Allgemeines
Agatha Christie ist eine der am meisten verfilmten Autoren
der Filmgeschichte. Ihren belgischer Meisterdetektiv Hercule Poirot gibt
es in so vielen Inkarnationen auf der Leinwand, daß man es kaum
noch überblicken kann - aber aus dieser Masse ragen ein paar besondere
Highlights hervor. Zuerst versuchte MGM Anfang der sechziger Jahre in
England als Antwort auf die Miss-Marple-Filme mit Margaret Rutherford
eine Verfilmung der ABC-Morde mit Tony Randall in der Hauptrolle, die
nicht gerade besonders werkgetreu aber dafür für sich sehr komisch
war. In den siebziger Jahren wurde das Multitalent Peter Ustinov für
die Rolle des Hercule Poirot entdeckt, und mit großem Staraufgebot
wurde zuerst Death on the Nile und dann Evil under the Sun
erfolgreich verfilmt. Mehrere amerikanische Fernsehfilme im kleineren
Stil folgten.
Bevor jedoch Peter Ustinov die vielleicht beste Interpretation des Charakters
spielte, entstand in England der Film, der die Agatha-Christie-Welle ins
Rollen brachte: Sidney Lumet verfilmte Murder on the Orient Express
mit einer Riege von Schauspielern, von denen andere Regisseure nur träumen
konnten: neben Albert Finney als Hercule Poirot wurden die Nebenrollen
mit Lauren Baccall, Martin Balsam, Ingrid Bergman, Jacqueline Bisset,
Jean-Pierre Cassel, Sean Connery, John Gielgud, Wendy Hiller, Anthony
Perkins, Vanessa Redgrave, Rachel Roberts, Richard Widmark und Michael
York besetzt. Aber die Prominenz ist nicht das, was diesen Film zu einem
Klassiker gemacht hat - das originalgetreu umgesetzte Drehbuch, die fantastische
Musik, die einzigartige Kameraführung und nicht zuletzt Sidney Lumets
Regie machen Murder on the Orient Express zu etwas ganz besonderem.
Im Frühjahr 2002 sah es noch ganz so aus, als ob Murder on the
Orient Express in Europa so gut wie verschollen wäre - das einzige
Land, in dem der Film überhaupt als DVD zu haben war, war Australien.
Die Region 4-Version stammte von Universal,
die die Rechte von Studio Canal eingekauft hatten. Studio Canal schien
auch die europäischen Reche zu besitzen, aber die italienischen,
französischen und spanischen DVDs waren nur kurze Zeit zu haben.
Im Herbst 2002 erschienen alle vier Agatha-Christie-Filme in England von
Momentum in einer Box, aber obwohl in Deutschland Death
on the Nile, Evil under the Sun und The
Mirror Crack'd von Kinowelt erschienen, ließ Murder on the
Orient Express weiter auf sich warten. Angeblich besaßen Kinowelt
und StudioCanal die deutschen DVD-Rechte nicht, aber das stellte sich
als interner Irrtum seitens Kinowelt heraus: Ende Mai 2003 erschien dieses
Meisterwerk endlich auch in Deutschland als DVD und brachte zwar keine
großartigen Verbesserungen gegenüber der australischen DVD,
aber vervollständigt damit die Agatha-Christie-Verfilmungen des Produzententeams
Richard Bradbourne und Ron Goodwin auch als deutsche DVD-Ausgabe. Sogar
das Cover paßt stilistisch zu den vor über einem Jahr erschienenen
Filmen.
Im September 2004 hat Paramount in den USA eine neue
DVD des Films veröffentlicht, die nicht nur eine bessere Bild-
und Tonqualität als die Kinowelt- und Universal-DVDs hat, sondern
auch mehr Extras besitzt. Auf die deutsche DVD sollte man daher nur zurückgreifen,
wenn man die Synchronfassung unbedingt benötigt.
|
|
Bild
Der Transfer der neuen Kinowelt-Version von Murder on
the Orient-Express scheint auf dem gleichen Master wie die australische
DVD zu basieren, das allerdings völlig anders nachbearbeitet wurde.
Zuerst fällt auf, daß die Filmvorlage hier etwas stärker
verschmutzt ist. Kleinere Kratzer und Fussel sind gelegentlich sichtbar
und ganz selten auch größere Beschädigungen. Das alles
ist zwar auf der australischen DVD kaum zu sehen, aber ein Vergleich zeigt
daß diese Fehler dort mit einem sehr starken Filter entfernt wurden
- manchmal kann man noch Überreste der Beschädigungen entdecken,
die auf der Kinowelt-DVD deutlicher zu sehen sind. Die neue DVD kann dafür
jedoch wegen der heruntergeschraubten Filter mit besserer Schärfe
und Detailtreue Punkte gewinnen. Die starke Körnigkeit, die die Folge
eines besonders lichtempfindlichen Filmmaterials ist, wurde hier auch
herausgefiltert, allerdings weniger stark und ohne unangenehme Nebenwirkungen.
