Der Film
Indiana Jones, Teilzeit-Abenteurer, Archäologe und College-Professor ist wieder unterwegs, um seltene Artefakte aufzuspüren. Bei dem Versuch in einem Nachtclub in Shanghai von einem zwielichtigen Gauner einen geheimnisvollen Stein zu kaufen, bleibt Indy nur die übereilte Flucht, als der Bleigehalt der Luft gefährlich zu steigen beginnt. Mit der Sängerin Willie (Kate Capshaw) und seinem persönlichem Assistenten, dem Strassenjungen Short Round (Ke Huy Quan) im Schlepptau schafft Indy es bis in ein Flugzeug - das aber dem Gauner gehört, vor dem er gerade auf der Flucht ist! Auf halber Strecke steigen die Piloten aus, aber die drei unfreiwilligen Abenteurer schaffen es noch in letzter Sekunde abzuspringen, bevor ihr Flugzeug zerschellt. In Indien gelandet treffen sie auf ein verwahrlostes Dorf, deren Bewohner glauben, daß die Fremden von ihrem Gott geschickt wurden. Zu seinem großen Entsetzen erfährt Indy, daß alle Kinder verschwunden sind und der heilige Shankara-Stein des Dorfes von den Handlangern des neuen Maharadjahs gestohlen wurde. Eigentlich wollen Indy, Willie und Short Round so schnell wie möglich zurück in die Zivilisation, aber vorher müssen sie einen Umweg zum Palast des Machthabers machen, wo sie unfaßbare Dinge erleben...
George Lucas und Steven Spielberg hatten 1981 erfolgreich ihren alten
Traum in die Wirklichkeit umgesetzt, einen Abenteuer-Film im Stil der
Saturday-Afternoon-Serials der vierziger Jahre zu drehen. Eigentlich war
Raiders of the Lost Ark aber nur ein Experiment um auszuprobieren,
ob sich das Konzept von Star Wars auch auf ein anderes Genre
übertragen lassen würde, aber der waghalsige Versuch hatte geklappt und
die erste gemeinsame Produktion der beiden Filmemacher wurde zu einem
riesigen Erfolg. Die Resonanz war so positiv, daß George Lucas und Steven
Spielberg schon kurz nach der Premiere beschlossen, so bald wie möglich
einen neuen Indiana Jones-Film zu drehen.
Lucas, Spielberg & Co.
Steven Spielberg hatte keine Bedenken, die Regie noch ein zweites Mal
zu übernehmen - tatsächlich hatte George Lucas ihm ursprünglich von drei
verschiedenen Geschichten erzählt, die die beiden Filmemacher auf jeden
Fall zusammen inszenieren wollten. Tatsächlich hatte George Lucas
aber nur eine einzige Story parat, die er einige Jahre zuvor zusammen
mit Philip Kaufman entwickelt hatte und zu Raiders of the Lost Ark
wurde, so daß eine völlig neue Idee gefunden werden mußte. Als erstes
holten die beiden Filmemacher eine Reihe von Ideen aus der Schublade,
die es nicht mehr in den ersten Film geschafft hatten - aber trotzdem
mußte noch einen passender Plot erfunden werden.
Vorher hatte George Lucas jedoch noch etwas ganz anderes zu tun und widmete
sich erst einmal Return of the Jedi. Im Januar 1983 waren die
Arbeiten des letzten Films der Star Wars-Trilogie endlich abgeschlossen,
und noch vor der Premiere im Mai begannen die ersten Vorbereitungen für
das nächste Indiana Jones-Abenteuer. Eigentlich wollten George Lucas und
Steven Spielberg wieder das gleiche Team wie beim ersten Film zusammentrommeln,
aber einen der wichtigsten Mitarbeiter konnten sie nicht wieder zurückgewinnen:
Drehbuchautor Lawrence Kasdan war zu sehr mit seinem zweiten eigenen Film
The Big Chill beschäftigt, um sich auch noch um einen weiteren
Film kümmern zu können. Da die beiden Filmemacher ihr Drehbuch nicht alleine
schreiben wollten, mußten sie als erstes auf die Suche nach einem neuen
Autoren gehen.
