Die Serie
Vor etwa fünfzehn Jahren bekam jemand bei der BBC die Idee,
das sowieso schon äusserst bemerkenswerte Archiv von Reisedokumentationen
um ein vielversprechendes Projekt zu erweiten: die Erde nach dem Vorbild
von Jules Verne in achtzig Tagen zu umrunden. Aber wer sollte in die Fusstapfen
von Phileas Fogg treten? Die BBC fragte bei einigen rennomierten Dokumentarfilmern
an, konnte aber niemanden sofort für dieses unsichere Unternehmen begeistern.
Die zweite Wahl war ungewöhnlich - ausgerechnet Michael Palin, Ex-Monty-Python,
Komiker und Allround-Schauspieler, nahm das Angebot trotz seines übervollen
Terminkalenders an.
Natürlich kann man heutzutage die Welt auch ohne Flugzeug in achtzig oder
weniger Tagen umrunden, aber bei den meisten Methoden bekommt man von
der Umgebung kaum etwas mit und so etwas ergibt erst recht keine Reisedokumentation.
Der Reiz besteht darin, die Erdumrundung à la Phileas Fogg nur mit erdgebundenen
Verkehrsmitteln zu bewältigen. Dies bedeutete für Michael Palin auf Schiffe
angewiesen zu sein, was sich als allererstes Problem herausstellte: zu
Zeiten von Jules Vernes Held waren reguläre Passagierschiffs-Linien auf
der ganzen Welt Gang und Gäbe, aber in der Gegenwart ist dies etwas völlig
anderes.
Am 25. September 1988 setzte sich Michael Palin in den Orient-Express
Richtung Venedig um den ersten Schritt seiner Reise zu beginnen. Phileas
Fogg wurde von seinem Diener Passepartout begleitet, Michaels Begleitung
bestand dagegen aus einem sechsköpfigen Filmteam: die Produzenten und
Regisseure Clem Vallance und Roger Mills, Kameramann Nigel Meakin und
Toningeniere Julian Carrington und Nigel Walters. Ohne ein festes Drehbuch
und nur mit einer vagen Reiseplanung begann die Reise, die von England
aus über Frankreich, Italien, Griechenland, Ägypten, Saudi-Arabien, Indien,
China, Honkong, Japan, Amerika bis zurück nach London führte.
Die genutzten Transportmittel waren hauptsächlich Züge, Autos und Schiffe,
wobei letztere oft die abenteuerlichste Variante darstellten: während
auf den meisten anderen Zug- und Schiffsreisen nur wenig passierte, erwies
sich die Reise zwischen Saudi-Arabien und Indien auf einer Dhow, einem
einfachen, primitiven Frachtkahn, als echtes Abenteuer und, wie sich im
Nachhinein herausstellte, als größtes Highlight der Reise. Der enorme
Zeitdruck machte es schwer, sich lange an einem Ort aufzuhalten, denn
sonst wäre das eigentliche Ziel der Reise in Gefahr gewesen. Trotzdem
gelang es Michael Palin und seinem Team, auf der schnellen Durchreise
von den besuchten Orten faszinierende Eindrücke einzufangen und sie oft
auch von einer Seite zu zeigen, die man sonst kaum zu sehen bekommt.
Musikalische Untermalung bei Dokumentationen können unnötig oder sogar
nervig sein, aber bei Around the World in 80 Days ist Paddy Kingslands
Musik genauso wie Michael Palins Voiceover ein fester Bestandteil der
Serie und integriert sich nahtlos ins Geschehen. Ohne aufdringlich zu
sein wiederholt sich das Hauptthema immer wieder in vielen verschiedenen
Inkarnationen, die geschickt auf die aktuellen Lokalitäten angepaßt wurden
und große Ohrwurmqualitäten haben.
Michael Palin stellte sich selbst nur in den Vordergrund, wenn es nichts
wichtiges anderes zu sehen gab - und das war selten, denn die meiste Zeit
wurde er von der Kamera wie einer unter vielen Reisenden begleitet. Allerdings
reichte sein urbritisches Auftreten schon oft aus, um ihn wie einen bunten
Hund aus der Menge herausstehen zu lassen, was alleine schon der Anlaß
für einige komische Situationen sorgte. Natürlich konnte sich Michael
Palin auch einige Momente feinsten Monty-Python-Humor nicht verkneifen,
aber trotzdem bleibt der notwendige Ernst da erhalten, wo er angebracht
ist. Generell ist die Stimmung aber durchaus positiv und humorvoll, auch
in Momenten wenn alles schiefgeht und Michael ein wenig seinen Frust vor
laufender Kamera losläßt.
