Murder She Said
Cover

04.04.2006 #372

Titel Murder She Said
Studio MGM British Studios (1961)
Hersteller Warner Home Video (2006)
DVD-Typ 5 (4,39 GB) Bitrate ø 5,74 max. 7,5
Laufzeit 86 Minuten Kapitel 24
Regionalcode 1 (USA/Kanada) Case Amaray I
Fernsehnorm NTSC
Bildformat 1.78:1 16:9 yes
Tonspuren Dolby Digital 1.0 Mono 192 kbit/s Englisch, Französisch
Untertitel Englisch, Französisch
Freigabe Not Rated
Extras • Agatha Christie Trailer Gallery

Der Film

Durch Zufall beobachtet Miss Marple in einem an ihrem Abteilfenster vorbeifahrenden Zug, wie eine Frau erwürgt wird. Als die Polizei ihr keinen Glauben schenkt, nimmt die rüstige Miss Marple zusammen mit ihrem Bekannten Mr. Stringer die Sache selbst in die Hand und findet nach einer unauthorisierten Bahnstreckenbegehung heraus, daß die Leiche vermutlich vor dem Grundstück der Familie Ackenthorpe aus dem Zug geworfen und dort verschwunden ist. Um den Ereignissen auf den Grund zu gehen, bewirbt sie sich als Haushälterin bei den Ackenthorphes und findet beim Herumschnüffeln auf dem Anwesen schnell die vermißte Tote...

 


Als Ende der fünfziger Jahre MGM für drei Millionen Dollar die Film- und Fernsehrechte an Agatha Christie's Kriminalromanen erwarb, wusste das Studio zuerst nichts damit anzufangen. Der ursprüngliche Plan zweier Fernsehserien rund um Miss Marple und Hercule Poirot wurde nie realisiert, aber dann entwickelte sich die Idee einer Reihe von Kinofilmen, die ab 1961 in die Tat umgesetzt wurde. Trotz der großen Popularität der Romane war dies tatsächlich der erste Versuch einer Verfilmung - und das, obwohl die beiden ungewöhnlichen Detektive schon fast dreißig Jahre in Buchform existierten.

Unter der Schirmherrschaft der MGM British Studios entstand so Anfang der sechziger Jahre die erste Verfilmung eines Miss-Marple-Romans von Agatha Christe. Als Vorlage für den ersten Film diente 4.50 from Paddington, für deren Umsetzung sich die Drehbuchautoren David Osborn, David Pursall und Jack Seddon einige Freiheiten herausnahmen. Dies war hauptsächlich aufgrund der Wahl der Hauptdarstellerin nötig, denn Margaret Rutherford entsprach allerhöchstens ansatzweise der Idee von Miss Marple aus der Romanvorlage.

Während in der Originalgeschichte der Mord im Zug nur von einer Freundin von Miss Marple beobachtet wird und sie selbst nur passiv an der Handlung teilnimmt, wurde für den Film die alternde Hobbydetektivin in den Vordergrund gerückt. Auch ähnelte Margaret Rutherford gar nicht der ursprünglichen Beschreibung der kleinen, zerbrechlichen alten Dame mit dem detektivischem Sinn, wovon Agatha Christie überhaupt nicht begeistert war.

Trotzdem sah die Autorin davon ab die Verfilmungen zu stoppen und wurde sogar zu einer guten Freundin der Schauspielerin. Ursprünglich wollte Margaret Rutherford gar nichts mit der Rolle zu tun haben, weil sie Mord und Gewalt verabscheute - aber Regisseur George Pollock konnte sie umstimmen, indem er folgerichtig erklärte, daß Miss Marple mehr an der Lösung eines Problems interessiert sei als am eigentlichen Verbrechen.