Die Rückkehr des Dr. Jones
George Lucas und Steven Spielberg hatten schon einige Ideen wie eine Story
über einen Affenkönig oder ein Geisterhaus verworfen, bis sie einen neuen
MacGuffin (ein im Prinzip unwichtiges Objekt, daß als Auslöser des Plots
verwendet wird) erfunden hatten: die Handlung wurde nach Indien verlegt
und sollte sich um die geheimnisvollen Sankara-Steine und um den Kali-Kult
drehen. Dadurch konnte George Lucas auch die Lösung des Drehbuch-Dilemmas
finden, denn das Autoren-Ehepaar Gloria Katz und Willard Huyck, mit denen
er zehn Jahre zuvor seinen ersten Kinofilm American Graffiti geschrieben
hatte, war sehr an der indischen Kultur interessiert und auch schon oft
dorthin gereist. Mit einem Treffen der vier Filmemacher und Drehbuchautoren,
bei dem die ersten Grundzüge der Story geschaffen wurden, konnten die
Vorbereitungen für das neue Indiana Jones-Abenteuer im Februar
1982 schließlich beginnen.
Weil man Bedenken hatten sich zu wiederholen, wurde diesmal eine völlig
andere Richtung eingeschlagen und die Geschichte als reiner Abenteuerfilm
mit kräftigen Horror-Elementen konzipiert. Indiana Jones and the Temple
of Death hatte George Lucas seine Idee ursprünglich genannt, wobei
Death auf Steven Spielbergs Einwand hin durch Doom ersetzt wurde,
weil ihm der Titel doch zu pessimistisch klang. Aber es wurde dennoch
eine sehr düstere und unheimliche Geschichte, was teilweise auch durch
die persönliche Stimmung der beiden Filmemacher beeinflußt wurde - George
Lucas steckte gerade mitten in einer Scheidung, und auch Steven Spielberg
hatte einige zwischenmenschliche Probleme.
Ein neues Abenteuer
Zusammen mit Gloria Katz und Willard Huyck entwickelten die beiden Filmemacher
eine Story, die völlig anders war als ihr Vorgänger. Zeitlich wurde der
Film drei Jahre vor Raiders of the Lost Ark angesiedelt und sollte
damit ein Prequel sein, das als Anlaß dafür genommen wurde, das bewährte
Rezept zu ändern. Diesmal verzichteten die Filmemacher auf die Hintergrundgeschichte
des Titelhelden und die Bekannten Charaktere des Vorgängers, denn sie
ließen Indiana Jones ausschließlich als smarten Abenteurer auftreten,
während sein anderes Leben als College-Professor kaum zur Sprache
kam. Wenn sich Harrison Ford seine Rolle nicht schon vorher zu eigen gemacht
hätte, wäre sein Charakter dadurch beinahe zu einem austauschbaren Actionhelden
geworden.
Noch mehr als beim ersten Film wurde diesmal die Handlung um die Actionsequenzen
herum konstruiert, die zum größten Teil aus verworfenen Drehbuchversionen
des Vorgängers stammten. Fast der gesamte Anfang inklusive dem Sprung
aus dem Flugzeug war ursprünglich für Raiders of the Lost Ark
gedacht, genauso wie die Achterbahnfahrt durch die Mine - beides hatte
sich zuvor als zu kompliziert und aufwendig erwiesen und konnte erst jetzt
dank des großzügigeren Budgets angemessen inszeniert werden. Dadurch wurde
allerdings der Schwerpunkt des Films mehr auf die Actionszenen gelegt
und die Story vernachlässigt - etwas, was beim Vorgänger durch das raffiniertere
Drehbuch kaum auffiel, aber nun nicht mehr so gut unter Kontrolle gebracht
werden konnte.
Die dunkle Seite
Begonnen wurde die Geschichte mit einem unabhängigen Teaser, der zwar
nur als Aufhänger für die Haupthandlung diente, aber mehr oder weniger
eine Gelegenheit für Steven Spielberg war, Indiana Jones ganz elegant
im Smoking à la James Bond zu zeigen. Damit hatte sich der Regisseur einen
langgehegten Wunsch erfüllt, auch einmal einen Film mit dem berühmtesten
Geheimagenten von allen zu inszenieren - tatsächlich erinnert der Anfang
von The Temple of Doom deutlich an die Machart eines Bond-Films,
ohne wie ein billiges Plagiat zu wirken. Das rasant inszenierte Intro
hätte der Auftakt für einen genauso flotte Geschichte werden können, aber
George Lucas und Steven Spielberg hatten etwas völlig anderes im Sinn.