Dadurch sieht das Bild auf der Kinowelt-Version um einiges natürlicher
als auf der australischen DVD aus. Das Farbtiming, das die pastellartige,
gedämpfte Palette des Films gut wiedergibt wurde nicht verändert,
aber die starken Überstrahlungen sind hier nicht ganz so stark ausgeprägt.
Wenn man einigen australischen DVD-Kritiken Glauben schenkt, wurde das
Bildformat des Films von 2.35:1 auf 1.78:1 zurechtgestutzt, aber diese
Behauptungen stützen sich einzig und allein auf eine falsche Formatangabe
in der IMDB. Tatsächlich
wurde Murder on the Orient Express "flat" gedreht und
die Bildkomposition wurde auf einen Bereich zwischen 1.66:1 und 1.85:1
ausgerichtet. Im Abspann steht deutlich "Filmed with Panavision Cameras
and Lenses", was auf die Verwendung von sphärischen Linsen für
das Normalformat schließen läßt. Diese DVD mattet das
Bild auf 1.77:1 und macht mit diesem Format einen Kompromiss, der die
Bildkomposition völlig intakt läßt.
Den Umständen entsprechend kann man mit dem von Kinowelt und Digital
Images nachbearbeiteten Transfer des Films zufrieden sein, die Qualität
ist sogar durch die vorsichtigere Anwendung der Filter noch etwas besser
als bei den vorherigen Agatha-Christie-DVDs geworden.
|
Ton
Alle Tonspuren sind in einfachem Mono-Ton vorhanden. Ein
aufwendiger Remix wurde auch für die neue DVD nicht unternommen,
was aber auch gar nicht notwendig gewesen wäre. Murder on the
Orient Express besteht zu 90% aus Dialogen und nur wenig Musik, so
daß die Original-Monoabmischung genau das richtige für den
Film ist.
Die englische Tonspur ist identisch mit der auf der australischen DVD.
Die Stimmen sind klar und deutlich zu hören, obwohl sie anscheinend
direkt auf dem Set aufgenommen wurden - dadurch wird die Akustik der beengten
Zugabteile wird sehr realistisch wiedergegeben. Die Musik hört sich
für eine Mono-Tonspur dieses Alters sehr gut an und läßt
nur wenig an Frequenzgang und Dynamik vermissen. Dies ist einfach eine
gut konservierte 70er-Jahre-Tonspur, die ihre Arbeit hervorragend macht.
Die lang erwartete deutsche Fassung kann da leider überhaupt nicht
mithalten. Der Klang der Synchronfassung läßt sehr zu wünschen
übrig und erinnert an eine übersteuerte, kratzige Lichttonspur.
Bässe und Höhen sind stark eingeschränkt und die Stimmen
sind teilweise schwer verständlich. Die Musik neigt zu starkem Klirren
und hört sich sehr blechern an. Jede der letzten TV-Ausstrahlungen
klang besser, da möchte man doch mal gerne wissen wo Kinowelt diese
entsetzliche Version hergenommen hat.
So gut wie sich die Originalfassung anhört, so schlecht klingt auch
die deutsche Tonspur. Das ist schade, weil es sich dabei um eine der besseren
Synchronfassungen der siebziger Jahre handelt, die zwar keine völlige
Übereinstimmung in den Klangfarben der Stimmen bietet, aber die Atmosphäre
des Films erhält. Allerdings gehen natürlich die verschiedenen
Akzente - allen voran Albert Finneys köstliches Englisch-Französisch
- verloren, so daß man mit Hilfe der deutschen Untertitel auch als
Englisch-Unkundiger der Originalfassung einmal eine Chance geben sollte.
|
Menü & Specials
Genau wie die anderen Agatha-Christie-DVDs von Kinowelt
bietet auch diese nur eine minimale Ausstattung - man muß allerdings
dazu sagen, daß es sehr schwierig sein dürfte für einen
Film dieser Herkunft noch mehr Extras aufzutreiben, geschweige denn neu
zu produzieren.
So bekommt man hier nur einen Trailer (3:11) in nicht-anamorphem
1.66:1 mit ziemlich verkratzter Bildqualität zu sehen, der von einer
Bildergalerie mit 37 Fotos ergänzt wird. Dabei handelt
es sich nicht um einfache Screenshots aus dem Film, sondern um echte Standfotos,
die hier in ganz ansprechender Qualität zu sehen sind.
|
|