuch auf einem Fernseher zu lesen
sei dahingestellt, aber auf jeden Fall kann man das Drehbuch auch in mehr
computerverträglicher Form im Internet finden.
Die letzten Extras bestehen aus dem üblichen Pflichtprogramm: drei
Trailer und Filmographien von Darstellern und Crew. Eigentlich
kann man mit den vorhandenen Extras mehr als zufrieden sein, wenn da nicht
noch Unmengen von Material wären, das auf der deutschen DVD einfach
weggelassen wurde. Die US-Fassung hatte noch zwei weitere Menüs,
den Moonpool und den Drill Room, in denen noch sehr viele Texte und Bilder
von den Produktionsnotitzen abgelegt waren. Diese machten einen nicht
unbeträchtlichen Teil der von Van Ling zusammengestellten Extras
aus, und es ist eine kein netter Zug von Fox das alles den deutschen Käufern
vorzuenthalten. Möglicherweise wurde das Material gar nicht aus Platzgründen
gestrichen, sondern weil es nicht übersetzt werden konnte. Die Menüs
sind zwar zweisprachig vorhanden, aber alle anderen Texte sind nur auf
Englisch abgelegt worden. Die Dokumentation und das Featurette sind aber
mit deutschen Untertiteln versehen worden.
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