Die eigentliche Handlung wurde teilweise an George Stevens Verfilmung
von Rudyard Kiplings Gedicht Gunga Din angelehnt, die hauptsächlich
von den Filmemachern als Vorbild ausgewählt wurde um nicht wieder die
Nazis als Antagonisten auftreten zu lassen. Stattdessen wurden als Bösewichte
die Thuggees verwendet, die eigentlich einfache Raubmörderbanden waren,
die in Indien bis zum 19. Jahrhundert ihr Unwesen trieben, bis sie durch
die britische Besetzung ausgerottet wurden. Gloria Katz und Willard Huyck
nahmen diese historischen Grundlagen und funktionierten die Thuggees zu
einem Kult um, der mörderische Rituale zelebriert, übersinnliche Kräfte
besitzt und zur Suche nach den mysteriösen Sankara-Steinen Kinder als
Sklaven für die Ausgrabungsarbeiten hält.
Der Plot wurde diesmal relativ simpel gehalten und fand an längst nicht
so vielen Schauplätzen wie Raiders of the Lost Ark statt, denn
zwei Drittel der Handlung spielten sich ausschließlich in Indien ab und
ein großer Teil davon wurde auch noch von den Actionsequenzen dominiert.
Dadurch war der Film auch längst nicht so gesprächig wie sein Vorgänger
und auch der etwas bemühte Humor stand im starken Kontrast zu den erstaunlich
drastischen und blutrünstigen Darstellung der Opferrituale, mit denen
die Filmemacher sich keinen großen Gefallen getan hatten. Viel Handlung
gab es nicht, und der Plot wurde weniger von den fast passiven Charakteren
als von den Action-Elementen angetrieben. Erzählerisch blieb The Temple
of Doom deshalb weit hinter seinem Vorgänger zurück, da der alte
Leitsatz "Fast, Funny and Going Places" durch den sehr rudimentären Plot
erst gar nicht gegeben war.
Das neue alte Team
Steven Spielberg und George Lucas gelang es für ihr neues Indiana
Jones-Abenteuer fast wieder die gleiche Crew wie für den ersten Film
zusammenzustellen. Insbesonders Kameramann Douglas Slocombe, der schon
Raiders of the Lost Ark das ganz besondere Aussehen gegeben hatte,
konnte wieder engagiert werden, aber Produktionsdesigner Norman Reynolds
wollte nach zwei Star Wars-Filmen und einem Indiana Jones
erst einmal eine Pause machen. Produzent Robert Watts fand aber mit dem
Engländer Elliot Scott einen idealen Nachfolger für Reynolds, der zwar
noch nie mit Steven Spielberg oder George Lucas zusammengearbeitet hatte,
aber mit aufwendigen Produktionen wie The Pirates of Penzance, Dragonslayer
und einer bis in die vierziger Jahre zurückreichenden Karriere die besten
Vorraussetzungen besaß, um die Ideen der Filmemacher in die Realität umzusetzen.
George Lucas war dagegen nicht mehr so stark wie zuvor in die Filmproduktion
eingebunden und überließ die Inszenierung die meiste Zeit Steven Spielberg.
Lucas war nur selten bei den Dreharbeiten dabei, weil er noch mit der
Postproduktion und der Werbekampagne des dritten Star Wars-Films
Return of the Jedi beschäftigt war. Mit Frank Marshall, Robert
Watts und Kathleen Kenndy als Mitproduzenten konnte er aber sicher sein,
daß bei den Dreharbeiten nichts aus dem Ruder lief. Während der Postproduktion,
die hauptsächlich in George Lucas' Heimat Kalifornien durchgeführt wurde,
war der Filmemacher aber wieder voll dabei und war mit am Filmschnitt
und vielen anderen Bereichen beteiligt.