4.50 from Paddington wurde für die Verfilmung in Murder She Said umbenannt, den amerikanischen Alternativtitel des Romans. Unter der Regie von George Pollock spielte mit Margaret Rutherford eine Riege von britischen Charakterschauspielern, die auch die wichtigen Nebenrollen nicht in Bedeutungslosigkeit abdriften lassen. Auch in der Besetzung und der Story wurden einige Anpassungen gegenüber der dunklen, bedrohlichen Romanvorlage gemacht: zum Beispiel wurde Miss Marple mit dem Bibliothekar Mr. Stringer ein "Sidekick" dazugeschrieben, der von Margaret Ruhtherfords Ehemann Stringer Davis gespielt wurde.

Dies gab natürlich dem sonst recht ernsten Plot einige Gelegenheiten zu einigem wohldosiertem, typisch britischem Humor - ein Element mit der Margaret Rutherfords Miss Marple hauptsächlich berühmt wurde. Allerdings wurde damit aber relativ vorsichtig umgegangen, denn sonst wären Miss Marple und Mr. Stringer schnell zu Witzfiguren geworden. Dank der souveränen Darstellungen der beiden Schauspieler stellt sich dieses Problem erst gar nicht.

Die Story des Films wurde spannend umgesetzt, obwohl die Buchvorlage natürlich recht stark zusammengestrichen wurde. Die grundlegende Geschichte blieb aber intakt und damit auch der Spannungsbogen, der nie Langeweile aufkommen läßt, auch wenn man die Auflösung schon längst kennt. Ohne großen Aufwand in Schwarzweiß in Szene inszeniert gelingt es dem Film die Stimmung eines fast zeitlosen englischen Vorstadtlebens effektvoll einzufangen, das irgendwann zwischen 1930 und 1960 stattgefunden haben könnte. Die Kulisse spielt aber hier nur einen nebensächliche Rolle, denn der Film lebt fast ausschließlich von den Schauspielern.

Ein nicht zu unterschätzender Beitrag macht allerdings auch Ron Goodwins ohrwurmverdächtige Filmmusik, die zusammen mit Margaret Rutherford einzigartiger Darbietung zu einem Markenzeichen der Miss Marple-Filme wurde. Zufällig wurden sogar für zukünftige Verfilmungen die Weichen gestellt: Joan Hickson, die hier in einer kleinen Nebenrolle zu sehen ist, sollte dreißig Jahre später die Hauptrolle in einer werkgetreuen Verfilmung der BBC von allen zwölf Miss Marple-Romanen spielen.

Murder She Said wurde nicht nur in England, sondern in ganz Europa und auch in Amerika zu einem Überraschungserfolg, der noch drei Fortsetzungen mit sich brachte und schon bald zum Klassiker wurde. In Deutschland bekam der Film den Titel der Romanübersetzung 16.50 ab Paddington und wurde bemerkenswert gut synchronisiert - heute sind der Film und seine Nachfolger Dauerbrenner im Fernsehen und werden sogar noch in manchen Programmkinos gezeigt. Ein Krimiklassiker, wie er im Buch steht.

Die DVD

Als Ende 2003 die vier Miss Marple-Filme mit Margaret Rutherford in Deutschland erstmals als DVD veröffentlich wurden, war die Aufregung groß – nicht vor Freude, sondern vor Ärger über die schlechte Bildqualität, denn Warner hatte keine neuen Transfer machen lassen sondern auf alte Videomaster zurückgegriffen, die bis auf den vierten Film auch noch seitlich beschnittene Bildformate hatten.

Schon zu diesem Zeitpunkt gab es Gerüchte, daß Warner die vier Filme für eine DVD-Veröffentlichung in den USA neu abtasten und restaurieren lassen wollte. Ende 2005 wurden dann die Miss Marple-Filme auch in Region 1 für eine Veröffentlichung im Frühjahr 2006 angekündigt, aber die Pressemitteilungen sprachen enttäuschenderweise immer nur von einem Bildformat von 1.33:1 ohne weitere Angaben. Im Gegensatz zur deutschen Veröffentlichung steckte dahinter aber wirklich nur eine Fehlinformation, denn als die DVDs dann schließlich ohne große weitere Ankündigungen erschienen, enthielten sie ausgezeichnete neue anamorphe Transfer im Fast-Originalformat 1.78:1 und sogar restaurierte Tonspuren.