Der große Reiz von Around the World in 80 Days ist natürlich
herauszufinden, ob es tatsächlich möglich ist so eine Reise heutzutage
zu schaffen. Michael Palin hat das eindrucksvoll demonstriert und dabei
eine der ungewöhnlichsten und interessantesten Reisedokumentationen geschaffen,
die es je gegeben hat. Und dabei bliebt es nicht, denn 80 Days war nur
der Auftakt zu weiteren Reisen, mit denen Michael Palin die Fernsehzuschauer
auf der ganzen Welt beeindruckte: Pole to Pole führte vom Nord- zum Südpol,
Full Circle um den Pazifik, Sahara durch die berüchtigste Wüstengegend
der Welt und Himalaya auf die höchsten Gebirge der Welt. Sein neuestes
Projekt ist eine Reise quer durch das "neue Europa".
Auf seiner gut gemachten offiziellen Webseite PalinsTravels.co.uk
hat Michael Palin seine ausführlichen Reiseberichte ins Web gestellt:
dort kann man sich die kompletten Texte seiner Begleitbücher inklusive
Fotos und noch viel mehr nachlesen. Außerdem kann man dort mehr über Michael
Palins aktuelle Projekte erfahren, und er selbst schreibt auch ab und
zu Artikel im Forum der Webseite.
Die DVD
Angespornt durch den DVD-Erfolg von Michael Palins neuester
Dokumentation Sahara hatte sich die BBC 2004 aufgerafft, endlich
auch seine frühere Reisen auf DVDs zu veröffentlichen. Den Anfang
machte Around the World in 80 Days, das auf der neuen DVD endlich
in der ursprünglichen Episoden-Aufteilung und in viel besserer Bildqualität
zu sehen ist. Alleine das macht dieses 3-DVD-Set schon kaufenswert, auch
wenn das Bonusmaterial aus verständlichen Gründen etwas mager ausgefallen
ist.
Wer seine alten TV-Aufnahmen oder Videokassetten der Serie gegen die DVD-Version
ersetzen will, sollte unbedingt zugreifen - und auch als Einstieg in Michael
Palins Reiseabenteuer ist Around the World in 80 Days bestens
geeignet, zumal die DVD erheblich billiger als die alten englischen Videokassetten
ist. Eine deutsche Fassung existiert zwar, ist aber auf dieser britischen
DVD nicht dabei - solange man nicht auf die Synchronfassung angewiesen
ist, kann man mit dieser aber nichts falschmachen.
Weitere Reisedokumentationen mit Michael Palin:
Pole to Pole | Full
Circle | Sahara | Himalaya
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Bild
Gedreht wurde in bester Dokumentarfilm-Tradition auf 16mm-Film,
da solch ein Filmequipment noch unter den schlimmsten Bedingungen funktioniert,
wenn schon andere Kameras längst ihren Geist aufgegeben haben. Deswegen
darf man hier nicht die gleichen Ansprüche wie an eine Kinoproduktion
auf hochwertigem 35mm-Material stellen, aber dennoch hat es die BBC geschafft,
die Serie viel besser als auf den früheren VHS-Kassetten aussehen
zu lassen.
Für die neuen DVDs wurde offenbar ein überarbeitetes Broadcast-MAZ-Master
verwendet, das eine sehr gute Qualität besitzt und keine videotechnischen
Einschränkungen hat. Der eigentliche Transfer des Filmmaterials wurde
schon 1989 bei der Postproduktion gemacht, ist aber auch nach heutigen
Masstäben gut gelungen und technisch einwandfrei. Man bekommt keinesfalls
den Eindruck ein altes, zweitklassikes Videomaster zu sehen, sondern eine
richtige Filmprojektion.
Zuerst fällt die starke Körnigkeit auf, die bei 16mm-Material
aber unvermeidlich ist und hier nicht herausgefiltert wurde. Dadurch ist
die Schärfe auf einem für das Format akzeptablen Niveau und
es wird verhindert, daß das Bild im digitalen Matsch versinkt. Dafür
sorgt auch die recht hohe Bitrate, die die Kompression trotz des körnigen
Quellmaterials nicht in Schwierigkeiten bringt. Die Filmvorlage ist bis
auf wenige Fussel oder kleinere Kratzer praktisch frei von Verunreinigungen,
wenn man von der deutlichen Körnigkeit absieht.
Die auf Video produzierten Elemente, wie der Vorspann und die Karten,
sehen erstaunlich klar aus und weisen keinerlei Anzeichen von typischen
analogen Videoartefakten auf. Die Farben wirken durchgehend natürlich,
Helligkeit und Kontrast sind aber manchmah aufgrund der Lichtverhältnisse
vor Ort nicht wirklich optimal. Dennoch es ist erstaunlich wie das Kamerateam
noch unter den ungünstigsten Umständen wunderbare Bilder hervorgezaubert
hat - letztendlich bekommt man auch auf dieser DVD genau das zu sehen,
was die Kamera eingefangen hat.
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