Auf der Suche nach Indys neuen Freunden
Als Indiana Jones kam natürlich niemand anders als Harrison Ford in Frage,
der schon fest eingeplant war und 1980 nicht nur für Raiders of the
Lost Ark, sondern auch gleich einen Vertrag für drei Filme unterschrieben
hatte. Trotzdem war ein intensiver Casting-Prozess notwendig, um passende
Schauspieler für die neu geschaffenen Charaktere des Films zu finden.Für
die Besetzung der weiblichen Hauptrolle hatte Steven Spielberg eigentlich
vorgeschlagen, Karen Allen als Marion Ravenwood aus Raiders of the
Lost Ark zurückzubringen, aber George Luacs fand es besser, Indiana
Jones in jedem seiner Abenteuer eine neue Heldin an die Seite zu stellen.
Deswegen wurde die Rolle der schlagfertigen Nachtclubsängerin Willie Scott
geschaffen, die zwar auf den ersten Blick eine ganz typische dümmliche
Blondine sein sollte, aber tatsächlich eine nicht ganz so anspruchsloser
Charakter war.
Die Filmemacher sahen sich über hundert Schauspielerinnen an und drehten
eine Menge von Probeaufnahmen, bis sie die Auswahl auf nur wenige Bewerberinnen
eingegrenzt hatten. Schließlich suchte Steven Spielberg die noch völlig
unbekannte Texanerin Kate Capshaw aus, deren Screentest dem Regisseur
so gut gefiel, daß er sie sofort engagierte. Die frühere Leherin hatte
ihre Schauspielkarriere Anfang der achtziger Jahre in der Soap-Opera The
Edge of Night begonnen und wartete noch auf einen großen Durchbruch
- eigentlich war sie mehr an künstlerisch anspruchsvollen Rollen interessiert,
aber das Angebot von Steven Spielberg und George Lucas lehnte sie trotzdem
nicht ab. Als Willie Scott brachte sie nicht nur eine elegante, glamouröse
Figur in die Handlung, sondern auch etwas dringend benötigten Humor, ohne
dabei zu albern oder sogar lächerlich zu wirken - stattdessen schaffte
es die Schauspielerin, aus ihrer Rolle eine ganz gut gelungene Parodie
auf die typischen Scream Queens der vierziger Jahre zu machen.
Einen klassischen Sidekick hatte Indiana Jones in Raiders of the Lost
Ark abgesehen von den in Temple of Doom leider abwesenden Marion
und Sallah noch nicht, aber das sollte sich mit dem neuen Film radikal
ändern. Die Filmemacher stellten Indy nämlich den Straßenjungen Short
Round an die Seite, der im Plot als Brücke zu den versklavten Kindern
fungierte, aber auch als Publikumsmagnet für die jüngeren Zuschauer dienen
sollte - letzteres sollte sich im Nachhinein angesichts der Intensität
der Horror-Elemente als Fehlkalkulation herausstellen. Für die Besetzung
der Figur wurde ein enormer Aufwand betrieben und offene Castings in acht
Städten in den USA und England durchgeführt, aber im Februar 1983 fand
Steven Spielberg in einer Schule in Los Angeles zufällig den zwölfjährigen
Vietnamesen Ke Huy Quan, der ihn mit seiner Natürlichkeit und Naivität
gegenüber der Filmbranche begeisterte. Tatsächlich konnte Ke Huy Quan
als Short Round erfolgreich gegen den Stereotyp des jugendlichen Sidekicks
ankämpfen und schaffte es erstaunlich gut, seine Rolle ganz locker und
unverkrampft zu spielen, obwohl ihm das Drehbuch relativ wenig Spielraum
ließ.
Formidable Bösewichte und schmierige Politiker
Nachdem Steven Spielberg und George Lucas die Nazis als Antagonisten ausgeschlossen
hatten, mußten sie sich ein paar neue Bösewichte ausdenken, die jedoch
diesmal deutlich eindimensionaler als zuvor ausfielen. Mit den Horror-Elementen
um den stark übertriebenen Kali-Kult wurde auch ein entsprechend beeindruckender
Anführer geschaffen, den die Filmemacher Mola Ram tauften und nicht mit
einem westlichen Schauspieler, sondern unbedingt mit einem Inder besetzten
wollten. Nach langen Verhandlungen gelang es ihnen, den vielbeschäftigten
Filmstar Amrish Puri zu engagieren, der schon seit Anfang der siebziger
Jahre die größten Bösewichte der indischen Filmgeschichte gespielt hatte
und für Indiana Jones and the Temple of Doom nicht besser hätte
sein können. Allerdings fiel sein Charakter extrem eindimensional aus
machte mehr den Eindruck eines Plotelements, das im Prinzip nur als das
personifizierte Böse gedacht war. Der Effekt des furchterregend aussehenden
und agierenden Amrish Puri war daher durchaus gelungen, konnte aber dennoch
nicht in der gleichen Liga wie die dagegen geradezu vielschichtigen Schurken
in Raiders of the Lost Ark spielen.