Zwar gibt es als Bonusmaterial der amerikanischen Miss Marple-Box nur die Trailer der vier Filme und vom gleichzeitig erschienenen Ten Little Indians, aber angesichts der massiv verbesserten Bild- und Tonqualität lohnt sich ein Neukauf der DVDs auf jeden Fall wenn man die Filme gerne mag und auf den deutschen Ton verzichten kann. Leider ist eine Neuauflage der Miss Marple-Filme in Deutschland mit den restaurierten Abtastungen der US-Ausgabe noch nicht in Sicht, wird aber irgendwann hoffentlich auch noch geschehen.

Die Verpackung des neuen US-Boxsets, dessen Filme nur zusammen erhältlich sind, besteht genauso wie bei der alten deutschen Version aus vier Keepcases in einem Pappschuber, aber die Cover wurden liebevoll neu gestaltet und sehen wirklich gelungen aus. Auch wenn hier außer den Trailern keinerlei weitere Extras geboten werden haben Murder She Said und die drei anderen DVDs alleine schon wegen der wundervollen neuen Transfer trotzdem die volle Punktzahl verdient.


Weitere Reviews:
RC1: Murder She Said | Murder at the Gallop | Murder Most Foul | Murder Ahoy
RC2: Murder She Said | Murder at the Gallop | Murder Most Foul | Murder Ahoy
Vergleiche: Murder She Said | Murder at the Gallop | Murder Most Foul | Murder Ahoy


Bild

Der neue digitale Transfer von Murder She Said weist die alte analoge Abtastung der Region 2-DVD gnadenlos in die Schranken – die Unterschiede liegen nicht nur im Bildformat, sondern auch in der enorm verbesserten Bildqualität, die einer offenbar ziemlich aufwendigen Restauration zu verdanken ist. Abgetastet wurde der Film in 1.78:1 um das 16:9-Bild vollständig zu füllen, obwohl der Film ursprünglich in 1.66:1 gedreht wurde – eine übliche Praxis bei Warner, die der Bildkomposition in den wenigsten Fällen schadet und, wie der Transfervergleich zeigt, bei Murder She Said hervorragend funktionierte.

Die Filmvorlage ist in einem bemerkenswert gutem Zustand und wurde gründlich von allen Kratzen, Fusseln und Laufstreifen befreit. Nur bei ganz genauem Hinschauen kann man in einigen wenigen Szenen noch Überreste von den anscheinend ziemlich gravierenden Beschädigungen des Filmmaterials entdecken, die allerdings kaum auffallen. Im Vergleich zur alten DVD ist das Bild des neuen Transfers exemplarisch sauber und läßt in Sachen digitaler Restauration absolut keine Wünsche übrig. Auch der Bildstand ist bemerkenswert stabil und leistet sich keinerlei Ruckeln oder Flattern, sogar die vielen Überblendungen sind nicht mit einer merkbaren Verschlechterung der Bildqualität verbunden.

Die Körnigkeit wurde teilweise mit einem Rauschfilter behandelt, der aber keine unangenehmen Nebenwirkungen hinterlassen hat. Eine geringe Restkörnigkeit ist noch übriggeblieben, die in einer handvoll Szenen etwas stärker sichtbar ist. Die Schärfe ist für einen Film dieses Alters ausgezeichnet, aber noch nicht ganz so gut wie bei den Neuabtastungen der drei Fortsetzungen, was offenbar lediglich durch das etwas höhere Alter des Films bedingt ist. Digital nachgeschärft wurde anscheinend kaum, die üblichen Auswirkungen von Schärfefiltern sind hier auf jeden Fall nicht zu sehen.