Viel zivilisierter gibt sich dagegen der ölige Premierminister Chatter
Lal, für den die Filmemacher den britisch-indischen Schauspieler Roshan
Seth fanden. Der hatte eigentlich seine in England begonnene Theater-
und Filmkarriere aufgegeben hatte und sich in Indien als Journalist betätigt,
bis er von Richard Attenborough für eine Nebenrolle in Ghandi
engagiert wurde und so das Interesse von George Lucas und Steven Spielberg
geweckt hatte. Die suchten nach einem indischen Schauspieler mit britischem
Hintergrund und fanden ihn mit Roshan Seth, der auf herrlich schleimige
Art den intelligenten Handlanger von Über-Bösewicht Mola Ram spielte,
aber leider nur eine sehr kleine Rolle im Film hatte. Auch die anderen
Nebenrollen wurden möglichst mit Schauspielern der gleichen Nationalität
ihrer Charakter besetzt - die Shanghaier Schurken wurden fast alle von
Chinesen dargestellt, während die indischen Dorfbewohner und deren Kinder
hauptsächlich von Einheimischen aus Sri Lanka gespielt wurden.
Fernöstliche Dreharbeiten
Als im September 1982 die erste Version des Drehbuchs fertig war, gingen
Produzent Robert Watts und Designer Elliot Scott auf die Suche nach geeigneten
Drehorten - zwar war geplant, diesmal einen größeren Anteil im Studio
zu drehen, aber dennoch sollte nicht auf viele authentische Kulissen verzichten
werden. Das Shanghai der dreißiger Jahre wurde im chinesischen Macau gefunden
und ursprünglich sollte der Rest originalgetreu in Indien gedreht werden
- wenn nicht die Regierung des Landes mit der Darstellung ihrer Landsleute
in der Geschichte unzufrieden gewesen wäre. Der Filmcrew wurde zwar nicht
die Einreise verboten, aber es wurden so viele Änderungen gefordert, daß
die Produktion schließlich ins landschaftlich und geographisch genauso
gut geeignete Sri Lanka verlegt wurde und einige Aufnahmen mit Hilfe von
Matte-Paintings ergänzt wurden.
Die Dreharbeiten begannen im April 1983 in Macao und Sri Lanka, wo trotz
den enormen logistischen und technischen Schwierigkeiten alles einigermaßen
nach Plan verlief, was hauptsächlich Steven Spielbergs haargenau vorbereiteter
Organisation zu verdanken war. Während auf den Straßen von Macao die Verfolgungsjagd
in Shanghai in Szene gesetzt wurde, baute Produktionsdesigner Elliot Scott
mit Hilfe von einheimischen Handwerkern auf einer ehemaligen Teeplantage
die lebensgroße Kulisse des indischen Dorfs auf. Die Hängebrücke entstand
in einer Schlucht in der Nähe einer großen Baustelle, die gerade einen
Damm errichtete - die Filmemacher warben kurzerhand für die Konstruktion
der Brücke die dort arbeitenden britischen Ingenieure an, wobei jedoch
an einer anderen Stelle noch eine zweite, nicht ganz so hohe und lange
Brücke für Nahaufnahmen verwendet wurde.
Gigantische Kulissen und ein Indy mit Rückenschmerzen
In den britischen Elstree Studios, die inzwischen von der Crew nur noch
Lucas East genannt wurden weil der Filmemacher bisher alle seine Filme
dort inszeniert hatte, gingen die Dreharbeiten auf eine noch aufwendigere
Weise weiter. Alle Bühnen und Hallen des Studios wurden in Beschlag genommen
und Produktionsdesigner Elliot Scott hielt die Konstrukteure und Architekten
fast vierundzwanzig Stunden am Tag auf Trab. Je nach Bedarf mußten die
massiven Kulissen, darunter das lebensgroße Tempel-Set, das innere des
Pankot-Palasts und die riesige Mine mit einer funktionierenden Lorenbahn
auf- und abgebaut werden - es waren die bisher größten Sets, die nicht
unter freiem Himmel entstanden waren. Letztendlich wurde auch die erste
Hälfte der Teaser-Sequenz im Shanghaier Nachtclub inklusive der aufwendig
choreographierten Tanznummer à la Busby Berkeley inszeniert, die aber
verglichen mit dem Rest des Films relativ schnell abgedreht war.
Es war aber in England, wo die Filmproduktion in ernsthafte Schwierigkeiten
geriet. Harrison Ford, der zwar für die körperlich anstrengende Rolle
hart trainiert hatte, bekam nach kurzer Zeit in den britischen Studios
plötzlich so schlimme Rückenschmerzen, daß er sich kaum noch bewegen konnte,
was offenbar eine Folge einer alten Rückenverletzung und der ungewohnten
Sitzposition beim Elefantenreiten einige Wochen zuvor in Sri Lanka gewesen
war. George Lucas und Steven Spielberg blieb nichts anderes übrig, als
ihren Star zurück in die USA zur medizinischen Versorgung zu schicken.
Dort stellte sich heraus, daß Ford einen schlimmen Bandscheibenvorfall
hatte, der aber mit einer experimentellen Methode relativ schnell wieder
geheilt werden konnte. Trotzdem war der Schauspieler drei Wochen außer
Gefecht gesetzt, in denen die Produktion bis auf ein paar vereinzelte
Aufnahmen mit einem zweiten Drehstab in den USA komplett lahmgelegt wurde.
Während Harrison Ford noch dabei war sich zu erholen, drehte Steven Spielberg
in England mit Stuntman Vic Armstrong, der eine so große Ähnlichkeit zu
Ford besaß, daß mit ihm einige Szenen bis auf die Nahaufnahmen realisiert
werden konnten.
Die teuerste Modelleisenbahn der Welt
Ein großer Teil des großzügigen Budgets wurde die aufwendigen Special-Effects
verwendet, die weit über das hinausgingen, was in Raiders of the Lost
Ark zu sehen war. Industrial Light and Magic, die Effekt-Abteilung
von Lucasfilm, hatte kaum eine Verschnaufpause nach dem dritten Star
Wars-Film Return of the Jedi machen können, als die Arbeit
an The Temple of Doom schon losgingen. Auch beim zweiten Indiana
Jones-Film wurden einige aufwendigere Sequenzen wie eine geplante
Luftschlacht aus Kostengründen komplett gestrichen, während eine Idee
besonders stark ausgebaut und zu einer zentralen Sequenz wurde: die Flucht
aus der Mine mit der Lorenbahn, die damals für ILM zu einer der größten
Herausforderungen nach Star Wars wurde.
Mit einer geschickten Kombination aus realen Bluescreen-Aufnahmen und
vielen Miniatur-Effekten gehörte die Minen-Achterbahn zu den innovativsten
Szenen des Films, die damals noch völlig ohne Computer-Unterstützung realisiert
werden mußte. Die Experten von ILM bauten dafür eine richtige Modelleisenbahn,
die mit einer modifizierten Spiegelreflexkamera gefilmt wurde - denn wenn
eine richtige Filmkamera eingesetzt worden wäre, hätte die Konstruktion
fast in Originalgröße gemacht werden müssen. Die Tunnel wurden mit Hilfe
von bemalter Aluminiumfolie konstruiert und mußten in gar nicht so zahlreicher
Ausfertigung und Länge gebaut werden, denn eine kleine handvoll Strecken
wurde mit Hilfe von verschiedener Beleuchtung und anderen Tricks mehrfach
gefilmt, wodurch genug Material für eine mehrminütige Sequenz entstand.