Helligkeit und Kontrast sind sehr gut ausgeglichen und lassen eine große Palette von Grautönen und nicht nur ödes Schwarzweiß erkennen. Auch in den dunklen Szenen bekommt man deutlich mehr als nur Licht und Schatten zu sehen, was bei dem alten Transfer nicht immer selbstverständlich war. Auch die zahlreichen Helligkeitsschwankungen der alten DVD wurden hier vollständig eliminiert.

Mit dieser DVD hat Warner wieder einmal vorgemacht, wie man einen über vierzig Jahre alten Schwarzweißfilm wieder fast wie neu aussehen lassen kann und diesmal sogar den eigenen Fehler der europäischen Abteilung wieder korrigiert – allerdings hätte man solch eine Restauration auch schon vor zweieinhalb Jahren für die RC2-DVD machen lassen können.

Ton

Die ganz solide Tonspur der vorherigen DVD-Veröffentlichung des Filme konnte tatsächlich noch etwas verbessert werden. Anscheinend hat Warner noch ein besseres Tonmaster auftreiben können, das vermutlich eine sehr gut erhaltene Magnetton-Aufzeichnung war. Auf einen 5.1-Tonspur wurde verzichtet, da höchstwahrscheinlich keine getrennten Tonspuren mehr vorliegen und auch die Musik nur in Mono aufgenommen wurde – ein Upmix hätte daher nur wenig Sinn gehabt und nur mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Dafür wurde aber die ursprüngliche Mono-Abmischung sehr gut restauriert.

Die englische Originalfassung ist als 1.0-Tonspur mit ordentlichen 192 kbit/s codiert worden und klingt angesichts ihres Alters beeindruckend gut. Dynamik und Frequenzumfang sind zwar nicht auf heutigem Niveau, aber viel besser als bei der alten DVD. Besonders Ron Goodwins Musik hat nun deutlich mehr Bässe und Höhen, der Klang ist sehr warm, natürlich und hat nur wenig von der unangenehmen Schärfe die man sonst bei Filmen aus dieser Zeit kennt. Auch die Dialoge sind völlig unverzehrt und hören sich kristallklar an.

Das einzige, was man dieser Tonspur negativ anlasten könnte, wäre der etwas erhöhte Rauschpegel. Ob man das als Problem oder einfach typisch für einen Film dieses Alters ansieht ist Geschmackssache, aber immerhin wurde das Grundrauschen nicht einfach mit einem Filter erschlagen und damit den Klang verschlimmbessert. Die ebenfalls mitgelieferte französische Synchronfassung wurde anscheinend kaum bearbeitet von einer alten Lichtton-Quelle übernommen und klingt dementsprechend dumpf und verzerrt.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial dieser DVD besteht leider nur aus Trailern, obwohl Warner bei Filmklassikern auch gerne einige Beigaben zusammenstellt. Bei den Miss Marple-Filmen war dies aber nicht so einfach möglich, da es kaum verwandtes Material und auch keine vorhandenen Dokumentationen gibt und Warner sich nur bei wirklich großen Filmen hinreißen läßt neues Material zu produzieren. Das gelungene Menüdesign basiert hier offenbar auf alten Postermotiven und nicht auf dem neuen Coverdesign, ist aber durchaus gelungen wenn man bedenkt daß es nur statische Menütafeln sind.

Die Agatha Christie Trailer Gallery ist das einzige Extra auf dieser DVD. Hier sind alle vier Trailer der Miss Marple-Filme untergebracht, von denen besonders der erste sehr interessant ist, weil er speziell gedrehte Szenen enthält in denen Margaret Rutherford in ihrer Miss Marple-Rolle die Zuschauer direkt anspricht. Zusätzlich gibt es auch noch den Trailer des parallel herausgebrachten Ten Little Indians dazu, der aber weniger aufregend ist.

Alle Trailer wurden anamorph abgetastet und sind zwar etwas angeschlagen, haben aber bis auf den letzten eine noch akzeptable Bildqualität:
• Murder She Said (2:37)
• Murder at the Gallop (2:37)
• Murder Ahoy (1:33)
• Murder Most Foul (2:11)
• Ten Little Indians (2:07)


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