Tempelmusik und Jazz
Für die musikalische Untermalung des Films war natürlich wieder John Williams
zuständig, der inzwischen zum Hauskomponist von Steven Spielberg und George
Lucas geworden war und bisher fast alle ihre Filme vertont hatte. Für
Indiana Jones and the Temple of Doom mußte der Komponist fast
zum Geräuschemacher werden und eng mit der Soundeffekt-Crew von Ben Burtt
zusammenarbeiten, denn die Rituale im Tempel des Todes erforderten eine
ganz besondere Hintergrundmusik. Rhythmische Sprechgesänge und exotische
Instrumente waren für diesen Teil des Films unerläßlich, aber Williams
komponierte auch eine Menge orchestraler Themen, die von vielen ohrwurmverdächtigen
Melodien mit oft fernöstlichem Charakter über rasanter Actionbegleitung
bis zu atmosphärischer Hintergrundmusik reichten. Natürlich ist auch wieder
das Indiana Jones-Thema alias der Raiders March dabei, der allerdings
wieder nur im Abspann vollständig zu hören ist und ansonsten nur sparsam
als Erkennungsmelodie für den Titelhelden eingesetzt wird.
Auch Indiana Jones and the Temple of Doom hat wie sein Vorgänger
eigentlich keine richtige Titelmusik, aber stattdessen so etwas wie einen
Titelsong: da der Film direkt mit der imposanten Shownummer beginnen sollte,
hatten George Lucas schon sehr früh einen alten Jazz-Standard für diese
Szene eingeplant und sich Anything Goes, den Titelsong von Cole
Porters gleichnamigen Broadway Musical aus dem Jahr 1934, ausgesucht.
In den shanghaier Nachtclubs von 1935 war dieser Song vielleicht wirklich
ein großer Hit und angesichts der Örtlichkeit hatten sich die Filmemacher
einen Gag ausgedacht, imdem sie Kate Capshaw nur den Titel auf englisch
singen ließen und den eigentlichen Text in Mandarin. Das ließ den Song
aber nicht so fremd klingen, wie man glauben mochte, denn außer dem etwas
fernöstlich klingenden Intro hatte John Williams den Song mit einem fast
traditionellen, aber bombastischen Bigband-Arrangement ausgestattet. Zusammen
mit der orchestralen Score kann sich so die Filmmusik von The Temple
of Doom mühelos gegen ihren Vorgänger behaupten und gehört zu den
besten Eigenschaften des Films.
Fortune and Glory
Nach 18 Wochen konnten im September 1983 die Dreharbeiten trotz Harrison
Fords Rückenverletzung fünf Tage früher als geplant abgeschlossen werden,
aber danach folgten bis zur Premiere im Mai des nächsten Jahres noch etwa
sechs Monate Postproduktion, in denen die Special-Effects produziert und
einige nachträgliche Filmaufnahmen gemacht wurden. Im Frühjahr 1984 begann
eine riesige Werbekampagne, die die Marketing-Abteilung von Lucasfilm
auch auf die World Science Fiction Convention führte, wo einige Fotos
von den Dreharbeiten und ein kleines Making-Of gezeigt wurden. Als der
Film offiziell angekündigt wurde, war der Ansturm so groß, daß die amerikanischen
Kinobetreiber einen Vorschuß von 40 Millionen Dollar garantierten und
damit Indiana Jones and the Temple of Doom zu einem finanziellen
Erfolg machten, noch bevor der erste Meter Film durch die Projektoren
gelaufen war.
Erwartungsgemäß entwickelte sich der Film zu einem großen Kassenschlager,
auch wenn die Kinozuschauer unterm Strich etwa 30 Millionen weniger als
bei Raiders of the Lost Ark locker machten. Diese leichten Umsatzeinbußen
wurden offenbar hauptsächlich durch die für die Filmemacher überraschend
negativen Reaktionen auf den Film verursacht, mit denen niemand bei Lucasfilm
wirklich gerechnet hatte. Die Brutalität und Grausamkeit in der Handlung
schockte viele Kinozuschauer, weil der Film nur mit einer PG-Freigabe
versehen war und deshalb auch von vielen jüngeren Kindern gesehen wurde,
die nicht selten weinend aus den Kinos flohen. Auch die Kritiker bemängelten
die Gewalttätigkeit des Films und waren längst nicht so begeistert
wie bei Raiders of the Lost Ark. George Lucas und Steven Spielberg
hatten sich mit ihrer Zielgruppe völlig verkalkuliert und mußten schon
bald eingestehen, daß die Freigabe besonders für die Tempel-Szenen viel
zu niedrig angesetzt worden war.
Paramount wurde in den USA so unter Druck gesetzt, daß eine Warnung vor
dem Film angebracht werden mußte. Wenige Monate später wurde von der MPAA
die neue Freigabestufe PG-13 eingeführt, um die lang von der Filmbranche
beantstandete Lücke zwischen PG und R zu schließen. Dem weltweiten Vertrieb
half diese Entscheidung aber wenig, denn in Indien wurde der Film wegen
der verzerrten Darstellung der Landeskultur kurzerhand verboten, während
in England von der Zensurbehörde 25 Schnitte gemacht wurden um eine PG-Freigabe
zu erreichen. In Deutschland wurde Indiana Jones und der Tempel des
Todes zwar mit der Übersetzung des ursprünglichen Titels ausgestattet
und ungekürzt vorgeführt, war aber erst ab 16 Jahren freigegeben.
Der richtige Indy im falschen Film
Indiana Jones and the Temple of Doom ist eigentlich ein sorgfältig
inszenierter und sehr spektakulärer Actionfilm, der jedoch durch die Horror-Elemente
viel von der spielerischen Unschuld seines Vorgängers verloren hat und
hauptsächlich an seinem Inhalt leidet. Die düstere, bedrohliche Stimmung
kann auch der manchmal aufgesetzt wirkende Humor nicht mehr richtig ausgleichen,
denn die völlig humorlose, über zwanzig Minuten lange Sequenz des Opferrituals
und die darauffolgenden Szenen mit den versklavten Kindern hängen wie
ein schwarzer Mantel über der Geschichte, bei der den Zuschauern schnell
das Lachen im Halse stecken bleibt. Die bei Raiders of the Lost Ark
noch richtig stimmige Mischung aus Fantasy, Action und Humor ist deutlich
aus der Balance geraten.
Wer The Temple of Doom aber trotzdem noch zu einem waschechten
Indiana Jones-Abenteuer gemacht hatte, war natürlich Hauptdarsteller Harrison
Ford, ohne den der Film nur ein gut inszeniertes, aber wenig originelles
Actionspektakel gewesen wäre. Dies offenbart auch die größte Schwäche
der Geschichte: die völlige Austauschbarkeit ihrer einzelnen Elemente
und das Baukasten-Prinzip, mit der die Handlung um die Actionszenen herum
konstruiert wurde. Lawrence Kasdan hatte dieses Manko mit seinem cleveren
Drehbuch von Raiders of the Lost Ark noch sehr gut verstecken
können, aber Gloria Katz und Willard Huyck war dies mit Indiana Jones
and the Temple of Doom längst nicht so gut gelungen, wodurch fast
der Eindruck enstand, als ob der Titelheld in einem falschen Film gelandet
wäre.
Die Schauspieler, die solide Inszenierung von Steven Spielberg und auch
die beeindruckenden Special-Effects sorgten trotzdem dafür, daß der Film
kein völliger Reinfall wurde, aber selbst die Filmemacher gaben später
zu, daß er nicht einer ihrer besten Werke war. Dem Indiana Jones-Franchise
schadete dieser Ausrutscher wenig, aber es dauerte noch über ein halbes
Jahrzehnt, bis der Mann mit dem Hut wieder ein neues Abenteuer auf der
Leinwand erleben sollte - mit dem George Lucas und Steven Spielberg aber
die Schwächen ihres vorherigen Films wieder gutmachen konnten.
Die DVD
Gerade als niemand mehr wirklich damit gerechnet hatte,
erschien Indiana Jones and the Temple of Doom im Herbst 2003
zusammen mit den anderen beiden Filmen der Trilogie erstmals als DVD und
sahen dank der digitalen Restaurationstechniken von Lowry Digital noch
nie so gut aus. Ob man die deutsche oder amerikanische DVD-Box wählt,
ist bis auf die üblichen technischen Unterschiede wie PAL-Speedup und
die zusätzlichen Synchronfassungen eigentlich egal, aber wegen The
Temple of Doom sollte man die englische Ausgabe meiden, denn dort
ist der Film immer noch leicht geschnitten.
Alles weiteres zu den DVDs in der Review des
Boxsets und der Bonus-DVD.
Weitere Filme der Trilogie: Raiders of the Lost
Ark | The Last Crusade
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